»Spannend wie ein Wasserkäfer«

In einem Monat werden in Nagano die Olympischen Winterspiele eröffnet

Wenn am 7. Februar die Olympischen Winterspiele beginnen, dann sitzen wohl Tausende enttäuschter Japaner vor den Bildschirmen. Millionen wollten eigentlich lieber Tickets für die Wettbewerbe haben, in einzelnen Sportarten kamen neunzig Nachfragen auf eine Eintrittskarte. Als der Verkauf am 2. Juni des letzten Jahres begann, waren innerhalb von fünf Minuten die Karten für die Eröffnungszeremonie und die Eiskunstlauf-Wettbewerbe ausverkauft - Tausende hatten zum Teil tagelang in Nagano Schlange gestanden, weitere Tickets waren über Agenturen in ganz Japan angeboten worden. Unter den Käufern befanden sich auch die 2 000 Mitglieder des Chores, der während der Eröffnungsfeier auftreten wird - die Offiziellen hatten entschieden, daß sie unmöglich Freikarten für so viele Personen ausgeben könnten.

Aber auch die Tickets für die anderen Veranstaltungen und Wettbewerbe sind sehr begehrt, jedoch anscheinend nicht bei jedem: Der Gouverneur von Nagano, Goro Yoshimura, gleichzeitig Vizepräsident des Olympischen Organisationskomitees seiner Stadt, erklärte in seiner Neujahrsrede, daß das Eisschnellaufen ungefähr so spannend anzuschauen sei wie ein Wasserkäfer. Dies löste große Empörung aus, denn immerhin rechnen sich die Japaner in dieser Disziplin große Medaillenchancen aus.

Aber nicht nur dort, auch die Skispringer gehören ganz unbedingt zum Favoritenkreis. "Japan, Japan, Japan... und bald sind die Olympischen Spiele" titelte das norwegische Dagbladet leicht genervt nach dem japanischen Dreifacherfolg während der Vierschanzentournee in Garmisch-Partenkirchen. Sieger Kazuyoshi Funaki könnte sogar schaffen, was noch niemandem vorher gelang - er könnte alle vier Springen der Tournee gewinnen. Sein Landsmann Youkio Kasaia hatte in der Saison 71/72 die Vierschanzentournee gewonnen, allerdings nur drei Springen absolviert: Das letzte ließ er aus, um sich auf die Spiele in Sapporo vorzubereiten.Funaki, der das dritte Springen ebenfalls gewinnen konnte, steht als Tourneesieger schon beinahe fest - die anderen Nationen hatten das Thema schon früh abgehakt. Dieter Thoma, große Hoffnung des Deutschen Skiverbandes DSV, konzentriert sich statt dessen auf die Olympiade. Der Springer, über den Ehefrau Manuela sagt: "Früher war er total verbissen. Ich hab immer gesagt: Wenn man ihm einen Kiesel in den Mund steckt, kommt hinten Sand raus", wird bei der WM Ende Januar nicht starten, um sich in Ruhe auf Nagano vorzubereiten.

Die Trainer der norwegischen Skispringer, Trond Joran Pedersen kündigte schon am 2. Januar an: "Wenn wir nicht die beste Skisprungnation werden und kleine Medaille bei den Spielen gewinnen, dann gebe ich meinen Job auf!" Die japanischen Springer sind auch für ihn klare Favoriten: "Sie haben die besten finanziellen Mittel", erklärte Pedersen, dessen Team vor einigen Jahren schon einmal pleite war und erst in letzter Minute gerettet werden konnte. Trotzdem glaubt er: "Wir haben gute Chancen auf olympische Medaillen." In Norwegen werden derweil auch schon bescheidene Erfolge gefeiert: "Fünf Norweger im Finale sind ein Fortschritt. Der beste Platz ein 14. - das ist schwach", schrieben die Zeitungen nach den enttäuschenden Resultaten der Springer während der Vierschanzentournee, der allerdings im nicht-deutschsprachigen Ausland nicht sonderlich viel Gewicht beigemessen wird.

In Japan hat man in der Zwischenzeit kaum sportliche Probleme, statt dessen kursieren Gerüchte über die angebliche Unfähigkeit der olympischen Manager. Im Internet beschreibt beispielsweise eine Frau, was sie erlebte, als sie im vorigen Jahr in der olympischen Arena "White Ring" bei den nationalen japanischen Meisterschaften im Eiskunstlaufen zuschaute: "Der Zuschauerbereich war neun Grad kalt, die Leute froren. Gleichzeitig schmolz das Eis."