Massaker in Chiapas

US-Militär hilft mit

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Als am 12. Januar in ganz Mexiko über 100 000 Menschen auf die Straßen gingen, um gegen das Massaker an 45 EZLN-SympathisantInnen zu protestieren, die von Paramilitärs der Todesschwadron "Rote Maske" am 22. Dezember in Chiapas ermordet worden waren, fielen erneut Schüsse. In Ocosingo, einer Kreisstadt am Rande der Zapatista-Hochburg Selva Lacadona, feuerten Polizisten einer Spezialeinheit in eine Demonstration von 6 000 Menschen und ermordeten eine Frau. Das neue Jahr beginnt, wie das alte endete: Der Alltag der "Kriegsführung niedriger Intensität" gegen die rebellierenden Ind'genas geht weiter.

Auch der Alltag der Heuchelei macht keine Pause. Hatte US-Präsident Bill Clinton noch vor einigen Tagen hochoffizielle Krokodilstränen vergossen und den Frieden in Südmexiko angemahnt, zeigen Dokumente jetzt überdeutlich, was ohnehin auf der Hand liegt: Das US-Militär steht der mexikanischen Bundesarmee und den von ihr protegierten Paramilitärs tatkräftig zur Seite. In einem Brief weist der Abgeordnete des Repräsentantenhaus Joseph Kennedy darauf hin, daß es Absolventen der School of the Americas (SOA) sind, die in Chiapas die Armee-Operationen leiten. Die SOA ist ein Ausbildungszentrum der US-Army in Fort Benning (Georgia). Hier wurden Generationen von lateinamerikanischen Militärs ausgebildet, die später in ihren jeweiligen Heimatländern zu den brutalsten und hochqualifiziertesten Guerillajägern und Folterknechten der verschiedenen Militärregimes zählten. So sind beispielsweise 48 der 69 Offiziere, die von der UN-Wahrheitskommission der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen während des Kriegs gegen die FMLN in El Salvador angeklagt wurden, ehemalige Schüler der SOA. In die Schlagzeilen geriet die Akademie, als vor einigen Monaten Handbücher über Foltertechniken und Mordmethoden bekannt wurden, die jahrelang als Unterichtsmaterial dienten. Insgesamt 58 000 Absolventen kamen seit 1947 in den Genuß der Ausbildung, die dem Pentagon jährlich etwa 18 Millionen US-Dollar wert ist.

Auf was sich die Militärs in Südmexiko vorbereiten, zeigen die Neuzugänge in die SOA und ähnliche US-Einrichtungen. Wie die Wochenzeitung Proceso recherchierte, wurden in den ersten zehn Monaten des letzten Jahres 1 500 mexikanische Offiziere aufgenommen, beinahe soviel wie in den 14 Jahren davor. Gleichzeitig werden High-Tech-Waffen auf Hochtouren von den USA nach Mexiko geliefert.

Auch daran, wie der "Krieg niedriger Intensität" zu führen ist, lassen offzielle Dokumente keinen Zweifel. In einem Strategiepapier des mexikanischen Verteidigungsministeriums heißt es: "Das strategische-operationale Ziel ist es, den Kampfwillen der EZLN zu zerstören und sie von der Zivilbevölkerung zu isolieren." Und weiter: "Das taktische Ziel der Operationen ist, die politisch-militärische Struktur der EZLN zu zerstören und/ oder zu desorganisieren." Auch den Aufbau paramilitärischer Gruppen sieht das Dokument explizit vor. Es stammt vom Oktober 1994 und macht deutlich, daß es trotz der diversen Dialoggespräche nie einen realen Verhandlungswillen von seiten der Regierung gegeben hat. Die Massakrierten von Acteal und die über 400 Menschen, die in Chiapas letztes Jahr ermordet wurden, sind Opfer eines Krieges, der nicht nur an Schreibtischen in Mexiko, sondern auch im Pentagon geplant wird.