Grünalternative Arbeitsteilung

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"Wir werden den Castor-Transporten friedlich und gewaltfrei, aber entschieden entgegentreten." Tobenden Beifall ernetete der "Politkommissar", wie Daniel Cohn-Bendit und Frank Herterich noch am Samstag den grünen Vorstandssprecher Jürgen Trittin in der taz schimpften. "Zugabe, Zugabe", forderten die angereisten Delegierten, unterstützt durch Standing ovations, als Trittin in seiner abschließenden Rede auf seine Art zum Wahlkampf blies: "Wir werden Rühes geplanter öffentlicher Rekrutenvereidigung entgegentreten."

Trittin hatte ernst genommen, was die Frankfurter Parteifreunde Cohn-Bendit und Herterich doch eigentlich gerade nicht ihm, sondern dem Bonner Fraktionschef Joseph Fischer nahegelegt hatten: Von Schröder lernen, heißt siegen lernen. Soll heißen: Viele Wähler lassen sich eher über eine glaubwürdige Person als über ein Parteiprogramm mobilisieren. Trittin hat es geschafft, als rhetorisch geübter Fachmann für grüne Einheitsfeiern die Glaubwürdigkeit des Bundestagswahlprogrammes "Grün ist der Wechsel" herzustellen - nach innen und außen. Er konnte überzeugend linke Positionen in Szene zu setzen und gleichzeitig ohne Wenn und Aber die rot-grüne Koalition einzuklagen - die Quadratur des Kreises also.

Damit hat der Vorstandsprecher auf den Punkt gebracht, was die Delegierten nach dem vergangenen Wochenende erwarten: Die grüne Partei soll alles mobilisieren, was sich links von der SPD an Stimmen gewinnen läßt. Schließlich gilt es, der PDS Wähler und Wählerinnen abzuziehen, um deren Einzug in den Bundestag zu verhindern. Bis ins undogmatische linke Lager hinein hofft man auf Zustimmung, zieht doch immer noch die regelmäßig frustrierte Hoffnung auf das kleinere Übel. Zudem hat die Entscheidung, Schröder zum Kanzleraspiranten zu krönen, für die Grünen den Weg frei gemacht, um auch im linkssozialdemokratischen Spektrum um Stimmen zu werben.

Sieht man also einmal von wirtschafts- und steuerpolitischen Konzepten ab, werden wir in den nächsten Monaten einiges zu hören bekommen, was sich - in heutigen Zeiten - so richtig radikal anhört: Sei es die Streichung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrüstung der Bundeswehr, die Abschaffung aller Zwangsdienste, die Aufhebung der Antiterror-Gesetze oder die Auflösung der Geheimdienste. Daß von all dem nichts bleiben wird, bestätigen bislang alle Erfahrungen rot-grüner Landespolitik. Warum also sollten sich nun die Verhandlungsführer in spe diesen Abmachungen unterordnen, geht es doch erstmals um die Abwahl einer konservativen Bundesregierung - und um die Machtbeteiligung auf höchster Ebene. Nein, da kann man sich getrost auf den ungebremsten Regierungswillen der grünen Wortführer und -führerinnen verlassen. Und schließlich hat auch hier Trittin von seinem ehemaligen niedersächsischen Kollegen Schröder gelernt: Zu einem der wichtigsten strategischen Grundsätze des Populisten Schröders zählt schließlich, einzukalkulieren, daß jeder weiß, wie wenig der sozialdemokratische Kanzlerkandidat von dem einhalten wird, was er verspricht.

Sollte es später doch Ärger geben, muß eben Fischer ran. Denn der hat wenigstens vorher nichts anderes versprochen. Die Vorarbeit hat bereits Fischers Parteifreund Cohn-Bendit mit der Forderung geleistet, man möge die Leine für den Fraktionschef "lang lassen". Die Zügel, die man dem einstigen Frankfurter Sponti auf der Magdeburger Konferenz angelegt haben will, werden dann kaum mehr von Bedeutung sein.