Riff-Raff

Sprung ins Off

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Einfacher hätte es die RAF all den selbsternannten Terrorismusexperten, die in der vergangenen Woche wieder aus der Versenkung aufgetaucht sind, nicht machen können. Denn was als Abschiedserklärung einer linksradikalen Gruppe niedergeschrieben wurde, die sich nicht mal eben einem Ringelpietz zum Anfassen, sondern der bewaffneten Intervention wegen organisiert hatte, läßt sich selbst mit besten Absichten nicht gutwillig kommentieren: Bar jeglicher materialistischen Analyse, wird der moralische Idealismus, mit dem die Rest-RAF der neunziger Jahre den Angriff auf den ehemaligen SS-Mann Hanns-Martin Schleyer im Deutschen Herbst 1977 begründen, nur noch knapp von all ihren bürgerlichen Kritikern überboten.

Auf geradezu peinlich flachem Niveau beschreibt die einstige Stadtguerilla historische Kontinuitäten vom Nationalsozialismus zur kapitalistischen Demokratie, um wenige Zeilen später die "eigene Befreiung" hochzuhalten, wegen derer man und frau den "subjektiven Sprung" in den Untergrund gewagt habe: "Wir wollten unsere Grenzen durchbrechen und frei sein von allem, was uns im System hält." Wo sich denn nun genau zwischen illegalen Wohnungen und gefährlichen Grenzübertritten, Fahndungsterror und der Drohung mit lebenslänglichem Knastaufenthalt unter westeuropäischen Bedingungen das von patriarchalen, hierarchischen und sonstigen boshaften Verhältnissen befreite Terrain befinden soll, kann die RAF allerdings nicht erklären. Immerhin folgt eine Erkenntnis: "Auch der revolutionäre Krieg produziert Entfremdungen und Autoritätsstrukturen, was Befreiung widerspricht."

Ach so.

Naheliegende, konkrete Fragen bleiben hingegen so offen wie bisher. So hat die RAF wieder kein Wort über ihre Haltung zur Stammheimer Todesnacht verloren. Und auch auf die Aussage der abgetauchten Andrea Wolf, die der Gruppe vorwirft, zu verschweigen, daß der Verfassungsschutzspitzel Klaus Steinmetz über den geplanten Anschlag auf den Gefängnisneubau Weiterstadt informiert war, hat die Gruppe nicht reagiert.

Nur einmal kommen die Autoren und Autorinnen an einen Punkt, den es lohnen würde weiterzudiskutieren: "Es war ein strategischer Fehler, neben der illegalen, bewaffneten keine politisch-soziale Organisation aufzubauen." Aber auch hier bleibt es bei Feststellungen, von denen die sonst gern zitierten Genossen und Genossinnen aus den trikontinentalen Bewegungen schon in den siebziger Jahren ausgegangen waren: Militante Angriffe sind nicht mehr als "taktische Option einer umfassenden Befreiungsstrategie". Dann bricht das bißchen Analyse ab.

Schade eigentlich, zählen doch die Versuche militanter und bewaffneter Organisierung, mit denen RAF, Bewegung 2. Juni und Revolutionäre Zellen / Rote Zora in den siebziger Jahren angetreten waren, zu den wichtigsten Erfahrungen der westdeutschen Linken. Und zweifellos können die gewalttätigen Verhältnisse weder hier noch im Trikont mit friedensbewegtem Händchenhalten, moralischen Appellen oder parlamentarischem Firlefanz auf den Kopf gestellt werden. Um aber aus gemachten Fehlern für eine neue militante Organisierung zu lernen, braucht es eine andere Aufarbeitung, als sie die letzten Illegalen der RAF jetzt geboten haben.