Deutsch-französisches Gipfeltreffen

Sauerkraut und Rindfleisch

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Das Restaurant »Au B¦uf« im elsässischen Blaesheim gilt als erprobter Ort für deutsch-französische Unterredungen in privatem Ambiente. Schon Präsident Valery Giscard d'Estaing und Bundeskanzler Helmut Schmidt vertieften hier beim gemeinsamen Diner die bilateralen Beziehungen.

Unter Ausschluss der Presse trafen am vergangenen Mittwoch wieder einmal die Spitzenvertreter der deutsch-französischen Politik im »B¦uf« zusammen. Bei Sauerkraut und Rindfleisch wollten Kanzler Gerhard Schröder, Außenminister Joseph Fischer, sein französischer Kollege Hubert Védrine sowie Staatspräsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospin die aktuelle Missstimmung zwischen den beiden einflussreichsten EU-Staaten zur Sprache bringen. Spätestens seit dem EU-Gipfel in Nizza hat sich die Beziehung zwischen Paris und Berlin merklich abgekühlt. Daher wollte man nicht bis zum nächsten offiziellen deutsch-französischen Gipfel am 12. Juni warten, sondern zog ein »informelles« Gespräch vor.

Doch statt konkreter Ergebnisse verkündete man im Anschluss diplomatische Leerformeln. Das Treffen sei »in brüderlichem und klarem Ton« verlaufen, berichtete Premier Jospin. Es gehe nun darum, die »geschichtliche Mission« für ein »geeintes Europa« gemeinsam wahrzunehmen, erläuterte Schröder. Chirac fügte hinzu, Deutschland und Frankreich hätten »die gleichen Rechte und Pflichten«, um Europa »in dieselbe Richtung zu ziehen«.

»Frankreich scheint endlich verstanden zu haben, dass Berlin keine Opfer im höheren europäischen Interesse mehr bringen wird«, kommentierte die linksliberale französische Tageszeitung Libération die Erklärungen der Regierungschefs. Diese Interpretation ist entweder der Ahnungslosigkeit des zuständigen Journalisten gegenüber dem Führungsanspruch der Bundesrepublik in Europa geschuldet, oder sie lässt auf eine Haltung schließen, die von Frankreich fordert, den Interessen Deutschlands künftig stärker entgegenzukommen.

Vor dem Treffen hatte Schröder betont, die Legitimität der deutsch-französischen Beziehungen könne »nicht mehr länger in der Vergangenheit« zu suchen sein, sondern müsse »in der Gegenwart und Zukunft« liegen. Damit traf Schröder den Kern des Konfliktes. Frankreich hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg nur unter der Bedingung der Gleichheit beider Staaten zur Versöhnung bereit erklärt. Vor allem die Anerkennung der Sonderbeziehung verhalf (West-)Deutschland zu seinem heutigen Status. Der Vorstoß der deutschen Delegation in Nizza, diese Parität durch eine neue Stimmengewichtung im EU-Ministerrat zugunsten Deutschlands zu beenden, stellte das gesamte deutsch-französische Nachkriegsverhältnis auf den Prüfstand.

Im Rahmen der von Schröder geforderten Neudefinition dieses Verhältnisses soll die historische Sonderbeziehung offenbar nur dann aufrecht erhalten werden, wenn sie den Interessen des wiedervereinigten Deutschlands zupass kommt. Auf deutscher Seite hat man jedoch auch erkannt, dass machtpolitische Ambitionen derzeit am besten als europäische Formeln verkauft werden sollten, um das Misstrauen der Nachbarn nicht zu wecken. So betonte Joseph Fischer am vergangenen Dienstag in einer Rede an der Freiburger Universität: »Je mehr das vereinigte Deutschland seine Interessen auf europäische Weise definiert, desto eher werden sie realisiert.«