EU-Leitantrag der SPD

Schröders Europa

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»Der Schriftsteller François Mauriac wünschte sich einst, aus Angst vor einem 'deutschen Europa', ein 'europäisches Deutschland'«, kommentierte die französische Tageszeitung Le Figaro am vergangenen Mittwoch den neuen europapolitischen Vorstoß des SPD-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Nachdem Berlin jedoch die zweite Option bereits hergestellt habe, fährt Le Figaro fort, schlage es nun die erste seinen europäischen Partnern vor. Denn Schröders Ideen »bilden die Übertragung dessen auf Europa, was in Deutschland bereits existiert - ein föderales Zwei-Kammern-System mit Bundestag und Bundesrat«.

Er habe das Papier »Verantwortung für Europa« als Leitantrag für den SPD-Parteitag im kommenden November in Nürnberg und somit als innenpolitischen Beitrag präsentiert. Daher hätte es auch nicht mit den 14 anderen EU-Staaten abgesprochen werden müssen, erklärte Schröder lapidar, nachdem die anderen europäischen Regierungen nur sehr verhalten auf die Vorlage reagiert hatten.

In Deutschland hingegen erntete Schröder für seine »Europa-Visionen« Lob von allen Seiten. Die Vorschläge enthielten »längst fällige Reformen«, urteilt die Zeit. Für die Welt waren sie »ebenso richtig wie unvermeidlich«, für die Frankfurter Rundschau stellten sie eine »tiefgreifende und sinnvolle Reform der EU« dar.

Der Entwurf sieht vor, das Europäische Parlament künftig mit der uneingeschränkten Budgethoheit auszustatten. In Strasbourg stellen die Deutschen seit dem EU-Gipfel von Nizza die größte Parlamentariergruppe und spielen sowohl in der sozialdemokratischen wie auch in der konservativen Fraktion eine dominierende Rolle. Der Ministerrat soll in eine Staatenkammer nach Vorbild des deutschen Bundesrats verwandelt werden. Die Nationalregierungen der meisten EU-Länder würden dadurch spürbar an Einfluss verlieren.

Im Gegenzug soll die Europäische Kommission in Brüssel, bisher eher ein technokratisches Gremium, zu einer europäischen Exekutive mit Quasi-Regierungsvollmachten ausgebaut werden. Außerdem möchte Schröder die machtpolitischen Funktionen in einem stärkeren Maße als bisher vergemeinschaften. Darunter fallen die Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik (Gasp), die militärischen Kompetenzen sowie die innenpolitischen Hoheitsfunktionen. Diese sollen in Form einer europäischen Polizei und Staatsanwaltschaft zusammengefasst werden.

Hingegen möchte Schröder jene Bereiche, die nicht an machtpolitische Funktionen gekoppelt sind, sondern aus Berliner Sicht »nur Geld kosten«, an die einzelnen Mitgliedsstaaten delegieren. Dies gilt vor allem für die Agrarpolitik, für die künftig das seit langem strittige Prinzip der Kofinanzierung durch die Staaten verbindlich sein soll.

Gleiches soll auch für die Strukturpolitik gelten, die wirtschaftlich unterentwickelten Regionen finanzielle Hilfen aus EU-Mitteln gewährt. Frankreich, das Nettoempfänger von Agrarsubventionen ist, und Spanien, das die Strukturhilfen am stärksten nutzt, werden sich herzlich für diesen Vorschlag bedanken.