Unbekannte Sportarten VII

Lorryspotting

<none>

Das britische Lorryspotting (etwa: Lkw-Entdecken) ist die neueste Erweiterung des altbekannten Genres Autonummernaufschreiben.

Dabei stehen die Lastwagen-Fans nicht etwa auf Autobahnbrücken und sammeln Lkw-Namen oder -Nummernschilder, es geht vielmehr darum, die Signets der verschiedenen Transportfirmen mindestens einmal im Leben gesehen zu haben. Die sind schließlich, so berichtet die Times, äußerst unterschiedlich und reichen von der prosaischen Unternehmensbezeichnung »Eddie Stobard« und »Norbert Dentressangle« bis zum beinahe lyrischen »Knights of Old Saints«.

Die ersten Lorryspotter begannen in den siebziger Jahren mit ihrem Hobby. Ein Altmeister mit dem unpasssenden Namen Rick Ferrari berichtet, damals habe es sich jedoch um eine überschaubare Zahl von Lkw-Fans gehandelt: »Wir waren wohl so ungefähr drei, die sich damit beschäftigten, die Namen auf den Aufliegern zu sammeln und zu dokumentieren. Nun tun es Hunderte!« Ferrari war »im Sepember 1968 beim Warten in einem Stau« zum ersten Mal aufgefallen, dass manche Lastwagen die Namen ihrer Firmen trugen.

Die ersten Aufdrucksammler hatten jedoch zunächst nur beim jährlichen Truckfest Gelegenheit, sich über ihre Lieblingsbeschäftigung auszutauschen. Mittlerweile gibt es fünf regionale Ableger, die Welt der Lorryspotter ist darüber hinaus virtuell geworden. Im März 1999 wurde www.lorryspotting.com gegründet. Der Live-Chat und die Diskussionsforen begeistern mehr als 3 000 Mitglieder, sogar Australier sind unter ihnen. Carolin Buchan erklärt, die Webpage habe ihr »Spotting revolutioniert. Nun habe ich Gelegenheit, Menschen zu treffen, die meine Leidenschaft teilen.«

John Martin, der Gründer der Internetseite, ist Berufsfahrer. Er fand aus Langeweile zu der neuen Trendsportart: »2 000 Meilen fahre ich jede Woche auf der Autobahn. Aber Radio 4, ein seichtes Unterhaltungsprogramm, ist nur für kurze Zeit zu ertragen.«

Aber ist das wirklich die einzige Erklärung für die seltsame Leidenschaft? Die Times befragte den Psychologen Allan Norris nach möglichen Hintergründen. »Lorryspotting bringt Sicherheit und Verlässlichkeit ins Leben. Für die Spotters ähnelt ihr Hobby dem Ausfüllen der Kästchen auf Rechenpapier, es ist eben etwas, das komplettiert werden muss.« Jedesmal, wenn »wieder einmal ein Eddie gesehen wird, vermittelt das das Gefühl von Befriedigung, gleichzeitig sind die Sammler aber auch auf Unvorhergesehens eingestellt.« Lastwagen mit Firmenplane seien zudem viel romantischer als solche mit einer Inventarnummer, »dies verleiht ihnen zudem so etwas wie Individualitität - im Gegensatz zu den von Trainspottern gesammelten Zügen, die prosaische Namen wie 'Flying Scotsman' tragen«.

Die ersten Transportunternehmen haben auf das steigende Interesse bereits reagiert. Eddie Stobard hatte bereits vor Jahren einen eigenen Fanclub gegündet, nun können die Fans auch im Internet das Neueste von den Eddies erfahren. Zusätzlich gibt es Mitgliederausweise, Kalender, Sticker und Badges, einen Newsletter und eine Vierteljahreszeitschrift. Norbert Dentressangle, das französische Fuhrunternehmen, das von den Spottern genauso geschätzt wird wie Eddie, hinkt leider etwas hinterher, die Homepage ist bisher strictly business.

Martin Ferrari betreibt jedoch als Vertreter von 3 000 Spottern unermüdliche Lorry-Lobby-Arbeit. Vor der auch »Norbert« schon kapitulieren musste: Der virtuelle »Le Club« ist bereits im Aufbau.