Electric Indigo, DJ: »female:pressure ist ein Gender- und kein Sexprojekt«

Nach wie vor sind Frauen aus der Elektromusikszene weniger bekannt als Männer. Vor zehn Jahren gründete die Wiener Techno-DJ Electric Indigo das internationale Netzwerk female:pressure, das weiblichen DJs, Produzentinnen und Künstlerinnen, die sich mit elektronischer Musik beschäftigen, die erste Internet-Plattform bot. interview: sonja eismann

Gab es für die Gründung von female:pressure einen konkreten Anlass oder entstand die Idee eher aus einer Summe von Erfahrungen?

Es war eher Letzteres, dabei aber eine Summe von sehr ähnlichen und sehr konkreten Erfahrun­gen. Ich habe in den neunziger Jahren dauernd Kommentare gehört wie: »Unglaublich, dass du als Frau in so einer Männerdomäne dein Ding durchziehst! Es gibt ja außer dir fast keine anderen Frauen in der Szene!« Die Leute kannten nur die jeweiligen weiblichen DJ-Superstars, also zuerst Marusha und Miss DJax, heute sind es Miss Kittin oder Ellen Allien. Meine Antwort war stets eine kurze Auflistung anderer Frauennamen. Aus dieser Erfahrung gründete ich die Website female:pressure. Das fiel mit der wachsenden Verbreitung des Internet zusammen, und daher bot sich die Gelegenheit, diese Liste von unbekannten weiblichen DJs als Datenbank online zu stellen und diese Frauen damit bekannter machen zu können. In den immergleichen Gesprächen kann man nun einfach auf die Datenbank verweisen, wo die Leute selber nachsehen können, wie viele Frauen es in der elektronischen Musik gibt.

Wie ist female:pressure organisiert?

Es ist eine Datenbank und keine Booking-Agentur. Wenn man sich engagiert, erhält man auch ein entsprechendes Feedback, aber als passiver Listeneintrag wird das nicht eintreten. So wollte bei­spiels­weise eine Künstlerin wieder aus der Datenbank gestrichen werden, vermutlich weil sie sich mehr von ihrem Eintrag erwartet hatte. Dabei hatte sie sich nie aktiv beteiligt und kann daher auch nicht erwarten, dass sie eine Resonanz bekommt. Es gibt kein Gesetzbuch, nach dem female:pressure funktioniert. Alle Frauen, die dabei sind, können female:pressure-Events so organisieren, wie sie wollen.

Hat sich seit der Gründung von female:pressure die Wahrnehmung von Frauen in der elektronischen Musik geändert?

Natürlich muss man die tendenziell positive Entwicklung abhängig von der Location und vom gesellschaftlichen wie ökonomischen Hintergrund betrachten. In unseren Breitengraden sind DJs und Musikerinnen schon lange nicht mehr exotisch. Und trotzdem reicht es noch nicht. Je mehr Frauen auf den Bühnen und an den Plattentellern stehen, desto mehr Mädchen fühlen sich dazu ermutigt, so etwas auch selbst zu machen. Ich agiere auch gerne als Mentorin, mache aber immer wieder die Erfahrung, dass sich jüngere Frauen freischwimmen und abgrenzen wollen.

Wie viele Frauen sind mittlerweile bei female:pressure gelistet?

Es sind jetzt fast 990 aus 52 Ländern. Die Künstlerinnen kommen leider immer noch überwiegend aus den Industrienationen der nördlichen Hemisphäre, aber es gibt auch einige female:pressure-Artists in Südafrika und Asien.

Gibt es auch Männer, die bei female:pressure aufgenommen werden wollen?

Ja, das kommt immer wieder vor. Es sind aber schon ein paar biologische Männer in der Datenbank, die als Frauen auftreten, wie beispielsweise Lady B aus Frankreich, der als Wirt in Cannes arbeitet, aber wenn er performt, tritt er als Frau auf. Das ist überhaupt kein Problem, denn female:pressure ist ein Gender­projekt und kein Sexprojekt.

Hast du dich an Vorbildern orientiert, als du female:pressure gegründet hast?

Einerseits habe ich die ganze deutsche Szenerie über DJ Hell kennen gelernt, der mich in diesen grauen Vorzeiten sehr unterstützt hat. Ich war damals pleite und bin per Autostop zu meinen eigenen Gigs gefahren. Oft war es so, dass Hell irgendwo gebucht war und mir dann noch einen eigenen Slot dazugemogelt hat. Andererseits fand ich Rok vom Hardwax und Jeff Mills als DJs absolut beeindruckend. Die technischen Aspekte habe ich weitestgehend durch Zuschauen gelernt. Ich hatte mit 24 kein Geld, um mir Turntables zu kaufen, deswegen habe ich das Mixen vor dem Publikum geübt, und es hat irrsinnig lange gedauert, bis ich es richtig hingekriegt habe.

Hat der Terminus Popfeminismus für dich eine Bedeutung?

Popfeminismus klingt erst mal schön bunt und knallig und nach leicht verdaulichem Feminismus für junge Frauen, die ansonsten nicht viel damit anfangen können. Es gibt akademisch-diskursive und aktionistische Herangehensweisen an feministische Inhalte und Fragen. Der Popfeminismus steht eher auf der Seite des ›Wir machen einfach und organisieren und haben keine Scheu, vor Publikum aufzutreten‹, und das ist erstmal okay.

Viele Leute verwechseln Pop- mit Postfeminismus.

Um Himmels willen, nein! Postfeminismus finde ich auch saudoof. Ich schäme mich dafür, dass ich als junge Frau dachte, ich sei Postfeministin. Es gibt ja den schönen Spruch »I’ll be a postfeminist in a postpatriarchy«.