Ein Präsident für die letzten Tage

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Alles wäre viel einfacher gewesen, wenn der Engel Moroni die Goldtafeln nicht wieder mitgenommen hätte. Dann hätte Joseph Smith einen Beweis für seine Behauptung vorweisen können, dass er den auf diesen ihm von Moroni präsentierten Tafeln eingravierten heiligen Text mit etwas Hilfe von oben übersetzt habe. So aber halten sich Zweifel an der Authentizität des 1830 veröffentlichten Buchs Mormon, das die Geschichte amerikanischer Christen zwischen 600 vor und 370 nach Christus schildert.

Die Mormonen haben Probleme, als christliche Konfession anerkannt zu werden. Wie im Evangelikalismus vereinen sich im Mormonentum jedoch Geschäftssinn und Frömmelei, die »Kirche der Heiligen der letzten Tage« ist ein florierendes Unternehmen mit 13 Millionen Anhängern in 160 Ländern und zahlreichen kommerziellen Tochterfirmen. Auch der neue Präsident der Kirche, Thomas S. Monson, vereint in sich die Qualitäten eines Managers mit denen eines Seelsorgers, wenn man den mormonischen Quellen glauben darf. Aufgewachsen im ungeheizten Kinderzimmer einer armen Bauernfamilie, bewies er früh seine Freigebigkeit, indem er einer noch ärmeren Familie zu Weihnachten zwei Hasen schenkte. Er arbeitete sich hoch, leitete einen Großverlag und diente Präsident Ronald Reagan in der Task Force for Private Sector Initiatives. Doch er besuchte auch dann noch die Witwen seiner Gemeinde, als er Bischof geworden war und dies nicht mehr zu seinen Pflichten gehörte.

Monson durchlief die Hierachie der Mormonen, wurde Mitglied des Quorums der 12 Apostel, des mormonischen Politbüros, und am Montag nach dem Tod Gordon B. Hinckleys gemäß dem Senioritätsprinzip dessen Nachfolger als Erster Präsident. In seinem neuen Job kann er auf Eingebungen rechnen, denn der mormonischen Lehre zufolge spricht Gott mit dem Ersten Präsidenten. Nur wo die Goldtafeln sind, will er nicht verraten.