808 Rapapapam

Vergessene Platten, Teil zwei: sonja eismann hört das Klackern des Drumcomputers, zu dem die Rapperinnen von J. J. Fad immer wieder das Wort »Supersonic« wiederholen

Ende der achtziger Jahre kehrte mein Bruder von seinem Aufenthalt an einer High School in Kansas zurück. Er erzählte bizarre Geschich­ten dar­über, wie man Schweine kastriert und Pick-Up-Trucks repariert. Aber er hatte auch heiße Ware im Gepäck: eine Mix-Kassette, aufgenommen von einem anscheinend weniger privilegierten Mitschüler, der nicht wie mein Bruder auf einer riesigen Farm lebte. Aus der Ödnis des Mittleren Westens kam damit ein Genre in meine ebenso öde kurpfälzische Vorstadthölle, das mir als Teen­ager damals so neu wie fremd war. Es nannte sich HipHop und interessierte mich, abgesehen davon, dass es brandneu war, eigentlich nicht besonders.

Nur ein Track hatte es mir angetan, in dem dünne Frauenstimmen über synthetisch-minimalen Beats immer wieder das Wort »Super­sonic« wiederholten und von einem faszinieren­den Scheppern begleitet wurden. Erst Jahre spä­ter erfuhr ich, dass es sich bei diesem charakteristischen Klackern, das mein bevorzugter Electrosound wurde, um den so genannten Rim Shot eines Roland-TR-808-Drumcomputers handelte. Und ich erfuhr den Namen der Band: J.J. Fad, kurz für Just Jammin’ Fresh and Def, ein All-Girl-HipHop-Trio aus Los Angeles, das 1988 mit »Supersonic« in die US-Charts gelangte und mit dem ebenso betitelten Debüt­album als erste weibliche Rap-Gruppe für einen Grammy nominiert wurde. Produziert wurden Juana Burns alias MC J.B., Dania Birks alias Baby D und Michelle Franklin alias Sassy C von den späteren HipHop-Größen Dr. Dre, Arabian Prince, D.J. Yella und Eazy E, auf dessen Label Ruthless Records die Platte auch veröffentlicht wurde.

Eigentlich ironisch, wenn man bedenkt, dass Eazy E als Erfinder des Westküsten-Gangsta-Rap gilt, J.J. Fad dagegen als unbedrohlicher Mädchen-Party-Rap verkauft wurden. Dabei liegt ge­nau in dieser auch damals schon gerne belächelten Qualität der Reiz der insgesamt nur zwei Platten von J.J. Fad: Während ihre Mischung aus schnellen, artifiziellen Oldschool-Electro-Beats und dünnen Raps im Zeitalter tief gestimmter, behäbiger Beats anachronistisch anmutet, lässt diese reduzierte Wendigkeit ihre Musik andererseits beinahe wieder avantgardis­tisch klingen. Sie stammt aus einer Zeit, in der HipHop und Electro noch nicht auf verschie­denen Planeten zu Hause waren, sondern verliebt miteinander auf der Tanzfläche schmus­ten. So wird in der »Supersonic«-Reprise »Eenie Meenie Beats« auch ganz selbstverständlich ein Basslauf der Electro-Pioniere Cybotron nach­gespielt. In den Credits wird das übrigens nicht vermerkt, 1988 war das juristische Verhältnis zur Musikausleihe wohl noch deutlich entspannter. Und die zehn Stücke sind insgesamt so schnell, dass die derzeitigen Slow Jams einpacken können. Und wer könnte sich heute noch eine Nummer wie »Time Tah Get Stupid« ausmalen, in dem die Frauen im Stil eines Weihnachtssongs, wie man ihn aus Einkaufszentren kennt, den mackerhaften Dr. Dre veralbern: »Dr. Dre is on the drums, going ­rapapapam!«

Gerade die Un­bekümmertheit von J.J. Fad war es aber wohl, die das schnelle Ableben der Band nach nur vier Jahren besiegelte. Für freche Mädchen in weiten Sportklamotten war Anfang der Neun­ziger, als HipHop stetig maskulinisiert und härter wurde, immer weniger Platz. Dabei ist insbeson­dere die ironische Leichtigkeit der »Party Rockers, Non-Stoppers, Homechicks« mit ihren jugendlichen, kessen Stimmen über blechernen Synthie-Fanfaren so erfrischend: keine inszenier­te »Bitchiness«, keine abrufbare Laszivität, sondern freche Mädchen von der Straße. Schon auf dem nächsten und letzten Album von 1992, das etwas verzweifelt »Not Just A Fad« (»Nicht nur ein Trend«) betitelt war und das schnelle Verschwinden doch nicht abwenden konnte, gaben sich die Mädchen als gereifte, glamouröse Diven im Spitzen-BH. Die Musik war nach wie vor gut, ein wenig härter und mit Versatzstücken aus dem House, aber die Zeit von J.J. Fad war um.

Allerdings haben nicht alle J.J. Fad vergessen. Schließlich war »Supersonic« bei Erscheinen ein Hit. So hat Will I Am kürzlich für die erste Single von Fergies Album »Fergalicious« das Stück von J.J. Fad gesampelt. Der Band nützt das freilich herzlich wenig. Sie streitet noch heute mit Ruthless Records um die Tantiemen des Songs, dessen Produktion Arabian Prince zufolge nur 400 Dollar gekostet hat.

J.J. Fad: Supersonic (Ruthless/Atlantic)