»Hervorragende Hilfe für orthodoxe Sunniten«

Die vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) produzierte »Tatort«-Folge »Wem Ehre gebührt« hat unter den in Deutschland lebenden Aleviten Proteste ausgelöst. Ein Gespräch mit Ismail Kaplan, dem Bildungsbeauftragten der Föderation der Alevitengemeinden. smalltalk von markus ströhlein

Was werfen Sie den Machern des »Tatort« vor?

Sie unterstellen Aleviten, Inzest zu betreiben und Frauen keinen Schutz bieten zu können. Wir respektieren die Kunst- und Meinungsfreiheit. Aber unsere Religionsgemeinschaft wurde vollkommen falsch dargestellt.

Ab dem 6. Januar sollen Gespräche zwischen dem NDR und den Aleviten stattfinden. Was erhoffen Sie sich von ihnen?

Der NDR sollte sich bei den Aleviten entschuldigen. Des Weiteren sollte der NDR in anderen Sendungen aufklärende Informationen über das Alevitentum verbreiten.

Sie sagen, der »Tatort« habe Propaganda für den orthodoxen sunnitischen Islam betrieben. Inwiefern?

In der osmanischen Zeit diente das Vorurteil des Inzests den Sunniten als Vorwand für Morde an Aleviten. Es ist immer noch verbreitet. Eine Tochter der in der Sendung dargestellten alevitischen Familie konvertiert zum Sunnitentum. Damit hat der »Tatort« eine hervorragende Hilfe für orthodoxe Sunniten geleistet.

Von sunnitischer Seite wurde stets behauptet, Frauen seien nur im »wahren Islam« unter dem Schleier gut aufgehoben, nicht im Alevitentum.

Welche Unterschiede bestehen zwischen dem alevitischen und dem sunnitischen Glauben?

Wir beten nicht fünf Mal am Tag, sondern ungefähr einmal in der Woche in der Gemeinschaft. Wir machen keine Pilgerfahrt nach Mekka. Für uns spielt es keine Rolle, ob jemand an den Islam glaubt oder Atheist ist. Wir lehnen daher die Missionierung ab. Das Kopftuch hat für uns keine religiöse Bedeutung. Wenn Sie sich Bilder von unserer Demonstration ansehen, werden Sie wohl kaum eine Frau entdecken, die eines trägt.