Einer wie alle

Lafontaines Populismus

von felix klopotek

Es handelt sich um eine Wiederauflage der Totalitarismustheorie en miniature: Linkspopulismus sei gleich Rechtspopulismus, hört man derzeit allenthalben. »Oskar Haider« schreibt etwa reißerisch die Zeit, andere Zeitungen entdecken in Lafontaines Reden »Nazivokabular«. Voller Erschrecken und Abscheu schaut das politische Establishment auf Lafontaines Strategie, »Protestwähler vom rechten Rand zu ködern«, wie der Göttinger Parteienforscher Peter Lösche in einem Interview mit Spiegel online sagt. »Protestwähler vom rechten Rand« meint nichts anderes als Neonazis, womit endgültig klar sein sollte: Der Mann von »ganz links« will die Stimmen von »ganz rechts«.

Schon wird gemutmaßt, ob nicht umgekehrt die Wasg von Kadern der NPD unterlaufen wird. Wahlforschungsinstitute spekulieren über Wählerwanderungen von der NPD zur Linkspartei. »Oskar Haider«, das sitzt, und der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der Lafontaine vom Verfassungsschutz beobachten lassen möchte, erscheint als aufrechter Antifaschist.

Es gibt aber einen Unterschied, der diejenigen blamiert, die über »Oskar Haider« höhnen: Den europäischen Populisten der vergangenen Jahre ist gemeinsam, dass sie Außenseiter waren, nicht zum politischen Establishment zählten und den Quereinstieg genommen haben. Der Weg von Haider, um im Bild zu bleiben, führte aus dem faschistischen Milieu in die Mitte der österreichischen Politszene, mit dem Ziel, dieses Establishment anzugreifen.

Lafontaine hingegen, der ehemalige saarländische Ministerpräsident, Parteivorsitzende der SPD und Bundesfinanzminister, kommt aus dem Establishment und will auch wieder dort hin. Was er sagt, ist im Großen und Ganzen das, was die SPD vor dem Jahr 1998 forderte. Die Strategie, »Protestwähler vom rechten Rand« zu umwerben, war jahrelang sanktioniert und erwünscht, vor kurzem hieß es noch: »Man muss die Leute da abholen, wo sie stehen.« Lieber solle die CDU rechtsextremes Potenzial einbinden, als dass es sich frei entfalten könne.

Man kann die Agenda von Lafontaine Punkt für Punkt durchgehen, man kann seine Gesten genüsslich zerlegen und stößt doch immer nur auf das, was bei Müntefering, Schröder, Fischer, Stoiber, Beckstein und dem ganzen Rest üblich gewesen ist und immer noch üblich ist. Es war Lafontaine, der in den achtziger Jahren die ersten sozialdemokratischen Angriffe auf den Sozialstaat startete, die Schröder später zum Erfolg führten. Lafontaines Linkspopulismus ist nichts anderes als der Populismus der Mitte.

Dass Neonazis entweder Protestfälle oder soziale Pflegefälle seien und »Fremdarbeiter« den Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen, ist immer noch Konsens in der hiesigen Politik. Dieser Konsens wird umso mehr bekräftigt, wenn derjenige, der ihn am unbefangensten ausspricht – zur Zeit ist das Lafontaine –, als Extremist gebrandmarkt werden kann. Man selbst ist zwar nur unwesentlich moderater, aber diese graduelle Abweichung soll den Unterschied ums Ganze ausmachen. So bleibt in der Kritik an Lafontaine einmal mehr der nationalistische Konsens der Bundesrepublik unberührt.

Die Linken in der Wasg und der PDS mögen den Oskar zwar auch nicht, aber sie sind ein bisschen stolz und trotzig. Sie sagen sich: Sie schlagen auf Oskar, und sie meinen uns. Das ist falsch, denn die Kommunisten mag eh keiner. Und Lafontaine mag sie erst recht nicht.