Gays’n’Guys

George W. Bush will nicht als Drückeberger vor der Armee gelten, sondern lieber mit der christlichen Rechten gegen die Ehe von Homosexuellen kämpfen. von william hiscott

Der Präsident war stolz auf seinen Dienst«, verkündete sein Pressesekretär Scott McClellan. Seiner Ansicht nach ist es »eine Schande«, dass nicht nur immer noch behauptet wird, George W. Bush habe seine familiären Beziehungen genutzt, um sich vor dem Krieg in Vietnam zu drücken, sondern sogar, dass er in den Jahren 1972 und 1973 der Nationalgarde mehrere Monate unerlaubt ferngeblieben sei. Denn »der Präsident erinnert sich daran, gedient zu haben«. Allerdings kann sich kein Nationalgardist an ihn erinnern, und so konnte McClellan am Dienstag der vergangenen Woche nur Dokumente vorweisen, die belegen sollen, dass Bush in dieser Zeit seinen Sold erhielt.

Für den Präsidenten kann der Vorwurf, ein chickenhawk zu sein, der wie ein Falke vom Krieg redet, aber wie ein aufgeschrecktes Huhn davonläuft, wenn ihm selbst Gefahr droht, ein ernsthaftes Problem werden. Die Demokraten hoffen, dass der hoch dekorierte Vietnamveteran, damalige Antikriegsaktivist und langjährige Senator John Kerry glaubwürdiger als Bush wirkt. Der liberale Präsidentschaftskandidat aus Massachusetts hat seinen Vorsprung bei den demokratischen Primaries weiter ausgebaut, und er könnte bei der US-Bevölkerung ankommen. Lediglich knapp die Hälfte der Befragten äußerte bei einer Umfrage von ABC News und Washington Post die Meinung, dass Bush »ehrlich und vertrauenswürdig« die Gründe für den Krieg gegen den Irak erläutert habe. Noch weniger sind der Meinung, dass der Krieg »richtig« war.

Nur etwa die Hälfte der US-Bürger sind insgesamt zufrieden mit der Arbeit ihres Präsidenten. Dennoch gibt es nur wenig Gründe für die Hoffnung, Bush könne abgewählt werden. Die Republikanische Partei ist nach wie vor kaum zu schlagen. Eine Allianz zwischen der christlichen Rechten, der nationalliberalen Wirtschaftselite, den konservativen Medien und der politischen Maschinerie der Republikaner macht die Partei strukturell stark. Diese Allianz hat die Präsidentschaft 2000 mit einem schwachen Kandidaten der republikanischen Aristokratie gewonnen. Und sie hat gute Chancen, diesen Erfolg bei den Wahlen im November zu wiederholen.

Mit über 200 Millionen Dollar wird Bush in die Schlacht um das Weiße Haus ziehen – weitaus mehr, als die Demokraten zur Verfügung haben. Die Medien, allen voran das Talk Radio von Rush Limbaugh mit über 15 Millionen Zuhörern und Rupert Murdochs Fox-Imperium, reagieren auf Bushs Glaubwürdigkeitsproblem mit persönlichen Attacken auf Kerry. Der wegen seiner Ehe mit einer Erbin der Heinz-Dynastie »Mr. Ketchup« genannte Kandidat wird als Schwächling dargestellt, dessen Frau »die Hosen anhat«, und als weltfremder Patrizier aus dem liberalen Nordosten, der die Sorgen des »einfachen Mannes« nicht kennt. In den letzten Wochen wurde auch das Gerücht kolportiert, dass Kerry ein Verhältnis mit einer Praktikantin hatte – eine Wiederholung des Manövers, das schon Bill Clinton zu Fall bringen sollte.

Die politische Strategie der Republikanischen Partei zielt weniger darauf ab, die absolute Mehrheit der Wählerstimmen zu gewinnen. Entscheidend ist die Mehrheit der Wahlmänner, denn der Präsident wird indirekt gewählt. In allen Bundesstaaten außer Maine und Nebraska gilt das Prinzip »the winner takes it all«, der Kandidat, der die Mehrheit gewonnen hat, erhält alle Stimmen der Wahlmänner. Eine Strategie, die sich auf die Gewinnung von Bundesstaaten konzentriert, kann einen Kandidaten zum Präsidenten machen, der von der Mehrheit der US-Bevökerung abgelehnt wird.

Die Republikaner wissen, wo die nötigen Stimmen zu holen sind: in den wertkonservativen, ländlichen Bundesstaaten des Südens, mittleren Westens und Südwestens. Und hier tritt die organisierte christliche Rechte auf den Plan. Die Christian Coalition of America, ein politischer Lobbyverband mit über zwei Millionen Mitgliedern, das National Right to Life Committee und zahlreiche kleinere Organisationen in und um Kirchen und fundamentalistische Zirkel haben vor allem in diesen must-win-Gebieten für die Republikaner einen ausgesprochen großen politischen Einfluss.

Ungeachtet seiner zur Schau getragenen konservativen Religiösität ist Bush eigentlich kein Kandidat der christlichen Rechten, sondern der Mann der Wirtschaftselite und der republikanischen Parteimaschine. Doch er hat aus den Fehlern seines Vaters gelernt. Bush senior hatte sich 1992 nicht wertkonservativ genug positioniert, die damalige Kampagne gegen Abtreibungsrechte wollte er nicht mittragen. Die christliche Rechte bestrafte ihn durch Wahlenthaltung, was maßgeblich zu seiner Niederlage beitrug.

Sein Sohn hat in den letzten drei Jahren wenig für die christliche Rechte getan, obwohl die Vormachtstellung der Republikanischen Partei im Kongress und den Bundesstaaten gute Voraussetzungen geboten hätte. Auch mit seiner faith-based initiative, die religiöse Organisationen zu Trägern staatlich finanzierter Sozialleistungen macht, sind die fundamentalistischen Christen nicht zufrieden, denn die muslimische, jüdische, hinduistische und buddhistische Konkurrenz darf gleichberechtigt an diesem Geldsegen teilhaben.

Um das Bündnis zu erneuern, musste ein Thema gefunden werden, das die christliche Rechte zufrieden stellt und zur Wahl motiviert, aber gleichzeitig nicht allzu viele eher moderate Wähler abschreckt. Nun scheinen sich beide Seiten darauf geeinigt zu haben, im Wahljahr eine Hetzkampagne gegen Homosexuelle zu starten. Angegriffen wird die von einigen Gerichten und Bundesstaaten geschaffene Möglichkeit für Homosexuelle, eine Ehe zu schließen oder ihre Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen. So hatten konservative Kläger Ende der vergangenen Woche in San Francisco erfolglos versucht, Bürgermeister Gavin Newsom an der Ausstellung von Heiratsdokumenten für Homosexuelle zu hindern. Schon am ersten Tag nutzten fast 500 Paare die Gelegenheit.

Der Bürgermeister habe »wie ein Diktator« gehandelt, tobte Richard Ackermann, Vertreter der Campaign for California Families. Die christliche Rechte ist in Rage geraten über den Angriff auf die »Heiligkeit der Ehe«, den auch Bush beklagt. Der Kampf gegen Abtreibungsrechte ruht, die Agitation gegen Schwule und Lesben ist das zentrale Thema der christlichen Rechten geworden.

Der Kulturkrieg gegen den amerikanischen Linksliberalismus und den städtischen »American Way of Life« wird damit fortgesetzt. Der Feind wurde sorgfältig gewählt, »Lesbian & Gay Pride« ist ein frontaler Angriff auf die Ideale der christlichen Rechten, und die Zeit drängt. Denn der seit 35 Jahren tobende Abwehrkampf gegen die Forderungen nach politischer, sozialer und kultureller Gleichberechtigung der Homosexuellen droht mit einer Niederlage für die christliche Rechte zu enden, gegen die sie sich nun mit besonderer Verve stemmt.

Homosexuell zu sein, war noch nie so akzeptiert wie heute. Die Wirtschaft hat Homosexuelle als Zielgruppe entdeckt, die Medien reagieren auf den Trend mit Fernsehshows wie »Queer Eye for the Straight Guy«, und die Gleichberechtigung wird – auch in Bezug auf die Homo-Ehe – zumindest von der liberalen, städtischen Bevölkerung weitgehend unterstützt.

Andererseits sind Ressentiments gegen Homosexuelle noch immer leicht mobilisierbar, und die schätzungsweise zehn Prozent Homosexuellen in den USA gelten ohnehin traditionell als Wähler der Demokraten. Die Forderung der christlichen Rechten, ein Verbot der Homo-Ehe in der Verfassung zu verankern, wolle Bush unterstützen, »wenn es notwendig ist«, referierte sein Pressesekretär McClellan. Da das Oberste Gericht von Massachusetts das verfassungsmäßige Recht von Homosexuellen auf eine Eheschließung festgestellt hat, wird Bush sich bald klarer festlegen müssen.