Der Orankesee

Sight-Seeing II

»Orankesee« klingt zwar ganz interessant, in Wirklichkeit liegt er aber zwischen Weißensee und Hohenschönhausen. Das gibt ihm nicht nur etwas Prosaisches, sondern hat auch zur Folge, dass es dort nicht gerade vor FU-Studenten, türkischen Großfamilien, schwulen Pärchen oder die Getränkedosenverordnung verachtenden Punks wimmelt. Ein wenig Internationalität wird lediglich durch ein paar badende Russen eingebracht. Und selbst wenn man den Osten akzeptiert, muss man zugestehen, dass die Wasserqualität des Orankesees nicht mit brandenburgischen Seen mithalten kann.

Dafür ist der Orankesee leidlich gut mit Bus oder Tram zu erreichen (Bus 259, Tram 13, 18), und liegt dennoch abgelegen genug, um nicht überlaufen zu sein. Er ist groß genug, dass man gut drin schwimmen kann, und klein genug, dass er den Mitmenschen, die auf der Suche nach freien Badestellen sind, nicht als erste Adresse gilt.

Und die Beschreibung des Orankesees als Badesee bedeutet vor allem, dass man sich ein 1929 eingerichtetes Strandbad vorstellen muss, für das man Eintritt zahlt, was deswegen ziemlich okay ist, weil es sich um ein privat betriebenes Freibad handelt, dessen Sanitäranlagen sogar noch an heißen Sommerabenden sauber sind, und was deswegen halbwegs okay ist, weil das Bad nicht so voll ist. Das zweite Argument ist heikel, ich weiß, aber es lebt von seiner Ehrlichkeit. Außerdem ist der gar nicht weit entfernt gelegene Weiße See ja auch zu empfehlen.

Der wiederum wird nicht von vergleichbaren Mythen umrankt. Oranke, die dem See den Namen gab, der sich wohltuend von den grobschlächtigen Berliner Seennamen wie »Krumme Lanke« oder »Schlachtensee« unterscheidet, war eine Wikingerprinzessin, die am Boden des Sees wenn schon nicht mehr leben, so doch verweilen soll, weil sie ihrem Gatten untreu wurde.

Waterworld: Es gibt kreischende Kinder bis zur Nichtschwimmergrenze, die aus Balken besteht, die man runterdrücken kann. Dann gibt es einen Schwimmerbereich bis zu ein paar Bojen, und dahinter schwimmen manchmal Triathleten hin und her.

Sonnenschutzfaktor: 105 Strandkörbe stehen bereit, die man mieten kann. Ansonsten gibt es jede Menge Bäume, die sogar denen noch Schatten spenden, die erst am Nachmittag auftauchen.

Körperwelten: Es ist ein ordentliches Freibad. Dass sich ab und zu Frauen oben ohne sonnen, wird aber toleriert. Männer und Frauen unten ohne? Das ist unvorstellbar.

Fashion: Wie gesagt, das Freibad liegt zwischen Hohenschönhausen und Weißensee.

Sanitäre Einrichtungen: Ausreichend vorhanden. Und vor allem sehr gepflegt.

Kulinarisches: Mehrere Pommesbuden, an denen es außer Pommes (die waren lecker) noch das Übliche gibt (nicht probiert).

Geschlechterverhältnis: Viel junge Cliquen, die viel kichern.

Köter: No!

Nazifaktor: Den Umständen und der Umgebung gemäß erträglich.

Spannerfaktor: Dazu ist unter dem Stichwort Körperwelten alles gesagt.

Special Facts: Der Sand, der am Strand ausgeschüttet wurde, stammt von der Ostsee. Außerdem gibt es eine 50 Meter lange Rutsche.

martin krauss