Die Bundesregierung zieht ihr Versprechen, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen, endgültig zurück

Schmählich im Stich gelassen

Kommentar Von Christian Stock

Mit großer Geste schuf die Bundesregierung vor zwei Jahren das Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Afghanistan, doch nach Deutschland kamen seitdem nur knapp über 500 Personen. Jetzt sollen dem Programm fast alle Mittel gestrichen werden.

Als die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei ihrem Amtsantritt eine »feministische Außenpolitik« ankündigte, nahmen linksliberale Kreise das wohlwollend auf, während Rechtspopulisten dagegen Sturm liefen. Als eines von mehreren Vorzeigeprojekten wurde im Oktober 2022 mit großem Tamtam das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) aus der Taufe gehoben. Als Reaktion auf die Machtübernahme der Taliban sollten fortan jeden Monat 1.000 gefährdete Afghaninnen und Afghanen in Deutschland Zuflucht finden.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung des Auswärtigen Amts und des Bundesinnenministeriums zum Start des BAP versprach Baerbock, man wolle mit dem humanitären Aufnahmeprogramm insbesondere verfolgten Frauen und Mädchen »ein Stück Hoffnung zurückgeben und die Chance auf ein Leben in Freiheit, Selbstbestimmung und Sicherheit«.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unterstützte das Programm mit warmen Worten. In einer gemeinsamen Pressemitteilung mit Baerbock ließ sie aber bereits erahnen, wohin die ­Reise geht: »Wir sehen die große Belastung der Kommunen durch die hohe Anzahl Geflüchteter, die wir in diesem Jahr bereits auf­genommen haben. Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit haben wir fest im Blick.«

Komplizierte bürokratische Verfahrensweisen

Bis zum diesjährigen Sommer hätten über das BAP rund 20.000 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland in Sicherheit kommen sollen. Bis August waren es gerade einmal 540. Der Grund: Wegen hochgradig komplizierter bürokratischer Verfahrensweisen, vor allem aber strenger »Sicherheitsüberprüfungen« durch deutsche Behörden werden zahlreiche Aufnahmezusagen wieder zurückgenommen. Beamte von Bundespolizei und Verfassungsschutz führen in Pakistans Hauptstadt Islamabad, wo sich zahlreiche verfolgte Afghan:innen vorläufig in Sicherheit gebracht haben, lange ­Interviews, die klären sollen, welche Gefahr für Deutschland von den Bewerbern ausgehen könnte.

Eine ihrer inquisitorischen Fragen lautet: »Wie fänden Sie es, wenn Ihre Tochter im Schwimmbad einen Bikini tragen würde?« Derzeit warten alleine in Islamabad 3.700 Menschen auf ihre Ausreise über das BAP nach Deutschland. Wenn sie nicht erfolgt, droht ihnen Verfolgung, sei es in Afghanistan oder in Pakistan. Unterstützende Organisationen wie Kabul-Luftbrücke berichten von großer Verzweiflung, nachdem die Hoffnungen auf ein Leben in Sicherheit zerstoben sind.

Die »feministische Außenpolitik« entpuppt sich als ein Versprechen, das ohne Not gebrochen wird, wenn es opportun erscheint.

Im Juli zeigte die Bundesregierung dann ganz offen, wie schmählich sie diejenigen im Stich lassen will, die nach 2001 unter großen persönlichen Risiken für ein nichtislamistisches, demokratisches Afghanistan eintraten, für ein Land, in dem Frauen Rechte haben und nicht geknechtet werden. Der Haushaltsentwurf für 2025 sieht starke Kürzungen in Höhe von fast 90 Prozent im Bereich »Resettlement und Leistungen im Rahmen der humanitären Hilfe« vor, in den das Aufnahmeprogramm für Afghanistan fällt. Von bislang 70 Millionen soll das Budget auf rund neun Millionen Euro jährlich reduziert werden, was de facto einer Einstellung des BAP gleich­käme. Den Protest von Organisationen wie Amnesty International, Pro Asyl oder Terre des Femmes haben Baerbock und Faeser bislang ignoriert.

Die »feministische Außenpolitik« entpuppt sich damit als ein Versprechen, das ohne Not gebrochen wird, wenn es opportun erscheint. Anfangs glaubte die Ampelkoalition, aus der in der deutschen Bevölkerung verbreiteten Abneigung gegen die ­Taliban und der Sympathie für die von ihnen verfolgten, zumeist prowestlich eingestellten Personen politisches Kapital zu schlagen zu können. Als dann die Stimmungsmache gegen Geflüchtete immer stärker wurde, hielt man in Sachen BAP zunächst still, verschärfte aber unter der Hand die Regelungen.

Jetzt, da der Rassismus gegen Geflüchtete einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, will man das BAP kippen, während das Bundes­innenministerium 400 Millionen Euro mehr bekommen soll, um damit die Bundespolizei aufzurüsten. Das lässt einmal mehr nur folgenden Schluss zu: Grüne, SPD und FDP verschärfen ihre Politik der Flüchtlingsabwehr in vorauseilendem Gehorsam vor der erstarkten AfD. Verwundert es da noch jemanden, wenn Millionen Menschen lieber gleich das Original wählen?