Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Krankheiten

Kranke Hitze

Die Klimaerwärmung entzieht den Menschen in absehbarer Zeit nicht nur ihre materielle Lebensgrundlage. Auch Infektionskrankheiten und Hitzetode werden häufiger.

Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future hatte mit ihren öffentlichkeitswirksamen Kampagnen in den Jahren 2018 und 2019 besonders viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. In der Öffentlichkeit verbreitete sich die Einsicht, dass sich eine um zwei bis drei Grad wärmere Welt an die zerstörerische Kraft extremer Wetterphänomene wird gewöhnen müssen. Immer häufiger – so kürzlich Hedwig Richter in der FAZ – werde dann der Katastrophenschutz statt der Parlamente regieren.

Vermehrt richtet sich die Aufmerksamkeit nun auch auf die gesundheitlichen Folgen der Klimaerwärmung, die immer stärker den Alltag der Menschen beeinflussen und oft auch fern von großen Wetterkatastrophen wirken. So stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Klimawandel 2021 als größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit ein. Auf der UN-Klimakonferenz in Dubai im Dezember 2023 gab es erstmals einen Thementag »Gesundheit« und in einer Erklärung forderten 123 Staaten mehr Prävention, Risikobewertung und fachliche Ausbildung in den Gesundheitssystemen.

»Es wird mehr gegrillt, Salate stehen vielleicht in der Sonne, und dann können sich Erreger vermehren.« Klaus Stark

Am bekanntesten dürften in diesem Zusammenhang wohl die Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit sein. In den vergangenen drei Jahren erlebten viele Millionen Menschen in Europa die heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bei zu starker Hitze kann es für den Körper schwierig werden, die Wärme zu regulieren. Eine besondere Herausforderung stellt dies für Neugeborene und Ältere, Schwangere, Nieren-, Lungen- und Herz-Kreislauf-Kranke dar. Bei einem Anstieg der Körpertemperatur über 37 Grad Celsius kann das Blut verdicken und das Risiko für Blutgerinnsel wächst. Schätzungen der WHO zufolge kam es zwischen den Jahren 2000 und 2019 jedes Jahr zu knapp 500 000 hitzebedingten Todesfällen.

Andere Gefahren werden in der breiten Öffentlichkeit noch nicht so stark diskutiert. Das Deutsche Ärzteblatt befasst sich beispielsweise regelmäßig damit, wie Temperaturanstieg, vermehrte Niederschläge, erhöhte Luftfeuchtigkeit und Dürren zu einem höheren Infektionsgeschehen beitragen. ESCMID Global, der Kongress der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases – ein prominenter, jährlich stattfindender Fachkongress (bis vor kurzem ECCMID) – fand Ende April in Barcelona statt. Die Ausbreitung von Infektionskrankheiten durch den Klimawandel gehörten zu den zentralen Kongressthemen. Die Experten alarmiert der jüngste Anstieg der Fälle von Krankheiten, die durch Mücken übertragen werden und sich vor allem in Europa schnell ausbreiten.

Eine der Expertinnen, die in Barcelona dabei waren, ist Rachel Lowe, die das Barcelona Supercomputing Center leitet. Sie sagte der britischen Tageszeitung The Guardian: »Die globale Erwärmung aufgrund des Klimawandels bedeutet, dass die Krankheitsüberträger, die Malaria und Denguefieber tragen und verbreiten, in mehr Regionen ein Zuhause finden können, wobei Ausbrüche in Gebieten auftreten, in denen viele Menschen immunologisch naiv und öffentliche Gesundheitssysteme unvorbereitet sind.«

Malaria ist mit hohem Fieber, Schüttelfrost und Schweißausbrüchen verbunden, die über viele Jahre andauern, schwerkrank machen und auch zum Tode führen können. Erreger der Infektionskrankheit sind Parasiten, die von Stechmücken übertragen werden. Weniger bekannt ist das Denguefieber. Dieses ist eine Infektionskrankheit mit extrem erhöhter Temperatur und starken Kopf-, Muskel-, Knochen- und Gliederschmerzen – daher spricht man auf Englisch auch von breakbone fever. Zwar erholen sich die meisten Patienten in wenigen Wochen, doch das Denguefieber kann auch zu schweren Komplikationen und zum Tod führen.

Überträger sind vor allem die Gelbfiebermücke (auch Denguemücke oder Ägyptische Tigermücke genannt) und die Asiatische Tigermücke. Letztere breitet sich im Zuge der Klimaerwärmung auch in Europa aus, weswegen mit vermehrten Erkrankungen gerechnet wird. In den vergangenen Jahren kam es vereinzelt zu lokalen Ausbrüchen auf Madeira, in Kroatien, Frankreich und Spanien. Die Asiatische Tigermücke lebt bereits in Italien, Frankreich, Spanien, Malta, Monaco, San Marino, Gibraltar, Liechtenstein, Schweiz, Deutschland, Österreich, Griechenland und Portugal.

Die Asiatische Tigermücken tritt vor allem in der Stadt auf. Die Weibchen legen ihre Eier in der Nähe von kleinen Wasseransammlungen ab: in Pfützen, Eimern und Töpfen, alten Reifen und Regentonnen. Infizierte Mückenweibchen können das Dengue-Virus auf ihre Brut übertragen. Niedrige Temperaturen töten die Larven und Eier der Insekten über Nacht, weswegen Dengue früher fast nur in tropischen und subtropischen Regionen ausbrach. Doch die länger währenden heißen Jahreszeiten in Europa und die weniger häufig auftretenden Fröste führen dazu, dass sich das Denguefieber schnell ausbreite, so die Einschätzung im Guardian.

Lowe sagt, dass die Klimaerwärmung die Ausbreitung auch deshalb forciere, weil Dürren auf Überschwemmungen folgten: »Dürren und Überschwemmungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel können zu einer stärkeren Übertragung des Virus führen, wobei gespeichertes Wasser zusätzliche Mückenzuchtgebiete bietet.« Sie mahnt daher an, die Überwachung mit Frühwarn- und Reaktionssystemen zu verbessern. Sie müsse schnell auf die stark gefährdeten Gebiete ausgedehnt werden, um Krankheitsausbrüche zu verhindern, zu kontrollieren und Leben zu retten.

Ein zweites großes Thema unter Ärzten und Gesundheitspolitikern sind Infektionen durch Bakterien oder Parasiten in Lebensmitteln. So prognostiziert das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem Sachstandsbericht »Klimawandel und Gesundheit«: »Die zu erwartende Zunahme lebensmittelassoziierter Infektionen und Intoxikationen stellt ein wachsendes Public-Health-Risiko in Deutschland dar.«

Eine Zunahme von Infektionskrankheiten durch Lebensmittelübertragung sei bisher noch nicht festgestellt worden, eine entsprechende Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) soll aber noch dieses Jahr veröffentlicht werden. Das Deutsche Ärzteblatt zitiert Martin Richter, Mitautor der BfR-Studie mit der Aussage, es »lässt sich unter Berücksichtigung klimatischer Daten der letzten Jahrzehnte ablesen, dass Faktoren wie Temperatur, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit direkt das Ökosystem insgesamt, aber auch das der Mikroorganismen beeinflussen«. Im Vorbericht zur Studie ist davon die Rede, dass sich der Klimawandel auf die Prävalenz und Virulenz bestimmter Mikroorganismen wie Parasiten und Kryptosporidien auswirke, so das Deutsche Ärzteblatt. Damit wird die RKI-Prognose gestützt, dass sich die Erreger von Infektionskrankheiten in Lebensmitteln stärker als bisher verbreiten werden.

In den Sommermonaten häufen sich außerdem Infektionen durch Salmonellen. »Gerade Salmonellen vermehren sich wesentlich besser bei höheren Temperaturen«, sagt Klaus Stark, Leiter des Fachgebiets Gastroenterologische Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen am RKI, dem Deutschen Ärzteblatt. Als Beispiel nennt er das im Sommer beliebte Grillen: »Salate stehen vielleicht in der Sonne, und dann können sich Erreger vermehren.« Am häufigsten mit Salmonellen belastet sind rohes Fleisch, nicht durchgegartes Ei und Eiprodukte wie Mayonnaise sowie nicht ausreichend gekühltes Speiseeis. Aber auch pflanzliche Lebensmittel wie Blattgemüse, Obst und Tomaten können kontaminiert sein, was schon bei der Produktion geschehen kann. Etwa dann, wenn die betreffenden Pflanzen mit bearbeitetem Abwasser in Verbindung kommen.

In Deutschland und den europäischen Ländern besteht das größte Problem darin, dass sich Gesundheits- und Sozialleistungsträger regional und lokal nur wenig um Klimaanpassung bemühen. Die Europäische Umweltagentur fordert, das Gesundheitswesen für die gesundheitlichen Gefahren der Klimaerwärmung zu sensibilisieren und Wissen zum Thema zu verbreiten. Es fehle oft nicht nur an Engagement von Fachkräften im öffentlichen Gesundheitswesen und in Gesundheitsberufen, sondern vor allem an Personal. So können die Gesundheitssysteme nicht in die Lage versetzt werden, auf die steigende Nachfrage nach Patientenversorgung und Diagnostik zu reagieren.