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Gegen sechs thüringische Polizeibeamte wird ermittelt, weil sie Dienstgeheimnisse an Mitglieder der militanten Nazi-Gruppe Knockout 51 weitergegeben haben sollen.
Die Nazis von Knockout 51, die geplant haben sollen, im thüringischen Eisenach einen »Nazi-Kiez« zu errichten und Linke zu töten, hatten offenbar Freunde bei der Polizei. Gegen sechs thüringische Polizeibeamte wird seit kurzem ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, »Dienst-Interna an Mitglieder von Knockout 51 weitergegeben zu haben«, wie die Staatsanwaltschaft dem MDR mitteilte.
Seit zwei Jahren läuft bereits ein Verfahren gegen die vier mutmaßlichen Mitglieder von Knockout 51. Sie sind unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Schon in der Anklageschrift in diesem Prozess war zu lesen, dass ein Polizist von den Angeklagten als »Kumpel« und »einer von uns« bezeichnet wurde. Dem MDR zufolge soll dieser »Kumpel« interne Informationen über anstehende Festnahmen und Ermittlungen an die Neonazis weitergegeben haben.
Schon in der Anklageschrift war zu lesen, dass ein Polizist von den Angeklagten als »Kumpel« und »einer von uns« bezeichnet wurde.
Auch den weiteren fünf Polizeibeamten wird Verletzung von Dienstgeheimnissen vorgeworfen. Die Beschuldigten sollen im Südthüringer Raum tätig gewesen sein. »Dass es Verbindungen von Knockout 51 bzw. Eisenacher Neonazis in die Thüringer Polizei gibt, war bereits über mehrere Jahre ein Verdacht, der sich mit den neuen Informationen nun bestätigt hat«, sagte Katharina König-Preuss, Sprecherin für Migrationspolitik, Antifaschismus und Antirassismus der Linkspartei-Fraktion im thüringischen Landtag, der Jungle World.
Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, zeichne sich »ein unfassbarer Skandal ab, der transparent und umfassend nachvollziehbar für die Öffentlichkeit aufgeklärt werden muss«, so König-Preuss. Denn dies bedeute, dass es ein »weit größeres Polizeiproblem« gebe, »als bisher angenommen wurde«. Die Tatsache, dass die thüringische Polizei nicht in die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes gegen Knockout 51 eingebunden wurde, spricht für diese Annahme.
Drei der vier Angeklagten sind inzwischen nicht mehr in Haft. Das Gericht hatte Anfang April mitgeteilt, dass es die weitere Untersuchungshaft nicht mehr für verhältnismäßig halte. Derzeit sehe das Gericht den Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung als nicht gegeben an. Nur ein Angeklagter verbleibt in Haft, weil er laut Gericht mit einer höheren Strafe rechnen muss.
König-Preuss hält »die Aufhebung der Haftbefehle für ein falsches Signal«. Da Knockout 51 geplant haben soll, Linke zu töten, sei die Entscheidung »absolut unverständlich«. Zumal nach den Durchsuchungen und Verhaftungen erst einmal eine Beruhigung in Eisenach feststellbar gewesen sei. »Die ständige Bedrohung für Antifaschisten und rassifizierte Menschen« habe in dieser Zeit laut König-Preuss spürbar abgenommen. Auch die Aktivitäten anderer rechtsextremer Gruppierungen seien vorerst zurückgegangen. Mittlerweile gebe es jedoch »eine neue rechte Jugendgruppe, die versucht, im Stil von Knockout 51 zu agieren, und mit sogenannten Kiezstreifen unterwegs ist«, so König-Preuss.
Knockout 51 war Teil breiterer rechtsextremer Strukturen in Südthüringen. Das zeigten drei weitere Festnahmen im vergangenen Dezember. Unter den Festgenommenen befanden sich zwei mutmaßliche Mitglieder von Knockout 51. Einem der beiden, Kevin N., wird vorgeworfen, Gründer und Rädelsführer der Gruppe gewesen zu sein. Das Rechercheportal Erfurt berichtete, dass N. außerdem Mitglied der Neonazi-Hooligangruppe Jungsturm Erfurt sei und sich in der thüringischen Hauptstadt im Umfeld der Gruppe Kontrakultur Erfurt bewege, eines Ablegers der Identitären Bewegung.
Der dritte Festgenommene war der Landesvorsitzende der rechtsextremen Partei Die Heimat (ehemals NPD), Patrick Wieschke, der im Eisenacher Stadtrat sitzt. Er soll Knockout 51 unter anderem in der Eisenacher Parteizentrale, dem »Flieder Volkshaus«, Räume für ein Waffenlager und Kampftrainings zur Verfügung gestellt haben – offenbar weil er sich erhoffte, dadurch Nachwuchs für die Jugendorganisation seiner Partei zu finden.
Während seiner Aussage vor dem Oberlandesgericht im April verniedlichte Wieschke Knockout 51 zu einer »Hobbyvereinigung« beziehungsweise »apolitischen Sportgruppe«. Der 43jährige habe sich von den militanten Neonazis mehr politisches Engagement gewünscht. Zudem behauptete Wieschke, er habe nicht gebilligt, dass das Wort »Nazikiez« im Eisenacher Stadtgebiet an Wände gesprüht wurde. Ebenfalls äußerte er sich vor Gericht kritisch über das vermummte Auftreten von Rechtsextremisten während der Proteste gegen die Pandemie-Schutzmaßnahmen. »Das war ein Auftreten, das ich abgelehnt habe.«
Die überregionale Bedeutung des laufenden Prozesses zeigt sich daran, dass bekannte Nazi-Aktivisten aus ganz Deutschland den Prozess besuchten.
Wie viel Gewicht der Landesvorsitzende der Partei Die Heimat in der rechtsextremen Szene noch hat, ist unklar. Der langjährige Kader soll nach seiner Festnahme gegenüber einem Haftrichter ausgesagt haben. Deshalb ist er in Teilen der rechtsextremen Szene – nicht nur in Thüringen – inzwischen in Ungnade gefallen.
Die überregionale Bedeutung des laufenden Prozesses zeigt sich daran, dass bekannte Nazi-Aktivisten aus ganz Deutschland den Prozess besuchten, etwa aus dem Umfeld der Kampfsportveranstaltung »Kampf der Nibelungen« (vormals »Ring der Nibelungen«), sowie dem der Kleinstpartei »Der III. Weg« und der Hammerskins.
Belege für die Vernetzung von Knockout 51 mit »anderen extrem rechten und neonazistischen Strukturen gibt es zuhauf«, sagte König-Preuss der Jungle World. Diese Vernetzung reiche ihren Angaben zufolge von Erfurt über Braunschweig nach Dortmund, von Combat 18 bis zur ehemaligen NPD. Auch das belege die enorme Gefahr, »die von neonazistischen Strukturen ausgeht«. König-Preuss nimmt deshalb an, dass auch andere neonazistische Gruppierungen sich auf terroristische Aktivitäten bis hin zu Mordanschlägen vorbereiten und das Konzepte wie das von Knockout 51 für Eisenach auch anderswo eine Rolle spielen.