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Unterwegs auf der Berlinale. Von den Summens
Pünktlich zur diesjährigen Berlinale gab es mal wieder reichlich Schienenersatz- beziehungsweise Pendelverkehr. Selbst mit der Limousine kam man nicht gut durch, ausgerechnet zum Festival hatte man sich dazu entschieden, die Straßen aufzureißen und in eine Baustelle zu verwandeln. Um es mit der Party-Gruppe Deichkind und dem Titel ihres neuen Albums zu sagen: »Neues vom Dauerzustand«. Während die mit letzter Kraft regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sich auf die Suche nach einem neuen Koalitionspartner machte, suchten Cineast:innen aus aller Welt also ihren Weg ins Kino.
Endlich angekommen mussten sie sich dann womöglich das höchst deprimierende Drama »Mal Viver« (englischer Titel: »Bad Living«) anschauen, das unverständlicherweise den Preis der Jury einheimste. Darin geht es um fünf familiär miteinander verbandelte Frauen, die gemeinsam ein marodes Hotel betreiben und sich in quälend langen Einstellungen das Leben gegenseitig zur Hölle machen.
Das Pendant mit dem Titel »Viver Mal« (Englisch: »Living Bad«) vom selben Regisseur lief in der Sektion Encounters und zeigte, am selben Ort spielend, wohl die toxischen Verhältnisse der Hotelgäste – ganz genau wissen wir das aber nicht, das Screening fiel ein paar Gin Tonics in fröhlicher Runde zum Opfer.
Den Goldenen Bären gewann die Doku »Sur l’Adamant« von Nicolas Philibert, in dem eine psychiatrische Tagesklinik porträtiert wird, die sich auf einer Art Hausboot befindet – mitten in Paris. Freiwillig kommen die normal Verrückten hierher. Sie malen, musizieren und machen Mangomarmelade. Einer von ihnen interpretiert zu Beginn mit zahnlosem Mund herzergreifend den Song »La bombe humaine«. Man fühlt sich an die deutsche Band Station 17 erinnert, die gerade mit »Push« eine frische Single aus ihrer Kraut-Dub-Küche veröffentlicht hat.
»Irgendwas stimmt hier nicht.« Dieser Satz fällt zu Beginn des Sommerfilms »Roter Himmel« von Christian Petzold, der hochverdient den Großen Preis der Jury gewann. Die Schauspielerpreise gingen an die Transfrau Thea Ehre, der man gebannt »Bis ans Ende der Nacht« folgte, sowie an die erst achtjährige Sofía Otero, die leichten Herzens einen Jungen spielte, der lieber ein Mädchen wäre. Celine Songs zutiefst berührender Debütfilm »Past Lives« über wahre Liebe(n), jenseits von Hollywood-Klischees, ging leider leer aus, stattdessen durften sich beflissene Bildungsbürger:innen über den Drehbuchpreis für die gewohnt kryptische Angela Schanelec freuen. Im verspäteten Nachtbus zurück ins traute Heim hörten wir das neue Album von Caroline Polachek und träumten uns auf eine perfekte Plastik-Pop-Insel – mitten in Berlin.