Erkenntnisse auf der Lützerath-Demo

Heraus zur Klima-Antifa

Der Stand der Bewegung Von Koschka Linkerhand

Die Räumung von Lützerath könnte die neue Generation der Klimabewegung radikalisieren - oder ist das schon längst passiert?

Neulich schrieb ich, dass ich ein Zusammengehen von Antifa und Klimabe­wegung für eine gute Idee halte. Ich habe übersehen, dass diese Überschneidung längst Realität ist.

Noch im Januar soll das Dorf Lützerath abgerissen werden. Der Energiekonzern RWE will dort Braunkohle fördern, und die Bundesregierung hat zugestimmt. Die Initiativen »Lützerath lebt« und »Alle Dörfer bleiben!« sind sich einig: Wenn die Kohle unter Lützerath verstromt wird, verfehlt Deutschland seinen zugesicherten Beitrag zum 1,5-Grad-Klimaziel. Am Sonntag erklärte die Polizei die Räumung des Dorfes für beendet.

Als die Räumung begann, gingen in mehreren Städten Klima­schüt­zer:in­nen auf die Straße, und ich ging mit. »Scheißpolizei raus aus den Dörfern!« anstimmend, liefen wir als recht schwarzer Block durch die Innenstadt. Einige trugen gelbe Holzkreuze, die aus der Anti-Atomkraft-Bewegung stammen, vor uns wehte eine schwarz-grüne Piratenfahne. Eine Freundin sprach davon, dass wohl hauptsächlich Schü­le­r:in­nen und Student:innen Zeit und Energie für Protestcamps aufbringen. Beide konnten wir uns nicht vorstellen, jetzt dorthin zu fahren und womöglich zu zelten – im Januar!

Eine Rednerin berichtete vom Versuch, ein Gebiet wieder mit Leben zu füllen, dessen Bewohner:innen enteignet und umgesiedelt wurden. In »Lützi« hätten sie nicht nur gelernt, Baumhäuser zu bauen, sondern auch, langanhaltenden Protest und basisdemokratische Versammlungen zu organisieren. Man habe gelernt, kollektiv zu kochen, und »Widerstandsformen« aus dem Hambacher Forst übernommen.

Eine weitere Rednerin sprach über die deko­loniale Dimension der Kämpfe um Lützerath. Sie erinnerte an die Folgen der Klimaverän­derung vor allem im Globalen Süden und an ­dortige Pro­teste gegen Kohleabbau. Mir gefiel, dass junge Frauen rabiate Worte fanden. Ich mochte die leichtfüßige Männlichkeitskritik der Parole »Es gibt kein Recht auf Kohlebaggerfahren!«, das Open Mic am Ende der Veranstaltung und die darüber geteilten Erfahrungen, unter anderem zur Strafverfolgung von Klimaaktivist:innen. Es ist ein an­derer Schnack als in meiner antideutschen Sturm-und-Drang-Zeit, in der wenig gestürmt, geschweige denn besetzt und auf Demos so getan wurde, als wäre man eher zufällig da. Während »A-Anti-Anticapitalista!« skandiert wurde, plauderte ich mit einem Genossen, theorielinks politisiert wie ich, leicht verlegen über einen Museumsbesuch.

Die Radikalisierung der Klimabewegung ist bitter nötig in einer Zeit, in der politikfeindliche Theorie so wenig genügt wie bürgernahe Großdemos. Die Regierungsbeteiligung der Grünen führt nicht dazu, dass Klimaziele ernst genommen werden; die kapitalistische Umweltzerstörung schreitet ungebremst fort.

Während um Lützerath einzelne Protestaktionen weitergehen, bleibt zu hoffen, dass weitere Teile der Klimabewegung aus dieser Erfahrung lernen, dass mit dem Staat kein Umweltschutz zu machen ist.