Die russische Feminist Anti-War Resistance greift auf kreative Protestformen zurück

Weiße Rosen gegen den Krieg

Kommentar Von Anastasia Tikhomirova

Landesweit vernetzen sich in Russland Feministinnen, um Protest gegen den Krieg zu organisieren. Mit kreativen Aktionsformen versuchen sie, der Repression zu entgehen.

Nach den Demonstrationen im Februar und März sind die öffentlichen Proteste gegen den Krieg in Russland abgeflaut. Zu groß ist bei den Kriegsgegnern die Angst vor Verhaftungen und Repressalien, zu gering fiel die gesellschaftliche Zustimmung zur Antikriegsposition aus. Es sind vor allem Menschen, die schon vor der Invasion gegen die herrschende Regierung waren, die noch aktiv gegen den Krieg eintreten – etwa Feministinnen, die in den vergangenen Jahren vor allem über die sozialen Medien eine Unterstützerbasis für ihre Politik aufbauten, trotz täglicher Hassattacken von Maskulinisten und Nationalisten, dem antifeministischen Tenor der staatlichen Medien und der Regierungspropaganda.

Seit Kriegsbeginn organisieren sich dezentral etwa 45 feministische Aktionsgruppen in verschiedenen russischen Städten und versuchen, Informationen über die Invasion zu verbreiten und gegen den Krieg zu mobilisieren. Die sich als Opposition gegen Patriarchat, Autoritarismus, Imperialismus und Militarismus bezeichnende ­Bewegung Feminist Anti-War Resistance (FAR) veröffentlichte am 25. Februar ein Manifest gegen den Krieg, das in der russischen Online-Zeitschrift Doxa veröffentlicht wurde.

Wegen der Gefahr, inhaftiert zu werden, bleiben die meisten Aktivistinnen in Russland anonym, andere agieren aus dem Exil. FAR hat einen internationalistischen Anspruch und Schwesterorganisationen weltweit. Differenzen bestehen mit einigen westlichen Feministinnen in Bezug auf Waffenlieferungen und Abrüstung. FAR fordert Waffen für die Ukraine, nur so sei die russische Aggression zu stoppen. Über Abrüstung wollen sie nach dem Krieg diskutieren.

Mit kreativen Aktionsformen versucht die FAR, der sich stetig verschärfenden Repression zu entgehen. Seit dem 18. März gehen die Frauen beispielsweise freitags schwarzgekleidet mit weißen Rosen auf die Straße. Das ist eine internationale feministisch-antimilitaristische Aktionsform. FAR ruft zur Diskussion mit kriegsbefürwortenden Angehörigen und Bekannten auf, gestaltet und versendet Grußkarten mit Antikriegsbotschaften.

Eine weitere Aktionsform nennt sich »Tichij piket« (Einsamer Protest). Dabei heften sich einzelne Feministinnen Solidaritätsbotschaften und Informationen über den Krieg an ihre Kleidung oder tun in der Öffentlichkeit so, als würden sie telefonieren, um dann laut ihrem imaginären Gesprächspartner Leidensgeschichten aus dem Krieg zu erzählen. In Anlehnung an die provisorischen Gräber in ukrainischen Städten wie Mariupol stellen die Aktivistinnen hölzerne Kreuze an Alltagsorten auf und Fotos davon unter dem Hashtag #Mariupol5000 ins Internet, die sie mit Informationen zu den russischen Kriegsverbrechen versehen.

Aufmerksamkeit erregten auch einzelne Feministinnen, die mit auf den Rücken gebundenen Händen oder blutbefleckten Kleidern an öffentlichen Orten in Großstädten posierten, um auf die getöteten und misshandelten Ukrainerinnen in den von Russland besetzten Gebieten hinzuweisen. Stets sind mit diesem Aktivismus Risiken verbunden. So berichtet FAR von politischen Repressionen gegen ihre Aktivistinnen, einzelne wurden verhaftet. Daher haben sie zusammen mit der Antikriegsgruppe »Antiwojennyj Bolnitschnyj« ­einen Spendenfond für die juristische Unterstützung im Falle von Repressalien und Gerichtsverfahren eingerichtet.