Die Invasion der Ukraine kommt der Linkspartei sehr ungelegen

Den Schuss nicht gehört

Kommentar Von Christopher Fritz

Die Linkspartei ist nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in sicherheitspolitischen Fragen aus der Zeit gefallen.

Mitten im Bundestagswahlkampf des vergangenen Jahres nahmen die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul kampflos ein, nachdem die im Rahmen eines UN-Mandats dort stationierten Truppen abgezogen worden waren. Dieses Ergebnis war erwartbar, dennoch reagierte die deutsche Öffentlichkeit entsetzt und überrascht. Den Taliban wurden nicht nur jene ausgeliefert, die sich für Demokratie und Menschenrechte im Land eingesetzt hatten, sondern auch zahlreiche verbliebene Ortskräfte der Nato-Truppen. Die Linkspartei, die seit dem Beginn des Einsatzes im Jahr 2001 den Abzug der Bundeswehr verlangt hatte, forderte, zumindest die Ortskräfte auszufliegen.

Allerdings war schnell klar: Ohne Unterstützung der US-Truppen war die Bundeswehr dazu gar nicht in der Lage, weil sie den Flughafen in Kabul nicht sichern konnte. Und bei der Abstimmung über das »robuste Mandat« für den Rettungseinsatz enthielt sich die Bundestagsfraktion der Partei »Die Linke« mehrheitlich, weil nicht ausgeschlossen sei, »dass sich die Bundeswehr den Weg durch Kabul erst freischießen muss«, wie es in einer Abstimmungsempfehlung des Parteivorstands hieß. Dem politischen Wunsch, die Ortskräfte zu retten, stand also zweierlei gegenüber: der Bundeswehr mangelte es an Mitteln und der Linkspartei an Bereitschaft, die vorhandenen einzusetzen.

Dieser Widerspruch führte nicht zu einem Umdenken in der Partei. Man hielt stattdessen strikt an den altbekannten antimilitaristischen Positionen fest: Nato-Austritt, Abrüstung und die Ablehnung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr. Darüber, wie die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr sichergestellt werden könne, stand im Wahlprogramm der Linkspartei nichts. Stattdessen warb die Linkspartei für »vernunftorientierte, friedliche internationale Beziehungen« mit den Diktaturen in Russland und China. Die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen war kein Wahlkampf­thema. Im neukonstituierten Bundestag ließ die Fraktion der Linkspartei dann sogar den Nord-Stream-2-Befürworter Klaus Ernst zum Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Energie wählen.

Vor drei Wochen hieß es von allen Seiten, man sei nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine »in einer anderen Welt aufgewacht«. Eine scheinheilige Feststellung, wusste man doch um die Annexion der Krim 2014 und die russischen Bombardements in Syrien. Während die Ampelkoalition unter »Hurra!«-Rufen der Union eilig der Bundeswehr 100 Milliarden Euro zuschanzte, war die Linkspartei erneut auf dem falschen Fuß erwischt worden.

Die Linkspartei versucht unbeirrt, trotz des einseitigen Angriffskriegs einen abstrakten Antimilitarismus über die Zeit zu retten. So sprach bei einer Kundgebung der Partei am 24. Februar vor dem russischen Konsulat in Hamburg ausgerechnet die Bundestagsabgeordnete Żaklin Nastić, die zu einer Gruppe von Abgeordneten um Sahra Wagenknecht gehört, die in einer Erklärung den USA eine »maßgebliche Mitverantwortung« für den russischen Einmarsch gaben (Jungle World 9/2022). Der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Partei, Gregor Gysi, sagte mit Blick auf diese Erklärung kürzlich der Welt: »Wenn wir jetzt in der Regierung wären – das wäre eine absolute Katastrophe.«