Erste Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Sportwirtschaft

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat auch Auswirkungen im Bereich der Sportwirtschaft.

Seit 2007 war das russische Erdgasförderunternehmen Gazprom ­Trikotsponsor des FC Schalke 04. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) soll damals den Vertrag zwischen dem immer klammen Fußballverein aus dem Ruhrgebiet und dem mehrheitlich in russischem Staatsbesitz befindlichen Konzern eingefädelt haben. Das Verhältnis zwischen Gazprom und Schalke 04 war gut und für den Verein lukrativ: Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge zahlte Gazprom dem ehemaligen Erstligisten neun Millionen Euro pro Jahr. Die Möglichkeit, anlässlich des Abstiegs des Vereins in die Zweite Bundesliga im vergangenen Jahr den Sponsorenvertrag zu kündigen, nutzte das Unternehmen nicht.

In der vergangenen Woche jedoch trübte der russische Einmarsch in die Ukraine das Verhältnis der beiden Blau-Weißen. Schalke 04 veröffentlichte am Mittwoch der vorigen Woche einen Friedensaufruf und gab bekannt, beim Spiel gegen den Karlsruher SC ohne Gazprom-Schriftzug auf den Trikots aufzulaufen. Es gab Anzeichen, dass die Liaison zwischen den Gelsenkirchenern und dem russischen Konzern zu Ende gehen könnte.

»Angesichts der Ereignisse in der Ukraine haben wir Aeroflot die Sponsorenrechte entzogen. Wir teilen die Sorge unserer Fans in aller Welt und wir fühlen mit den Betroffenen.« Manchester United

Matthias Warnig, Mitglied im Verwaltungsrat von Gazprom und mit US-Sanktionen belegt, gab seinen Posten im Aufsichtsrat von Schalke 04 auf. In den sozialen Medien machte die Initiative »Schalke-Fans gegen Gazprom« Druck und es gab sogar Fans von Borussia Dortmund, die sich dafür aussprachen, die Schalker finanziell zu unterstützen, wenn sie sich von ihrem Sponsor trennen. Die Lust auf ein richtiges Revierderby in der kommenden Saison ist größer als die traditionelle Abneigung zwischen den beiden Revierclubs, von der man sagt, sie sei so »tief wie ein Zechenschacht«. Am Montag gab Schalke 04 schließlich bekannt, die Partnerschaft mit Gazprom zu beenden.

Der FC Schalke 04 war nicht der einzige deutsche Fußballverein, der auf den russischen Angriffskrieg ­reagierte. Der Trainer des SC Freiburg, Christian Streich, sagte: »Es ist eine Katastrophe, was da passiert. Extrem schwierig für die Entscheidungs­träger, was für Maßnahmen man da trifft. Es ist ein Pulverfass.« Steffen Baumgart, der Trainer des 1. FC Köln, nannte den Angriff »ein Versagen der Weltpolitik«. Anders RB Leipzig: Die für den 10. und 17. März angesetzten Europa-League-Spiele gegen Spartak Moskau will der Verein nicht boykottieren.

Der Deutsche Fußballbund (DFB) und die Deutsche Fußballliga (DFL) verurteilten den Angriff und solidarisierten sich mit der Ukraine. Vor Beginn der Bundesligaspiele am Wochenende gab es eine Schweigeminute.

Vielen russischen Oligarchen ist Sport sowohl als Hobby wie auch als Investition wichtig: Der Londoner Club FC Chelsea beispielsweise ge­hört Roman Abramowitsch, der unter ­anderem Anteile am Stahlkonzern Evraz und an Norilsk, einer Nickel- und Palladiumhütte, hält. Dmitrij Rybolowlew ist der Haupteigen­tümer des französischen Erstligisten AS Monaco. Um Monaco ist noch ­alles ruhig. In Großbritannien sieht das anders aus: Abramowitsch hat die »Verwalterschaft« seines Clubs an Treuhänder der wohltätigen ­Stiftung von Chelsea übergeben. Und Manchester United trennte sich von der mehrheitlich in russischem Staatsbesitz befindlichen Fluglinie Aeroflot. »Angesichts der Ereignisse in der Ukraine«, teilte der Club mit, »haben wir Aeroflot die Sponsorenrechte entzogen. Wir teilen die Sorge unserer Fans in aller Welt und wir fühlen mit den Betroffenen.«

Der russische Präsident Wladimir Putin schätzt es, wie andere Autokraten auch, sich im Glanz von Sportereignissen zu präsentieren. 2014 fanden die Olympischen Winterspiele in Sotschi statt, das Finale der Champions League sollte im Mai in Putins Heimatstadt Sankt Petersburg ausgetragen werden. Doch die Uefa hat der Stadt am Freitag voriger Woche das Spiel entzogen.

Auch internationale Autorennen werden in Russland erst einmal nicht mehr stattfinden: Nachdem der ehemalige Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel erklärt hatte, nicht an dem Rennen in Sotschi teilnehmen zu wollen, zog der Motorsportweltverband FIA nach. »Die Formel 1 und die Rennställe haben sich besprochen und beschlossen, dass es unmöglich ist, den Großen Preis von Russland unter den aktuellen Voraussetzungen auszutragen«, teilte der Rennverband ebenfalls am Freitag vergangener Woche mit.

Die große Frage wird sein, ob Russland an der Fußballweltmeisterschaft der Männer im Dezember in Katar teilnehmen darf. Der Fußballweltverband Fifa, als Organisation so sympathisch wie eine Zuhälterbande, die im Nebenerwerb mit Waffen handelt, ist nicht dafür bekannt, ­moralische Erwägungen ins Zentrum seiner Arbeit zu stellen. Auf die Sprünge helfen ihr jedoch die nationalen Verbände von Polen, Schweden und Tschechien. Sie haben angekündigt, die WM-Playoffs Ende März in Russland zu boykottieren. Die Verbände Polens, Schwedens und Tschechiens liegen damit auf der Linie des ukrainischen Fußballverbands UAF, der den Ausschluss aller russischen Mannschaften von internationalen Wettbewerben fordert.

Mut bewies der russische Fußballnationalspieler Fjodor Smolow. Er verurteilte den Angriff auf die Ukraine. Der Stürmer von Dynamo Moskau postete auf Instagram die Worte »Nein zum Krieg« vor einem schwarzen Hintergrund, umrahmt von ­einem gebrochenen Herz und einer ukrainischen Flagge.

Die Volleyballer stehen hingegen treu zu Putin. Ihr Weltverband FIVB denkt vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs bislang nicht darüber nach, Russland die Austragung der Weltmeisterschaft der Männer in diesem Jahr zu entziehen.

Der norwegische Sportdachverband fordert, alle russischen und belarus­sischen Athleten von sämtlichen internationalen Sportveranstaltungen auszuschließen. Biathleten sollen zu den noch auszutragenden Wettbewerben in diesem Jahr nicht mehr einreisen dürfen. Auch »Athleten Deutschland«, ein Verein von Sportlern, die bei nationalen Wettbewerben antreten, fordert das Ende der sportlichen Zusammenarbeit mit Russland und Belarus: »Das System Putin« habe den Sport über viele Jahre gezielt für seine Zwecke benutzt, schreiben die Athleten in einer Erklärung. Internationale Verbände und Vereine hingen vom Geld russischer Oligarchen und Sponsoren ab, russische Personen bekleideten einflussreiche Positionen im globalen Sport. Der Verein fordert den vollständigen »Ausschluss russischer und belarussischer Verbände aus dem internationalen Sportverbandssystem. Dazu gehören auch die russischen und belarussischen Nationalen Olympischen und Paralympischen Komitees.«

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine führten die Angriffe auf Zivilisten und die indirekte Drohung Putins, im Fall eines westlichen Angriffs Atomwaffen einzusetzen, am Wochenende zu einer raschen Eskalation, die auch Sportlern und ihren Verbänden nicht verborgen blieb. Die von der EU, den USA, Japan und Aus­tralien beschlossenen Boykottmaßnahmen zielen bislang allerdings nicht auf Sportereignisse. Westliche Staaten konzentrieren sich auf rus­sische Politiker, Unternehmen und Banken. Einige russische Banken wurden vom Zahlungssystem Swift abgeschnitten und die Nato-Staaten versorgen die Ukraine mit Waffen. Beinahe täglich werden neue Sanktionen beschlossen. Der von Russland begonnene Krieg hat ein nahezu unbegrenztes Eskalationspotential.

Einen Verband indes focht das alles zunächst nicht an: die International Judo Federation (IJF). Noch Tage nach dem Einmarsch war der Judoka Wladimir Putin Ehrenpräsident des Verbands. Erst am Sonntag suspendierte die IJF Putin von seiner Ehrenpräsidentschaft.