Die zynischen Argumente der Leihmutterschaftsbefürworter

Kindersegen mit Beigeschmack

In Israel wurde die Leihmutterschaft für homosexuelle Paare kürzlich legalisiert, in Deutschland erwägt derweil die Ampelkoalition eine Legalisierung der sogenannten altruistischen Leihmutterschaft. Die Befürworter lassen gerne unter den Tisch fallen, was die Leihmutterschaft ist: ein hierarchisch organisiertes Geschäft und rigorose Ausbeutung von Frauen in Notlagen.

»Heute schreiben wir Geschichte«, verkündete der israelische Gesundheitsminister Nitzan Horowitz am 4. Januar. »Es ist ein historischer Tag für den Kampf von LGBT in Israel, des langen Kampfs um Gleichheit für jeden.« Seit Januar dürfen in Israel auch alleinstehende Männer und homosexuelle Paare die Dienstleistung von Leihmüttern in Anspruch nehmen. Gestationelle Leihmutterschaft ist dort seit 1996 erlaubt, in Anspruch nehmen konnten sie jedoch bis vor Kurzem nur hete­rosexuelle Paare und alleinstehende Frauen.

Die gestationelle Leihmutterschaft, bei der Sperma und Eizelle eines Paars der Leihmutter eingesetzt werden, hat sich gegenüber der traditionellen Methode durchgesetzt, bei der Eizellen der Leihmutter verwendet werden. Es besteht bei jener Methode also keine biologische Verwandtschaft der Leihmutter zum Kind, was es ihr erschwert, rechtliche Elternschaft zu beanspruchen. Im Gegensatz zu Ländern wie Kanada und Südafrika, in denen explizit nur die altruistische Leihmutterschaft erlaubt ist, also jene ohne finanziellen Zugewinn für die Leihmutter, wird in Israel vor allem die kommerzielle Leihmutterschaft genutzt. In Deutschland ist Leihmutterschaft im Embyronenschutzgesetz geregelt und strikt verboten. Mutter ist hier, wer das Kind austrägt. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enthält jedoch unter dem Punkt »Gleichstellung« die vage Formulierung, dass Möglichkeiten zur Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft geprüft werden.

Schwer wiegt die Tatsache, dass Leihmutter zu sein neun Monate lang das gesamte Leben bestimmt. Die Leihmutter kann nicht pausieren und die Schwangerschaft nicht ignorieren.

Aufgrund der durch die Gesetzgebung bedingten geringen Relevanz des Themas hierzulande beschränkt sich hiesige Berichterstattung über Leihmutterschaft meist auf einzelne Ereignisse wie im Mai 2020, als mehr als 100 in der Ukraine von Leihmütter geborene Babys wegen pandemiebedingter Reisebeschränkungen nicht von ihren Eltern abgeholt werden konnten. Die internationale Berichterstattung kommt oftmals sehr idyllisch daher: Die Leihmutter wird charakterisiert als eine Art gute Fee, die einem bedauernswerten Paar zum vollständigen Lebensglück verhilft. Sie ist selbstlos und liebevoll, gleichzeitig aber ­abgeklärt genug, die Erfahrung der Schwangerschaft und Geburt einfach hinter sich zu lassen. Genauso liebevoll sind die künftigen Eltern, die nichts in ihrer Macht Stehendes unversucht gelassen haben, um sich ihren Lebenstraum einer Familie mit Kindern zu erfüllen, um »vollständig« zu sein.

Die Argumente, welche zugunsten einer Liberalisierung der Leihmutterschaft angeführt werden, ähneln dabei stark denen, die von Prostitutionsbefürwortern bekannt sind: von »My body, my choice« über die Betonung des Care-Aspekts der Arbeit bis hin zu der zynischen Feststellung, dass es sich um eine Möglichkeit für ökonomisch benachteiligte Frauen aus beispielsweise der Ukraine oder Ländern aus Südosteuropa handele, in relativ kurzer Zeit mehr zu verdienen, als ihnen das sonst möglich wäre. Die legislative Liberalisierung beider Bereiche wird als Fortschritt dargestellt, der Selbstbestimmung erleichtere, als vorteilhaft für beide an der Transaktion beteiligten Parteien. Weiterhin werde hiermit Frauen ermöglicht, Geld mit Tätigkeiten zu verdienen, die in der Regel unter unbezahlte Reproduktionsarbeit fallen. So gebe es finanzielle Wertschätzung für etwas, für das Frauen sonst nicht entlohnt werden würden. Befürworter der Leihmutterschaft preisen diese zudem gern als Abkehr von traditionellen Rollen- und Familienbildern an, wobei doch Leihmutterschaft in den meisten Fällen in Anspruch genommen wird, um eine klassische Kernfamilie zu gründen.

Leihmütter benutzen ihren Körper als bloßes Werkzeug, als Mittel zum Zweck. Gleichzeitig wird auf dem Abschluss eines Vertrags insistiert, der festlegen soll, dass hier eine formal gleichberechtigte Partei eine Dienstleistung im Tausch für Geld ­erbringt. Schwer wiegt insbesondere die Tatsache, dass Leihmutter zu sein neun Monate lang das gesamte Leben bestimmt. Die Leihmutter kann nicht pausieren und die Schwangerschaft nicht ignorieren.

In der Idealvorstellung von Leihmutterschaft wächst ein Fötus im Körper der Frau, aber nicht in persönlicher Verbindung mit ihr. Es bleibt ihr überlassen, mit den üblichen hormonellen und emotionalen Prozessen während einer Schwangerschaft und der Trennung vom Kind nach der Geburt zurechtzukommen. Sie soll die Schwangerschaft von sich abspalten und damit verdinglichen, gleichzeitig hat sie Sorge dafür zu tragen, dass sich der Fötus gut entwickelt.

Ähnlich entrückt von der Realität ist auch die These vieler Befürworter, glückliche, einheimische Frauen würden nur zu gerne die entsprechenden Dienstleistungen erbringen wollen. Aber es verwundert nicht, dass die Bürger von Ländern wie den USA oder Großbritannien, in denen altruistische (in den USA auch kommerzielle) Leihmutterschaft erlaubt ist, noch bis 2015 einen großen Teil der Kundschaft für Leihmutterschaft in Indien ausmachten. Der Bedarf kann unmöglich allein von Befürworterinnen wie queeren Studentinnen oder überaus empathischen Nachbarinnen gedeckt werden.

Mittlerweile darf in Indien Leihmutterschaft nur noch von verheirateten, heterosexuellen indischen Staatsbürgern in Anspruch genommen werden, die nachweisen können, dass sie alle vorhandenen Mittel zur Zeugung eines Kindes ausgeschöpft haben. Das Ausmaß, das die kommerzielle Leihmutterschaft in Indien erreicht hatte, zeigt, dass eine Entgrenzung dieser Praxis, vor der ihre Kritiker warnen, kein unrealistisches Szenario ist, sondern eine Frage der relativen Kosten. Diese Kommerzialisierung zieht notwendigerweise nach sich, dass Frauen in prekären Situationen ausgenutzt werden.

In ihrem Vortrag »Geschlecht und sexuelle Orientierung in Auflösung – was bleibt?« stellte die 2019 verstorbene Psychotherapeutin und Sexualwissenschaftlerin Sophinette Becker fest, dass »homosexuelle Elternschaft grundsätzlich zu bejahen« sei, allerdings »Leihmutterschaft in der Regel eine postkoloniale Form der Sklaverei« darstelle, »egal, welche sexuelle Orientierung die Eltern haben«. So leichtfertig heutzutage oft mit dem Begriff des Postkolo­nialen umgegangen wird, es fällt schwer, die Assoziation in diesem Fall zu leugnen. Ein so deutliches Ge­fälle zwischen Auftraggeber und Dienstleister geht nicht spurlos an den Beteiligten vorbei. Anders sind zum Beispiel auch Sätze wie der folgende kaum zu erklären, der sich auf der Website »Leihmutterschaft Zentrum« der Feskov Human Reproduction Group findet, eines der größten Reproduktionsdienstleisters in der Ukraine: »Die Vorteile der Ukraine liegen auf der Hand – eine günstige Lage, Gesundheit und Sauberkeit der ukrainischen Frauen, loyale Gesetze, medizinische Dienstleistungen und hochrangige Dienstleistungen mit Garantien und viel niedrigere Preise.«

Man ahnt: Hier wird mehr als die Ware Arbeitskraft gekauft. Eine Schwangerschaft lässt sich nicht vom konkreten Körper abspalten, der die »Dienstleistung« erbringt. Das wissen Nutznießer der Leihmutterschaft auch, und so wird es auch ­besonders unangenehm, wenn die Kundschaft sich, sozusagen als »Entschädigung«, demonstrativ um ein gutes und langfristiges Verhältnis zur Leihmutter bemüht. Halbherzig wird genau das noch als eines jener »neuen Familienmodelle« angepriesen, doch auch hier ist klar: Eine Leihmutter hat keine Rechte an dem Kind, das sie geboren hat. Der Vertrag ist eindeutig: Mit der Geburt tritt die Leihmutter alle Rechte ab.

Auch sonst sind die gängigen Geschäftspraktiken hierarchisch orga­nisiert: Längst handelt es sich bei der kommerziellen Leihmutterschaft in den Ländern, in denen sie legalisiert wurde, um einen Geschäftszweig, in dem professionelle Agenturen bis zu 50 Prozent des gezahlten Betrags für die Vermittlung einstreichen. So verleiht eine Ausweitung der Leihmutterschaft dem Kindersegen einen faden Beigeschmack. Die sozialen Missverhältnisse liegen offen zutage.

Selbstverständlich ist es keine Überraschung, dass Menschen mit Kinderwunsch bereit sind, auch auf Möglichkeiten wie Leihmutterschaft zurückzugreifen. Man fühlt die Verzweiflung, die jene antreibt, die zwischen Ausbildung, Karriere und frustrierendem Liebesleben die Unzulänglichkeit ihres Körpers im versagten Kinderwunsch zu spüren bekommen. Doch die Legalisierung kommerzieller Leihmutterschaft kann den Bedarf nach solchen extremen Maßnahmen nur noch größer werden lassen. Sie ist keine Unterstützung für junge Familien in prekärer Situation oder für Eltern, die sich ihren Traum vom Kind vernünftigerweise nicht erst am Ende ihrer Karrie­re erfüllen wollen. Leihmutterschaft lindert nicht den Druck auf die Einzelnen, der so viele Träume vom guten Leben zerstört; sie bürdet die Last anderen auf, einen untragbaren Zustand erträglich erscheinen zu lassen.