Die US-Serie »Ein Colt für alle Fälle« wird 40

Trickster am Rand des Glücks

Vor 40 Jahren strahlte der US-amerikanische Fernsehsender ABC die erste Folge von »The Fall Guy« aus. Lee Majors spielt in der hierzulande als »Ein Colt für alle Fälle« bekannten Serie einen Stuntman, der die Stars des Action-Kinos doubelt. Die Serie ist radikal dilettantisch, prollig und wirklich lustig.

Als er 1985 mit dem Song »Unkown Stuntman« den elften Platz in den westdeutschen Single-Charts erreichte, erklärte Lee Majors seine unverhoffte Popularität mit Verweis auf David Hasselhoff, der damals in der Bundesrepublik ebenfalls zum Popstar avancierte: »David Hasselhoff hat Erfolg in Deutschland, ich habe Erfolg in Deutschland. Ich glaube, sie haben da drüben einfach keine Ahnung von Musik.« Das entspannte Bewusstsein, Blödsinn zu produzieren und dafür gut bezahlt zu werden, hatte Majors ­seinem Kollegen Hasselhoff voraus, der seine Aufgabe umso ernster nahm, je offensichtlicher seine Talentlosigkeit wurde. 1989, als die ­Bademeisterserie »Baywatch« anlief, war die Action-Serie »The Fall Guy«, für die Majors sein Lied eingesungen hatte und in der er die Hauptrolle spielte, bereits abgeschlossen. Die erste Folge der insgesamt fünf ­Staffeln hatte ABC am 4. November 1981 gezeigt, die letzte lief am 2. Mai 1986.

Anders als »Baywatch«, wo sich Phantasielosigkeit und Banalität dem Publikum ungefiltert mitteilten, folgte »The Fall Guy« der Maxime, dass sich mit genügend Dreistigkeit und Talent zur Improvisation auch aus fast nichts etwas Gutes machen lässt. Glen A. Larson, der die Idee für die Serie lieferte, war Anfang der achtziger Jahre so etwas wie der Experte für gelungenen Fernseh-Trash. Ein Jahr vor »The Fall Guy« war die von ihm mitkonzipierte Serie »Magnum, P.I.« mit Tom Selleck ins US-amerikanische Fernsehen gekommen, ein Jahr später lief »Knight Rider« an – mit Hasselhoff in der Rolle des ehemaligen Polizisten Michael Knight, der mit einem sprechenden, durch künstliche Intelligenz gesteu­erten Auto auf Verbrecherjagd geht.

Im Grunde stellt »The Fall Guy« das Leben zweier Männer dar, die aufgrund sozialer Abgehängtheit und mangelnder Attraktivität keine Frau bekommen und sich mit einem prolligen Bond-Girl zusammentun, das sexy, aber genauso arm und erfolglos ist wie sie.

Das Auto des Helden hat auch in »The Fall Guy« eine fast fetischistische Bedeutung. Der Stuntman Colt Seavers, den Majors verkörpert, besitzt einen Pickup des Modells GMC K-2500 Sierra Grande, mit dem er dank hervorragender Federung über ganze Reihen anderer Wagen, über Schluchten und Gräben springen kann. In jeder Folge der Serie werden bei Verfolgungsjagden Autos, Gebäude und Inneneinrichtungen geschrottet, denn Seavers verwendet seinen Wagen nicht nur im Rahmen der Stunts, für die er notorisch schlecht bezahlt wird, sondern auch, um Kautionsflüchtlinge zu jagen. Die spürt er gemeinsam mit seinem Cousin Howie Munson und seiner Mitarbeiterin Jody Banks auf, um sich ein Zubrot zu verdienen.

Howie und Jody, gespielt von Douglas Barr und Heather Thomas, sind wie Colt unterbezahlte Stuntmen. Als ihre Auftraggeberin tritt meistens die Kautionshelferin Terri (Markie Post) in Erscheinung, eine attraktive, für Seavers aber sozial unerreich­bare Frau der Upper Class von Los Angeles. In der Umgebung von L.A. besitzt Seavers eine Hütte, in der er Pyjama tragend oder mit Schampus in der Badewanne liegend und Zigarre rauchend das Leben derjenigen nachzufühlen versucht, für die er arbeitet, mit denen ihn aber nichts verbindet.

Auf diese soziale Kluft spielt der Titel der Serie an: »The Fall Guy« ­bezeichnet zugleich denjenigen, der sich als Double der Großen des ­Kinos in Abgründe stürzt, und den Prügelknaben, der andere aus ihrer Misere rettet und dafür auch noch Undank erntet. Seavers ist ein später Nachfahre des Tricksters, ein armer Schlucker, den niemand ernst nimmt, dem es aber durch Gewitztheit und praktische Vernunft immer wieder gelingt, allen ein Schnippchen zu schlagen, die ihn für dumm verkaufen wollen.

Im Titelsong singt Majors davon, dass er für Raquel Welch, Bo Derek und Sally Field durchs Feuer gegangen sei, aber niemals bei einer von ihnen landen konnte, und dass seine Lieblingsfrauen schon jemanden anders küssen, während ihm noch das Knie verbunden wird. Er spricht die Verfilzung von ökonomischem Status und sexueller Attraktivität offen aus. Die Zeile »It’s true I hire my body out for pay« beschreibt den Stuntman, der Schauspieler spielt, wenn sie nicht selbst spielen wollen, buchstäblich als Prostituierten des Kinos: Während er im Grunde nichts anderes tut als die Schauspieler, die er doubelt, ist er im Gegensatz zu ihnen, die als Künstler und Ausnahmemenschen Preise und Liebhaber abgreifen können, ein Niemand, der von niemandem anerkannt wird und nirgends wiedererkannt werden darf, weil er hinter der Persönlichkeit derer zurücktreten muss, für die er einspringt.

Die leicht schwule Ästhetik von »The Fall Guy« hat nichts mit sub­versiver Queerness zu tun, sondern reflektiert die Deklassierung der Hauptfiguren. Die Beziehung zwischen Colt und Howie, der zwar ständig als Cousin vorgestellt wird, aber eher ein Lebenspartner zu sein scheint, trägt Züge homosexueller Travestie. Beide teilen sich Auto und Badewanne, reden einander liebevoll zu, wenn der andere Angst hat (und sie haben vor dem Mut, den sie bei ihren Einsätzen ­beweisen müssen, im Grunde ständig Angst). Beide verkleiden sich im Zuge ihrer Ermittlungen regelmäßig als Frauen, und keiner von ihnen zeigt je ernsthaftes sexuelles Interesse am anderen Geschlecht. Jody, von Seavers »Assistentin« genannt, erweckt zwar auf Außenstehende den Eindruck, seine Geliebte zu sein, läuft aber offenbar nur deshalb bei ihm zu Hause im Bikini herum, ­damit dieser Eindruck aufrechterhalten wird.

Trotzdem handelt es sich bei Colt, Jody und Howie nicht um die Inszenierung einer verdeckt homosexuellen Beziehung. Im Grunde stellt »The Fall Guy« das Leben zweier Männer dar, die aufgrund sozialer Abgehängtheit und mangelnder Attraktivität keine Frau bekommen und sich mit einem prolligen Bond-Girl zusammentun, das sexy, aber genauso arm und erfolglos ist wie sie. Zu dritt führen sie ein fadenscheiniges, aber irgendwie abenteuerliches Leben als schlecht bezahlte Nachahmer eines Milieus, von dem sie zehren, ohne an ihm teilzuhaben.

Der offensive Dilettantismus von »The Fall Guy« spiegelt dieses Leben und parodiert es zugleich. Sämtliche Stunts der Serie – sowohl die, bei denen Seavers beruflich mitwirkt, als auch die, die in der Handlung der Serie selbst notwendig wurden und bei denen Majors von dem Stuntman Vince Deadrick senior gedoubelt wurde – sind umrahmt mit Szenenschnipseln aus Action-B-Movies der siebziger Jahre, die dramaturgisch erkennbar schlecht in die Wirklichkeit der Serie passen. Das Leben aus zweiter Hand, das die Figuren führen und an dem sie trotzdem so viel Freude wie möglich haben wollen, wird so filmisch noch einmal verdoppelt.

Trotzdem war »The Fall Guy« weder ein Vorläufer postmoderner Ironie, noch handelte es sich einfach um Klamauk. Die Serie nahm ihre Figuren (was in der deutsch synchronisierten Version »Ein Colt für alle Fälle« nur ansatzweise erkennbar ist) wirklich ernst in ihrer Tragik wie in ihrer ­Komik, die auch den Darstellern eigen war. Lee Majors, ein Arbeiterkind aus Detroit, hat sein Leben lang nur in drittklassigen Filmen gespielt, Douglas Barr gab Mitte der neunziger Jahre den Schauspielerberuf auf, um als Winzer zu arbeiten, und Heather Thomas, die lange Zeit kokainabhängig war, veranstaltet heutzutage unter dem Titel »The L.A. Cafe« öffentliche Brunches, um Spenden für wohltätige Zwecke zu sammeln. Aus keinem von ihnen ist etwas Solides geworden, doch mit »The Fall Guy« haben sie dem Hollywood-Kino ein Bild von sich selbst gezeigt, wie es nur im Trash-TV gestaltet werden konnte.