Perus Präsident Castillo hat nach zwei Monaten im Amt sein Kabinett umgebildet

Mirtha Vásquez soll es richten

Perus Präsident Pedro Castillo hat nach gerade einmal zwei Monaten im Amt sein Kabinett umgebildet. Sein bisheriger Ministerpräsident hatte für Kontroversen gesorgt.

Lange hat er nicht durchgehalten. Am 29. Juli war Guido Bellido von Perus neuem Präsidenten, Pedro Castillo, als Ministerpräsident vereidigt worden. Am Mittwochabend vergangener Woche trat der 42jährige – der erste Ministerpräsident, dessen Muttersprache Quechua ist – auf Bitten Castillos zurück und machte Platz für Mirtha Vásquez. Der 46jährigen Juristin und Menschenrechtlerin trauen viele zu, das noch zu bestimmende neue Kabinett sowie die nötigen Verhandlungen zu führen, um die politischen ­Ziele Castillos zu erreichen.

Mirtha Vásquez hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, Kompromisse auszuhandeln und mit politischen Gegnern umzugehen.

Bellido war für Castillo offenbar untragbar geworden. Er gehört zwar wie der Präsident der linksnationalistischen Partei Perú Libre an, vertritt jedoch deren traditionell marxistisch-leninistischen Flügel. Dessen Vertreter werteten den Rücktritt des Ministerpräsidenten, der die Auswechslung weiterer Ministerinnen und Minister nach sich zog, als Zugeständnis an die rechte Opposition, die im Kongress, dem Einkammerparlament des Landes, über die Mehrheit verfügt. Bellido machte für seinen Rücktritt die »faktischen Kräfte«, Finanziers und Unternehmer, verantwortlich, die »die Regierung systematisch behindert haben«. Er gilt als enger Vertrauter des Gründers der Partei, Vladimir Cerrón, und ebenso wie sein Mentor als autoritärer, kompromissloser und homophober Linker.

Für Unmut bei der rechten Opposition, aber auch beim pragmatischen Flügel von Perú Libre und Castillo selbst, hatte zuletzt Bellidos Tweet von Ende September gesorgt, in dem er schrieb, dass er die Möglichkeit sehe, das von einem privaten Konsortium betriebene Gasfeld Camisea zu verstaatlichen. ­Castillo hatte stets beteuert, Verstaatlichungen auszuschließen. Aber auch Bellidos Sympathien für das autoritäre Regime von Nicolás Maduro in Vene­zuela, die Diktatur in Kuba und die einstige maoistische Guerilla Leuchtender Pfad in Peru brachten ihm Kritik ein. Wegen seiner Aussagen über Letztere wird gegen ihn wegen Rechtfertigung von Terrorismus ermittelt. Dazu kommen seit dem 10. August Ermittlungen wegen Geldwäsche und Korruption gegen ihn sowie weitere Mitglieder von Perú Libre.

Vásquez hat hingegen gezeigt, dass sie in der Lage ist, Kompromisse auszuhandeln und mit politischen Gegnern ins Gespräch zu kommen. Vom März 2020 bis 27. Juli 2021 war sie Kongressabgeordnete des linken Bündnisses Frente Amplio (FA), das Castillo heute unterstützt, und seit dem 17. November 2020 zudem kommissarische Präsidentin des Kongresses. Vor ihrer Zeit als Interimsparlamentspräsidentin fielen jahrelange parteipolitische Querelen; in nur einer Legislaturperiode waren gleich drei Staatspräsidenten entlassen worden: Pedro Pablo Kuczynski war am 23. März 2018 wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten; sein Nachfolger Martín Vizcarra wurde am 9. November 2020 wegen »moralischer Unfähigkeit« des Amtes enthoben; dessen Nachfolger Manuel Merino kündigte nach wenigen Tagen und nach gewaltsamen Protesten mit mehreren Toten gegen die Absetzung Vizcarras am 15. November seinen Rücktritt an. Auf ihn folgte vom 17. November 2020 bis 28. Juli 2021 Francisco Sagasti als Übergangspräsident. Durch geschicktes Verhandeln, bestimmtes Auftreten und das Schmieden nicht unbedingt einfacher Allianzen war es Vásquez gelungen, Sagasti so weit zu stärken, dass schließlich im April die Kongress- und die erste Runde der ­Präsidentschaftswahlen in dem stark polarisierten Land stattfinden konnten. Anders als viele andere Abgeordnete schied Vásquez nach dem Auslaufen ihres Mandats zunächst aus der Politik aus. Sie wollte wieder als Rechtswissenschaftlerin an der Universität Cajamarca arbeiten.

Doch dann kam der Anruf von Castillo, der seine Regierung nach dem holprigen Start umbauen wollte. »Für die Regierbarkeit« habe er sich entschieden, erklärte der Präsident vergangene Woche in ­einer kurzen Ansprache an die Nation. Peru erwarte viel von seiner Staatsgewalt, deshalb sei es an der Zeit, die Landesinteressen über Ideologien und Parteipositionen zu stellen, so Castillo. Er und Vásquez stammen beide aus der Provinz Cajamarca. Dort ist die Juristin mit dem Schwerpunkt Umwelt- und Menschenrechte überaus bekannt, seit sie zwischen 2012 und 2016 die indigene Bäuerin Máxima Acuña gegen die Interessen der Betreiber der größten Goldmine Lateinamerikas, Yanacocha, vor Gericht erfolgreich verteidigt hat. Acuña, die eine 27 Hektar große Farm in direkter Nähe der riesigen Mine besitzt, weigerte sich, ihr Land dem Konzern zu verkaufen, der Polizei und Werkschutz schickte, um die Frau und ihre Familie zu vertreiben – dank des Engagements von Vásquez hatten die Minenbetreiber damit letztlich keinen Erfolg.

Unterstützung für seinen Neuanfang könnte Castillo auch durch die USA ­bekommen. In Kalifornien hat der Bezirksrichter Thomas Hixson am 28. September dem peruanischen Auslieferungsgesuch für den ehemaligen Präsidenten Alejandro Toledo (2001–2006) zugestimmt. Toledo soll 20 Millionen US-Dollar Schmiergeld vom brasilianischen Baukonzern Novonor (ehemals Odebrecht, im Dezember 2020 änderte das Unternehmen seinen Namen) für Straßenbaukonzessionen entgegengenommen haben. Er könnte in den nächsten Wochen nach Peru überstellt werden, falls das US-Außenministerium zustimmt. Das wäre eine positive Nachricht für die Regierung Castillo.