Die Räumung des Hambacher Waldes war rechtswidrig

Für die Kohle, gegen das Recht

Die Räumung des besetzten Hambacher Walds 2018 war rechtswidrig, das bestätigte nun das Verwaltungsgericht Köln. Direkte Konse­quenzen dürfte das Urteil nicht haben. Politisch ist es für Armin Laschet, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, und seine verantwortlichen Minister trotzdem eine peinliche Niederlage.

Ein Blick zurück: Seit 2012 finden immer wieder Besetzungen im Hambacher Wald zwischen Köln und Aachen statt, die verhindern sollen, dass er für den nahegelegenen Tagebau Hambach, den größten Tagebau des Energiekonzerns RWE im rheinischen Braunkohlerevier, gerodet wird. Jahrelang gab es abwechselnd Besetzungen, Räumungen und Rodungen, bis das Oberverwaltungsgericht Münster 2017 die Rodung vorerst unterband. Im Sommer 2018 nahm die Sache wieder Fahrt auf, RWE wollte weiter roden und beantragte die Räumung von Dutzenden Baumhäusern im Wald.

Die Landesregierung aus CDU und FDP macht sich daraufhin zur Erfüllungsgehilfin des Energiekonzerns. Anfang September beginnt die Räumung des Waldes durch einen riesigen Polizeieinsatz. Weil am Fall des »Hambi« genannten Forstes auch Kohleausstieg und Klimakrise diskutiert werden, gibt es eine große Solidaritätswelle. Zu einer Demonstration rund um den Forst Anfang Oktober kommen Zehntausende. Wenige Tage nach dem Ende der Räumung verhängt das Oberverwaltungsgericht Münster einen erneuten Rodungsstopp, der bis heute Bestand hat.

Eine gerichtlich festgestellte Rechts­beugung macht sich nicht gut im Lebenslauf des Kanzlerkandidaten.

Nun ist bestätigt, dass die Räumung rechtswidrig war. »Vor allem sei aus der Weisung des Ministeriums erkennbar, dass die Räumungsaktion letztlich der Entfernung der Braunkohlegegner aus dem Hambacher Forst gedient habe. Das aber sei nicht Zweck der angewandten baurechtlichen Regelungen zum Brandschutz, die insofern nur vorgeschoben worden seien«, heißt es in der Stellungnahme des Kölner Verwaltungsgerichts.

Auch wenn das Urteil vom 8. September noch nicht rechtskräftig ist, für die damals Verantwortlichen keine unmittelbaren Folgen haben dürfte und überzeugte Laschet-Fans womöglich auch gar nicht interessiert: Eine gerichtlich festgestellte Rechtsbeugung macht sich nicht gut im Lebenslauf des Kanzlerkandidaten. Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass die nötige klimapolitische Wende mit ihm nicht zu machen ist, weil sie den Wirtschaftsinteressen von Großunternehmen (und Großarbeitgebern) widerspricht. Und sie ruft – nochmal – die Dreistigkeit in Erinnerung, mit der die Regierung Laschet die Räumung damals durchgeboxt hat. Es war, so zeigt unter anderem der WDR in einer Chronologie auf, Ina Scharrenbachs (CDU) Bauministerium, das die Baumhäuser kurzerhand zu baulichen Anlagen erklärte und so den Vorwand »Brandschutz« erst möglich machte. Dasselbe Ministerium wies die Stadt Kerpen und den Kreis Düren an zu räumen – gegen deren Willen.

Es war der law and order-Hardliner Herbert Reul (CDU), der sich als Innenminister regelrecht überschlug beim Versuch, die Menschen im Wald zu »linksextremistischen« Gefährdern zu erklären, und dabei auch auf allerlei Halb- bis Unwahrheiten zurückgriff. Mit großem Aufwand der Presse präsentierte konfiszierte »Waffen« waren in Wirklichkeit schon vor Jahren eingezogen worden, die »Vietcong-ähnlichen Tunnel« und die »möglichen Sprengsätze« bloße Märchen. Als der Reporter und Filmer Steffen Meyn am 19. September 2018 zwischen zwei Baumhäusern von einer Verbindungsbrücke stürzte und starb, behauptete Reul, die Besetzer hätten Partylieder gesungen. Und dass er vor der Räumung »keinen Kontakt mit RWE« gehabt habe, musste er im Jahr darauf zurücknehmen.

Zudem war es Armin Laschet, der das Recht beugte, um die Interessen von RWE durchzusetzen. Ein Jahr nach der Räumung wurde ein heimlich gedrehtes Video öffentlich, in dem Laschet sagt: »Ich brauchte einen Vorwand.« Und er musste zugeben, dass er eben doch Absprachen mit RWE getroffen hatte.
An den führenden Politikern perlt das Urteil wie gewohnt weitgehend ab. Reul zeigte sich im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger zwar »überrascht«, fand es aber wichtiger, darauf zu pochen, »wie man die Besetzer aus dem Wald bekommt«. Auch Laschet betonte im Interview mit dem Deutschlandfunk vor allem, warum er das Urteil für falsch hält, und kündigte rechtliche Schritte an.

Umso empörter – schließlich ist Wahlkampf – äußert sich die Opposition. Die Co-Spitzenkandidatin der Linkspartei, Janine Wissler, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Laschet sei »untragbar als Ministerpräsident und sollte umgehend zurücktreten«. Die oppositionelle SPD forderte eine Erklärung der Landesregierung im Innenausschuss des Landtags. Der innenpolitische Sprecher Hartmut Ganzke zeigte sich »fassungslos« über die »Dreistigkeit, mit der die Öffentlichkeit und auch die am damaligen Einsatz beteiligten Polizistinnen und Polizisten getäuscht wurden«.

Um die Besetzer und Besetzerinnen geht es der SPD hingegen nicht. Sie haben bei dem wochenlangen und harten, zuweilen brutalen Polizeieinsatz körperliche wie psychische Verletzungen davongetragen. Nach dem Urteil erinnerte die Gruppe »Hambi bleibt« an die Umstände der Räumung, die tagelange Beschallung und Beleuchtung, an den tödlich verunglückten Steffen Meyn und an weitere Menschen, die vor drei Jahren aus dem Wald geräumt wurden und heute nicht mehr leben. Das Urteil, heißt es in der Erklärung, sei »eine späte Genugtuung, die wir uns gern erspart hätten. Es wäre uns lieber, wenn unsere Freund*innen noch leben und unsere Baumhäuser noch stehen würden.«