über »Princess Charming« ist die erste lesbische Datingshow im deutschen Fernsehen

Eine Prinzessin, die gerne leckt

In der Datingshow »Princess Charming« wurden zum ersten Mal im deutschen Fernsehen lesbische Frauen miteinander verkuppelt. Außer um die Liebe drehte sich in der kürzlich zu Ende gegangenen ersten Staffel sehr vieles um Freundschaft.

So sehr in den sogenannten Trash-TV-Formaten der allgemeine Konkurrenzdruck, von dem auch die Romantik nicht unberührt bleibt, sogar noch verschärft dargestellt wird, so viel Unterhaltungspotential bieten sie. Mittlerweile soll vermehrt auch ein explizit queeres Publikum an­gesprochen werden. So nahmen beispielsweise 2019 an der achten ­Staffel der MTV-Datingshow »Are You the One?« ausschließlich bi- und pansexuelle Kandidatinnen und Kandidaten teil.


Nachdem RTL nach dem Vorbild seiner heterosexuellen Formate »Der Bachelor« und »Die Bachelorette« seit 2019 auch das schwule Format »Prince Charming« erst bei seinem Streaming-Dienst TV Now und dann auch bei Vox gezeigt hatte, wartete das geneigte Publikum auf das lesbische Pendant. Zunächst kündigte RTL an, eine Show zu zeigen, in der heterosexuelle Männer sowie bisexuelle und lesbische Frauen um eine Frau buhlen. Dieser Plan wurde aber zugunsten des kürzlich zu Ende gegangenen Formats »Princess Charming« aufgegeben, der ersten rein lesbischen Datingshow im deutschen Fernsehen – fast. Denn »Prin­cess Charming« war nur auf TV Now abrufbar.
 

Einigen der Kandidatinnen merkte man an, dass sie an der Show nicht nur aus romantischen Gründen teilnahmen. Viele von ihnen wollten mit ihrem Auftreten eher für lesbische und queere Sichtbarkeit im Fernsehen sorgen.


20 Teilnehmerinnen – eine, die Kandidatin Gea, identifiziert sich als nichtbinär – waren es zu Anfang, die in einem Haus auf Kreta um das Herz von »Princess« Irina Schlauch kämpften. Charakterlich sind die Teilnehmerinnen sehr unterschiedlich; was sie verbindet, ist die Liebe zu Frauen. Einige von ihnen sind lesbisch, andere bisexuell.


Einigen der Kandidatinnen merkte man an, dass sie an der Show nicht nur aus romantischen Gründen teilnahmen. Viele von ihnen wollten mit ihrem Auftreten eher für lesbische und queere Sichtbarkeit im Fernsehen sorgen. Gea beispielsweise sah sich selbst als Sprachrohr der queeren Community und vertrat offensiv die Position, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe. Die Kandidatin Miri wiederum erzählte, sie wolle ein Vorbild für Teenager vor dem Coming-out sein. Doch natürlich, das gab die Kandidatin Wiki in einem Podcast des Missy Magazine zu, ging es auch – und gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie – darum, zu feiern und ein paar Follower auf Instagram abzugreifen.


Die Coming-out-Geschichten der Teilnehmerinnen wurden des Öfteren zum Thema. Die taffe Lou outete sich bereits mit 15 Jahren, während Kati erzählte, ihre Eltern würden die Show ignorieren, auch wenn sie von der Teilnahme ihrer Tochter wüssten. Bine ist in ihrem Arbeitsumfeld gar komplett ungeoutet.


Begeisterung für die Show ließ sich vor allem in sozialen Medien beobachten. Viele Frauen berichteten in Postings davon, von der Sendung dazu inspiriert worden zu sein, sich die Haare abzuschneiden, öffentlich Händchen zu halten oder feminin zu sein, trotz der Vorurteile gegen feminine Frauen in der lesbischen Szene, von denen Lou in der Online-Talk­sendung »Auf Klo« berichtete.


Beim Symposium »Psychoanalyse und lesbische Sexualität«, das 2020 in Berlin stattfand, wurde des Öfteren moniert, dass gerade der sexuelle Aspekt in den Vorträgen fehle. Was in der wissenschaftlichen und auch aktivistischen Debatte meist unter den Tisch fällt, wurde bei »Princess Charming« ganz unverblümt angesprochen. »Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie gerne leckt ihr?« fragte Irina in einer Folge, und unter den Kandidatinnen ließ sich kaum eine finden, die nicht bekundete, es gerne zu tun. Das ewige Vorurteil über les­bischen Sex, dass ja der Penis ein Desiderat darstelle, wurde bündig widerlegt: »Wir müssen nichts ersetzen, weil, ich bin ja schon komplett in meiner Sexualität und die andere Person auch«, so Wiki. Die Lust von Frauen stand im Mittelpunkt, voyeuristisch oder gar an ein männliches Publikum anbiedernd wurde es nicht.


Die für das Fernsehen ungewöhn­liche Ehrlichkeit, mit der die Zweifel und Unsicherheiten der Kandidatinnen zur Sprache kamen, war erfrischend. Das Format wurde allerdings vor allem dadurch gesprengt, dass auch brisante Themen verhandelt wurden, darunter zum Beispiel das Thema Konsens. Als ein Kuss zwischen Kati und Irina nicht einvernehmlich wirkte, sprach Gea das prompt an. Dass Themen, die noch vor ein paar Jahren fast nur in links­radikalen Kreisen diskutiert wurden, inzwischen selbstverständlich in ­einem so populären Rahmen vorkommen, ist beachtlich.


Ein ähnlich gelagertes Thema kam nach einem Gruppendate auf, bei dem offen und lustvoll über Sex und Sextoys gesprochen wurde. Später kam es im Haus zu einer Diskussion darüber, ob eine Vulva ein Symbol für Frauen sein sollte, sowie über das Verhältnis lesbischer Sexualität zu Transfrauen, die einen Penis haben. Gea vertrat die Meinung, auch Frauen könnten einen Penis haben, Bine hielt dagegen. Von Geas Vorwurf, es sei transphob, kategorisch auszuschließen, als Lesbe mit einer Transfrau mit Penis zu schlafen, war sie sichtlich getroffen. Unter den Kandidatinnen stimmten ihr viele zu. Miri bemerkt in einem dazwischengeschnittenen Interview, den Vorwurf der Transphobie fände sie zu hart. Als Bine während der Diskus­sion anfing, wegen der Vorwürfe zu weinen, tröstet Gea sie allerdings ­sofort. Gelöst wurde der Konflikt allerdings nicht.


Erstaunliches geschah auch in manchen Momenten, in denen die Kandidatinnen in Irinas Abwesenheit das ihnen sonst vom Format auferlegte Konkurrenzverhältnis hinter sich ließen: Die Teilnehmerinnen feierten ausgelassen zusammen im Pool und küssten sich in einer Folge gar untereinander, weil sie »horny« waren und die Stimmung »feucht«. Irina war nicht anwesend und die Kandidatinnen beschlossen, ihr nichts von den Küssen zu erzählen.


Formate wie »Der Bachelor« sind darauf ausgelegt, dass es Krach ­zwischen den Kandidatinnen gibt, das ist gewissermaßen der Kern der Sendung. Bei »Princess Charming« aber herrschte Solidarität zwischen den Kandidatinnen. Und so sexy wie hier ging es auch bei den schwulen Männern von »Prince Charming« nicht zu.
Auch sonst gingen die Teilnehmerinnen sehr wertschätzend miteinander um. Es gab keine Bloß­stellungen; wenn jemanden etwas störte, wurde es angesprochen. Besonders zu Beginn der Staffel wurde deutlich, dass einige Frauen Pro­bleme mit sich und ihrem Erscheinungsbild hatten, mit diesen Unsicherheiten aber nicht alleingelassen wurden. »Ich würde gern so stylisch aussehen wie Elsa«, sagte eine Teilnehmerin vor einem Date. »Du siehst anders stylisch aus«, war die prompte Antwort einer anderen Teilnehmerin.


Viel mehr als um die große Liebe ging es bei »Prince Charming« um die Freundschaften, die geschlossen wurden. Wenn Irina am Ende jeder Folge Kandidatinnen aus der Show schmiss, flossen immer reichlich Tränen, allerdings weniger wegen Irina, sondern weil die anderen ­Kandidatinnen traurig über den Weggang waren. Auch nach dem Dreh sind viele Freundschaften erhalten geblieben, von denen man Zeugin auf Instagram werden kann. Dort werden die Teilnehmerinnen schlicht als die »Charmings« bezeichnet.