Derek Chauvin wurde wegen Mordes an George Floyd zu mehr als 22 Jahren Haft verurteilt

Historischer Schuldspruch

Porträt Von Johannes Simon

<p>Das Video der Tat hat im Sommer vorigen Jahres eine der – zahlenmäßig zumindest – größten Protestbewegungen der US-amerikanischen Geschichte hervorgerufen.</p>

Das Video der Tat hat im Sommer vorigen Jahres eine der – zahlenmäßig zumindest – größten Protestbewegungen der US-amerikanischen Geschichte hervorgerufen. Der Polizist Derek Chauvin, der vor laufender Kamera George Floyd umbrachte, ist schon vor drei Monaten wegen Mord zweiten Grades (entspricht im deutschem Strafrecht in etwa Totschlag mit bedingtem Vorsatz) verurteilt worden. Am Freitag vergangener Woche wurde nun das Strafmaß verkündet: 22 Jahre und sechs Monate Haft. Die Anwälte von Floyds Angehörigen sprachen von einem »historischen Schuldspruch,« und einem »bedeutenden Schritt,« der in den USA vor kurzer Zeit noch undenkbar gewesen sei. Polizisten werden in den USA äußerst selten angeklagt, wenn sie im Dienst jemanden getötet haben, und fast nie verurteilt. Daran könnte sich etwas ändern, falls Geschworene, Richter und Staatsanwälte ein größeres Problembewusstsein für rassistische Polizeigewalt entwickelt haben sollten. Die Proteste haben bis weit in die gesellschaftliche Mitte hineingewirkt. Auch US-Präsident Joe Biden gestand ein, dass der Fall George Floyds auf viel größere Probleme verweist. »Es war Mord am helllichten Tag«, kommentierte er Chauvins Verurteilung vor drei Monaten. »Aber allzu viele fühlen, dass es erst dies gebraucht hat, nur damit das Justizsystem dafür sorgte, dass ein Mindestmaß an Rechenschaft abgelegt wird.«

In anderer Hinsicht fällt die Bilanz der »Black Lives Matter«-Proteste ernüchternd aus. Das Gesetzespaket, das auf Bundesebene Polizei- und Justizreformen durchsetzen sollte – der George Floyd Justice in Policing Act –, wurde vom Repräsentantenhaus verabschiedet, scheiterte aber im Senat an der republikanischen Sperrmino­rität. Auch zeichnet sich ab, dass sich die politische Stimmung wieder dreht. Bei den Vorwahlen der Demokraten für das Bürgermeisteramt in New York City vorige Woche gewann den bisherigen Ergebnissen – die Auszählung ist noch nicht beendet – zufolge der langjährige Polizist Eric Adams. Er hatte im Wahlkampf versprochen, gegen die wachsende Gewaltkriminalität vorzugehen und wieder für Sicherheit zu sorgen. Deutlich sprach er sich dagegen aus, der Polizei Mittel und Kompetenzen zu entziehen – eine der zentralen Forderung der BLM-Bewegung. Gewählt wurde Adams vorrangig in den einkommensschwachen Außenbezirken, in denen die meisten nichtweißen Bürger New Yorks leben.