Die erneute Brandschutzprüfung im Berliner Hausprojekt Rigaer 94 sorgte für Auseinandersetzungen

Feuer gegen Brand­schutzbegehung

Unterstützerinnen und Unterstützer des Berliner Hausprojekts Rigaer 94 protestierten gewaltsam gegen eine vom Bezirksamt veranlasste Brandschutzprüfung. Die Auseinandersetzung um das Gebäude hat sich in den vergangenen Wochen zugespitzt.

Kein Durchkommen gab es am 16. Juni in der Rigaer Straße im Berliner Ortsteil Friedrichshain. Unterstützerinnen und Unterstützer des linken Hausprojekts Rigaer 94 hatten dort am Vormittag Barrikaden errichtet und angezündet. Erst nach Stunden gelang es der Feuerwehr und der Polizei, diese zu löschen und zu beseitigen. In sozialen Netzwerken wurde die Aktion als »Errichtung einer autonomen Zone« bezeichnet. Damit waren die linken Aktivistinnen und Aktivisten der Polizei in gewisser Weise zuvorgekommen. Die hatte zuvor die Einrichtung einer so genannten »Roten Zone« als Demonstrationsverbotsgebiet ab demselben Tag angekündigt, um tags darauf, am 17. Juni, eine vom Bezirksamt angeordnete Brandschutzbegehung zu ermöglichen.

Die Unterstützerinnen und Unterstützer des Hausprojekts befürchteten, dass das Haus dann zumindest teilwei­se geräumt werde. Der Eigentümer hatte die in den neunziger Jahren geschlossenen Mietverträge für 14 darin befindliche Wohnungen im Mai gekündigt. Damit gibt es derzeit nur noch wenige Wohnungen mit einem laufenden Mietvertrag im Haus. Dazu kommt, dass einige Räume schon lange besetzt sind. Die Befürchtungen bewahrheiteten sich allerdings nicht: Nachdem sich die Polizei am angekündigten Termin gegen den Widerstand der Bewohnerinnen und Bewohner Zugang zu dem Haus verschafft und ein Brandschutzgutachter die Räume geprüft hatte, zog sie sich wieder zurück. Die Erleichterung in der Rigaer 94 war groß.

In einer Mitteilung, die auf verschiedenen linken Internetseiten veröffentlicht wurde, schreiben die Unterstützerinnen und Unterstützer des Hausprojekts: »Lasst uns diese Ereignisse als einen Vorschlag an alle Menschen in und außerhalb der Metropole verstehen, die anstehenden Angriffe zu beantworten. Nicht nur gegen die Rigaer 94, sondern auch gegen die Köpi, alle bedrohten Projekte und unsere Ideen, sowie jede staatliche Attacke und seine bloße Präsenz.« Sie erwähnen allerdings nicht, dass sie neben autonomer Militanz auch alle friedlichen Mittel zur Bewahrung ihres Hausprojekts eingesetzt hatten. Bereits im vorigen Jahr hatten die Hausbewohnerinnen und Hausbewohner in Diskussionen über den Brandschutz immer wieder vergeblich erklärt, dass sie selbst daran interessiert seien und feuerfeste Türen in ihr Haus eingebaut hätten – auch um auf einen rechten Brandanschlag vorbereitet zu sein.

Mitte Mai schien der Konflikt allerdings ein gütliches Ende gefunden zu haben. Die Hausbewohnerinnen und Hausbewohner hatten sich mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg darauf geeinigt, dass eine für den Brandschutz zuständige Verwaltungsbeamtin des Bezirks das Gebäude ohne die Präsenz von Eigentümervertretern oder der Polizei prüfen konnte. Die Beamtin stellte Mängel fest, die von Bewohnern und Unterstützern des Haus­projekts auf eigene Kosten und mit eigener Arbeitskraft beseitigt wurden. Dies bestätigte die Sachverständige bei zwei Nachkontrollen. Nicht verwunderlich also, dass bei der erneuten Brandschutzbegehung in der vergangenen Woche kein Anlass für eine Sperrung gefunden wurde.

Hintergrund der erneuten Begehung war, dass der namentlich nicht bekannte Eigentümer gegen die erste Brandschutzprüfung geklagt hatte: Es sei eine Gefälligkeitsprüfung zugunsten der Bewohnerinnen und Bewohner gewesen. Bei dem Versuch, eine erneute Begehung des Hauses juristisch zu verhindern, erreichten die Aktivistinnen und Aktivisten am Tag der Brandschutzbegehung, dass dem Vertreter des Hauseigentümers, der Briefkastenfirma Lafone Investments Limited, das Betreten des Hauses gerichtlich verboten wurde.

»Es ist vollkommend absurd, dass wegen einer schon geklärten Brandschutzfrage ein so riesiger Polizeiansatz stattfindet«, sagte Niklas Schrader, der innenpolitische Sprecher der Fraktion der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus, zu der Aktion. Die AfD, die CDU sowie Tom Schreiber, SPD-Politiker und Mitglied im Abgeordnetenhaus Berlin, zeigten sich dagegen empört da­rüber, dass das Hausprojekt noch immer nicht geräumt ist. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte am Tag nach der Brandschutzprüfung, dass er das Anliegen des Eigentümers, das Haus zu räumen, unterstütze. Das Problem sei nur rechtsstaatlich zu lösen. Der Eigentümer des Hauses erwägt nach einem Bericht des Tagesspiegels, polizeiliche Unterstützung zu beantragen, um die Identität der Bewohnerinnen und Bewohner feststellen zu ­lassen. Nur mit diesen Informationen könnte ein Räumungsurteil durchzusetzen sein.

34 Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen versuchten Totschlags, tätlichen Angriffs und gefährlicher Körperverletzung, wurden mittlerweile gegen Autonome eingeleitet. Die Vorwürfe beziehen sich vor allem auf die militante Verteidigung des Gebiets um das Projekt, aber auch auf eine Demonstration am folgenden Tag. Die Unterstützerinnen und Unterstützer der Rigaer 94 sehen die Aktion trotz dieser Ermittlungen als Erfolg. In den vergangenen Jahren habe man oft tatenlos mitansehen müssen, wie die Räume linker Projekte geräumt wurden. Dieses Mal habe man selbstbestimmt die Konfrontation gesucht, sagen sie.