Deutschland sagt zu, geraubte Benin-Bronzen an Nigeria zurückgeben

Einmal Benin hin und zurück

Nach jahrelangen Debatten hat Deutschland als erstes Land angekündigt, geraubte Kunstwerke aus dem ehemaligen Königreich Benin an das heutige Nigeria zurückgeben. Einige Beobachter hegen Zweifel, ob die Rückgabe vollständig erfolgen wird.

Besser spät als nie: Die Ankündigung, dass Deutschland im nächsten Jahr die ersten der sogenannten Benin-Bronzen zurückgeben werde, sorgte kurz für Aufsehen in der langen Debatte über die Restitution geraubter Kunstwerke und anderer Objekte aus der Kolonialzeit. Bei den Bronzen handelt es sich größtenteils um wertvolle Menschen- und Tierfiguren sowie Reliefs, die aus Messing gegossen wurden. Rund 1000 ­dieser Bronzen befinden sich in Besitz deutscher Museen.

»Sie haben jahrzehntelang davon profitiert. Sie haben kein Recht, Teile davon zu behalten.« Victor Ehighale Ehikhamenor, Vorstandsmitglied des Legacy Restoration Trust

Ende April hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Online-Konferenz unter Leitung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Sie stimmten darin überein, dass der Umgang mit den Benin-Bronzen »ein entscheidender Baustein für den Umgang Deutschlands mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten« sei, und bekräftigten »ihre grundsätzliche Bereitschaft zu substantiellen Rückgaben«.

»Wir stellen uns der historischen und moralischen Verantwortung, Deutschlands koloniale Vergangenheit ans Licht zu holen und aufzuarbeiten«, sagte Grütters. Der Umgang mit den Benin-Bronzen sei dafür »ein Prüfstein« und die Erklärung »eine historische Wegmarke«.

Am Gespräch beteiligten sich die Leitungen der deutschen Mitgliedsmuseen der Benin Dialogue Group, die zuständigen Kulturminister der Länder, die Stadt Köln als Trägerin des Rautenstrauch-Joest-Museums sowie das Auswärtige Amt. Der vor über ­zehn Jahren ins Leben gerufenen Benin Dialogue Group gehören auch der Königshof Benin, der nigerianische Bundesstaat Edo und die Nationale Kommission für Museen und Monumente Nigeria sowie Museen mit bedeutenden Sammlungen der Bronzeskulpturen in Großbritannien, Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Österreich an. Museen in Frankreich und den USA besitzen ebenfalls große Sammlungen, beteiligen sich aber nicht an der Benin Dialogue Group.

Die Verhandlungspartner in Nigeria und Museen aus dem europäischen Ausland nahmen nicht an der Konferenz teil. Ziel war es nach Informationen der Kulturstaatsministerin, »eine abgestimmte Haltung in Deutschland zu entwickeln« und zu »einer gemeinsamen Verständigung mit der nigerianischen Seite zu gelangen«. Wenn man bedenkt, dass die Benin Dialogue Group noch vor einigen Jahren an einem Regelwerk gearbeitet hatte, das rotierende Leihgaben ermöglichen und sie gegen Beschlagnahmungen durch den nigerianischen Staat absichern sollte, dann ist die aktuelle Erklärung bemerkenswert. Gleichwohl bleibt auch jetzt offen, wie umfangreich die »substantiellen Rückgaben« sein sollen und wer über die Auswahl entscheidet.

Die Verantwortlichen haben lediglich vereinbart, bis Mitte Juni Bilder der rund 1 000 Bronzen online zu stellen und bis Ende des Jahres deren Herkunft zu dokumentieren. 2022 sollen in einem weiteren Schritt alle Werke des weltweit verteilten Raubgutes digital dokumentiert werden. Die Online-Plattform »Digital Benin«, die für diesen Zweck angelegt wurde und zu der das Hamburger Museum am Rothenbaum gehört, soll den Kollegen in Nigeria, so die Vereinbarung, als Basis für die Ausstellungskonzeption des geplanten Edo Museum of West African Art (EMOWAA) in Benin-Stadt dienen.

Victor Ehighale Ehikhamenor sagte in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau, die ehemaligen Kolonialstaaten dürften keine Bedingungen für die Rückgabe stellen. Der Künstler ist Vorstandsmitglied des nigerianischen Legacy Restoration Trust, einer unabhängigen Stiftung, die sich um die Aufnahme und die Verteilung der zurückgegebenen Kunstwerke sowie um den Bau des EMOWAA in Benin-Stadt kümmert. »Wenn man gestohlenes Gut erwirbt, ist das ein Vergehen. Das gilt so gut wie überall auch heute noch. Wer Hehlerware erwirbt, kann nicht über deren Zukunft entscheiden, er muss sie zurückgeben«, so Ehikhamenor. Die deutschen Museen hätten von Anfang an gewusst, dass sie gestohlene Kunstwerke kauften. »Sie haben jahrzehntelang davon profitiert. Sie haben kein Recht, Teile davon zu behalten.«

Die Kunstwerke stammen aus der einstigen Hauptstadt des Königreichs Benin, die heute im Bundesstaat Edo in Nigeria liegt, und gehörten der Königsfamilie. Die Könige und Adligen von Benin bezahlten Kunsthandwerker für die Darstellung wichtiger Ereignisse in der Geschichte des Königreichs. In aufwendigen Bronzeskulpturen und Schnitzwerken aus Elfenbein und Holz bildeten sie die Monarchen oder andere Würdenträger ab.

Eine Truppe britischer Soldaten sowie Söldner aus Liberia und Ghana griffen die Stadt 1897 mit Maschinengewehren an. Schon lange war das britische Empire darauf erpicht, freien Zugang zur Stadt und zum Handel zu bekommen – sowie den König abzusetzen. Der Historiker Philip Aigbona Igbafe geht davon aus, dass die vorhandenen Schätze bekannt und als Raubgut zur Finanzierung des militärischen Angriffs eingeplant waren. Kurze Zeit nach der britischen Invasion tauchten die Kunstwerke in London und Hamburg auf. Insgesamt sollen 3000 bis 5000 Objekte geplündert worden sein.

Die Verantwortlichen versprechen in der Erklärung, »zeitnah und koordiniert weitere Gespräche mit der nigerianischen Seite über Rückführungen und künftige Kooperationen zu führen«. Dabei wolle man auch eine Verständigung mit den nigerianischen Partnern darüber anstreben, wie Benin-Bronzen auch weiterhin in Deutschland gezeigt werden könnten.

»Ich muss gestehen, dass ich überrascht war, als ich von der Entscheidung der deutschen Behörden hörte«, schreibt der Journalist Kwame Opoku, ein langjähriger Beobachter der Restitutionsdebatte, in einem Beitrag für das Nachrichtenportal Modern Ghana. Zwar hätten die Behörden Andeutungen gemacht, doch die Verlautbarungen seien in der Vergangenheit widersprüchlich und uneindeutig gewesen. Er wolle abwarten, welche Taten den Ankündigungen folgen. »Man kann so wenig Vertrauen in europäische Regierungen und Institutionen haben, was die Rückgabe von geraubten afrikanischen Artefakten angeht«, klagt Opoku – wohl in Hinblick darauf, dass nigerianische Politikerinnen und Politiker seit vielen Jahrzehnten versuchen, die Bronzen zurückzuholen.