Eine Hommage an Cher zum 75. Geburtstag

Beiläufig feministisch

Cherilyn Sarkisian, besser bekannt als Cher, hat sich nie darauf reduzieren lassen, ein Patchwork der Minderheiten zu repräsentieren. Dabei hätte sich ihr Lebenslauf dafür durchaus geeignet. Eine Hommage anlässlich ihres 75. Geburtstages.

Als George Millers Film »Die Hexen von Eastwick« 1987 in die Kinos kam, wurde er als launige Horrorkomödie wahrgenommen, obwohl er zugleich ein sympathisch liberaler Beitrag zur damaligen Zeitgeschichte war. Miller erzählt darin die Geschichte von Alex Medford, Jane Spofford und Sukie Ridgemont, drei Frauen um die 40, die wegen ihres Junggesellinnendaseins in ihrem spießigen neuenglischen Heimatort Eastwick als Eigenbrötlerinnen gelten. Alex, gespielt von Cher, arbeitet als Bildhauerin, Jane (Susan Sarandon) hat die Scheidung hinter sich, und Sukie (Michelle Pfeiffer), die für die Lokalzeitung arbeitet, erzieht ihre Kinder ohne Vater. Bei einem ihrer Kaffeekränzchen kommt den Freundinnen der Einfall, die Hexenkräfte, die Frauen doch als naturgeschicht­liches Erbe in den Schoß gelegt worden seien, auszuprobieren und mit Hilfe von Naturstoffen den Traumprinzen zu schaffen.

Die Filme, durch die Cher seit den achtziger Jahren bekannt geworden ist, sind ebenso wie sie selbst
einer heute antiquiert erscheinenden Moderne verbunden, die soziale, ethnische und sonstige Vielfalt geschätzt, aber nicht fetischisiert und schon gar nicht zum identitären Gefängnis gemacht hat.

Es gelingt ihnen tatsächlich, und als Ergebnis tritt Daryl Van Horne (Jack Nicholson) in ihr Leben. Der erweist sich allerdings als Teufel, versucht die drei Frauen gegeneinander auszuspielen, um sich mit jeder von ihnen nach Belieben vergnügen zu können, und verwandelt das Kaffeekränzchen in einen Hort von Amoralität und Gemeinheit. Als Felicia (Veronica Cartwright), die puritanische Ehefrau von Sukies Chef, infolge von Daryls Intrigen umkommt, entscheiden sich die drei Frauen, ihre Solidarität zu erneuern, um den dämonischen Verführer, der sich immer mehr als brutaler Egomane erweist, wieder loszuwerden. Der Exorzismus gelingt; doch jede der drei Frauen empfängt als ambivalentes Erbe ihrer Begegnung mit dem Bösen ein Kind.

»Die Hexen von Eastwick« ist ein so freundlicher, im besten Sinn harmloser Film, dass er heutzutage vermutlich von sämtlichen Queer­feministen Amerikas dekonstruktiv zerlegt und moralisierend benörgelt würde. Tatsächlich sind fast alle im Feminismus der achtziger Jahre virulenten Themen gegenwärtig, ohne dass es deshalb ein politischer Film wäre: die Stigmatisierung alleinerziehender Mütter; die Vorbehalte gegen Frauen, die im mittleren Alter noch das Alleinsein einer Partnerschaft vorziehen; aber auch die Neigung von Frauengruppen, Männer und das, was sie sozial repräsentieren, aus dem eigenen Kreis auszuschließen, sowie ihre Sympathien für Esoterik. Am Ende des Films steht weder ein Plädoyer für tradierte Geschlechterrollen noch eine geschlechter­politische Utopie, sondern, darin ganz der Dramaturgie von Hollywood verpflichtet, ein realistischer Kompromiss. Die Reue der drei Frauen über den Tod der ihnen eigentlich verhassten Felicia ist echt und führt sie zu der Einsicht, dass die eigenen Wünsche am ehesten verwirklicht werden können, wenn man sie mit den Erfordernissen des praktischen Lebens vermittelt. Die Mutterschaft der drei erscheint nicht als Strafe für weibliche Anmaßung, sondern als etwas, dem die Frauen sich werden stellen müssen und mit dem sie, auch ohne Hilfe von Männern, zurechtkommen werden.

Dass Cher in diesem Film die Gegenspielerin Jack Nicholsons ist, ­entsprach ihrem damaligen Image. Bevor sie als Filmschauspielerin ­bekannt wurde, waren sie und ihr damaliger Partner, der Schauspieler und Sänger Sonny Bono, von 1965 an fast zehn Jahre lang als das Duo Sonny  her aufgetreten. Zunächst beschränkte sich die Zusammenarbeit auf musikalische Performances, ab 1971 traten beide in der »Sonny  Cher Comedy Hour« im Fernsehen auf. Die Trennung beider, nach der Cher jahrelang um das Erziehungsrecht für ihr gemeinsames Kind und um finanzielle Anteile an der früheren gemeinsamen Karriere kämpfte, wurde als öffentlicher Rosenkrieg ausgetragen. Ihre Tochter Chastity, die 1969 zur Welt gekommen war, lebte bis 2008 offen lesbisch und unterzog sich dann geschlechterangleichenden Maßnahmen, um als transsexueller Mann mit dem Namen Chaz zu leben.

Dass Cher Chaz auf diesem Weg unterstützt und auch sein Engagement für transsexuelle Identitätspolitik verteidigt hat, müsste sie ­eigentlich zur Ikone des Queer-Milieus disponieren. Dass sie eine solche Ikone nie geworden ist, verdankt sich vielleicht gerade ihrer politischen Naivität, die sie auch in vielen ihrer abstrusen öffentlichen Äußerungen gezeigt hat. So hat Cher sich nie gegen die Begeisterung zur Wehr gesetzt, die ihrer Wandlungsfähigkeit entgegengebracht wird, weil sie als Tochter eines armenischen Vaters und einer französisch-, irisch- und womöglich indianischstämmigen Mutter lebender Beweis für das linke Missverständnis sei, dass der amerikanische melting pot ethnische Unterschiede nicht einschmelze, sondern erst zur Geltung bringe. Sie hat die identitätspolitische ­Vereinnahmung aber auch nicht ­gefördert.

Die Filme, durch die Cher seit den achtziger Jahren bekannt geworden ist, sind ebenso wie sie selbst einer heute antiquiert erscheinenden Moderne verbunden, die soziale, ethnische und sonstige Vielfalt geschätzt, aber nicht fetischisiert und schon gar nicht zum identitären Gefängnis gemacht hat. Die Regisseure, mit ­denen Cher zusammenarbeitete, gehören nicht in die Vorgeschichte des postmodernen Diversitäten-Kinos, sondern des von jüdischen, ost- und südeuropäischen Einwanderern ­geprägten New Hollywood-Films. Sowohl Mike Nichols’ Gewerkschaftsdrama »Silkwood« (1983) als auch ­Peter Bogdanovichs 1985 entstandener Film »Die Maske«, in dem Cher die Mutter eines in seinem Gesicht entstellten Jungen spielt, und Norman Jewisons Komödie »Mondsüchtig« (1987), die im italienischen Einwanderermilieu angesiedelt ist, behandeln kulturelle, soziale und körperliche Unterschiede nicht als zu bewahrendes Erkennungsmerkmal ihrer Protagonisten, sondern als ­Gegebenheiten, an denen sich zunächst nichts ändern lässt und mit denen umzugehen ist, damit die Menschen auf die eine oder andere Art glücklich leben können. In dieser Hinsicht haben ihre damaligen Filme mehr mit denen des in den Achtzigern erfolgreichen New British Cinema (Stephen Frears, Neil Jordan, Alan Parker) gemein als mit dem Identitätskino der folgenden Jahrzehnte.

Auch Geschlechterpolitik (zweifellos würde Cher sich als Feministin bezeichnen) gerät in ihrem Werk nicht dogmatisch, sondern beiläufig in den Blick. Ihr 1966 auf dem Album »The Sonny Side of Cher« erschienenes Lied »Bang Bang«, das im gleichen Jahr Nancy Sinatra coverte und dessen verzweigte Rezeptionsgeschichte bis ins Homosexuellen­milieu der achtziger Jahre reicht, ist nicht einfach eine Anklage einer bösen Männerwelt, die Frauen übervorteile, sondern entfaltet in wenigen Strophen die Mädchen von klein auf anerzogene Erfahrung, dass diejenigen, die sie lieben, immer auch diejenigen sein werden, von denen sie abhängig sind, als naturgeschichtlichen Herrschaftszusammenhang. Dass Cher in den vergangenen Jahrzehnten, in denen sie immer wieder ihren endgültigen Rückzug ankündigte, um danach in neuen Phantasiekostümen ihr Comeback zu voll­ziehen, eher von ihrem älteren Erbe gezehrt als etwas Neues vollbracht hat, ist kein Nachteil. Denn das Überkommene, für das sie steht, repräsentiert verglichen mit der Gegenwart das Bessere. Darin ähnelt sie Madonna, gerade weil sie sich von ihr unterscheidet. Vielleicht sollte man aus Anlass des Geburtstags von Cher ihre Stücke und die Madonnas abwechselnd spielen.