Vorläufiger Abschied vom Berliner Mietendeckel

Am Ende des Deckels steht der Wahlkampf

Kommentar Von André Anchuelo

Nachdem das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche den Berliner »Mietendeckel« für nichtig erklärt hat, sollte die Mieterbewegung zur Bundestagswahl lautstark die Wohnungsfrage stellen.

»Es herrscht Klassenkrieg, und die Klasse der Reichen gewinnt«, sagte einst der Multimilliardär Warren Buffett. Eine weitere gewonnene Schlacht verbuchte diese Klasse am Donnerstag vergangener Woche. Da erklärte das Bundesverfassungsgericht das »Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin«, kurz Mietendeckel genannt, für »mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig«. 284 Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und FDP hatten das Normenkontrollverfahren beantragt.

Nun könnte man es wenig überraschend finden, dass das oberste Gericht eines Staats wie der Bundesrepublik Deutschland einen solchen Beschluss fasst – schließlich kennt das Grundgesetz zwar ein Recht auf Eigentum, aber kein explizites Recht auf Wohnen. Etwas vertrackter ist die Sache aber schon. Denn mit dem eigentlichen Inhalt des Gesetzes haben sich die Mitglieder des Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gar nicht befasst. Das Gesetz verpflichtete Vermieter und Vermieterinnen von Privatwohnungen für einen begrenzten Zeitraum dazu, auf Mieterhöhungen zu verzichten, bei Neuvermietungen Obergrenzen einzuhalten sowie überhöhte Mieten abzusenken. Doch das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Land Berlin schlicht nicht zuständig ist, weil der Bund diesen Bereich bereits abschließend geregelt habe – unter anderem durch die seit 2015 geltende »Mietpreisbremse«. Das heißt aber nicht, dass es keine weiteren Regulierungen mehr geben dürfe, es heißt nur, dass solche – nach Ansicht des Gerichts – allein vom Bund erlassen werden können.

Die Hüter des privaten Betongoldes, also die Immobilienwirtschaft und die von ihr durch üppige Spenden alimentierten Parteien CDU/CSU und FDP, jubelten nach Bekanntwerden des Beschlusses, es sei doch von vornherein klar gewesen, dass der Deckel verfassungswidrig sei. Das ist allerdings nicht der Fall: Zuvor hatten verschiedene juristische Gutachten sowie Urteile unterer Instanzen durchaus vermuten lassen, dass die Entscheidung auch anders hätte gefällt werden können. Was allerdings stimmt: Politisch ist die Karlsruher Entscheidung eine Niederlage für den rot-rot-grünen Berliner Senat. Finanziell wird sie vor allem für diejenigen, für die das Betongold der Eigentümer das gemietete Dach über dem Kopf bedeutet, ein harter Schlag, erst recht in der Pandemie. Viele müssen nun innerhalb weniger Tage ihren Vermietern teils hohe Differenzbeträge nachzahlen; anderenfalls droht manchen sogar die Kündigung der Wohnung.

Der Senat wollte mit dem Mietendeckel das in Berlin besonders virulente Problem der explodierenden Mieten zumindest abschwächen, wofür die Mietpreisbremse eben gerade nicht ausreichte. Zugleich war es der Versuch, eine immer größer und radikaler werdende außerparlamentarische Bewegung von Mieterinnen und Mietern zu befrieden. Vor allem die SPD hatte damit der Initiative zur Vergesellschaftung großer privater Wohnungskonzerne den Wind aus den Segeln nehmen wollen.

Praktischerweise sammelt die Kampagne »Deutsche Wohnen  o enteignen!« seit einigen Wochen Unterschriften für ein derartiges Volksbegehren. Es bekommt durch das Scheitern des Mietendeckels auf Landesebene neuen Schub. SPD, Grüne und Linkspartei könnten den Mietendeckel zum Wahlkampfthema bei der Bundestagswahl im September machen. Helfen wird das alles freilich nur, wenn die Mieterbewegung den Druck von unten weiter erhöht. Sonst darf sich die Klasse der Eigentümer im September über die nächste gewonnene Schlacht freuen.