Small Talk mit Nikolai Huke über dessen Studie »Ganz unten in der Hierarchie. ­Rassismus als Arbeitsmarkthindernis für Geflüchtete«

»Der Geflüchtete wird oft entlassen«

Small Talk Von Peter Nowak

Anfang Dezember veröffentlichte Nikolai Huke die Studie »Ganz unten in der Hierarchie. Rassismus als Arbeitsmarkthindernis für Geflüchtete«. Der Autor, der am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Tübingen tätig ist, hat mit der »Jungle World« ge­sprochen.

Wie zeigt sich der Rassismus, den Sie in Ihrer Studie beschreiben, und wie wirkt er sich auf den Zugang zur Arbeitswelt aus?

Private Vermieter lehnen Mieter teilweise mit explizit rassistischen Verweisen auf die Hautfarbe ab. Deshalb müssen einige Geflüchtete länger in Flüchtlingsunterkünften unterkommen. Die Bedingungen dort – Stress und Lärm, keine Privatsphäre, keine ruhigen Lern­orte – erschweren es wiederum, eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Ein anderes Beispiel ist Rassismus in Berufsschulen. Geflüchtete, die von Mitschülern oder Lehrenden abgewertet werden, haben teilweise Angst, die Schule zu besuchen. Die alltägliche Erfahrung, rassistisch ausgegrenzt zu werden und gefühlt wenig dagegen tun zu können, ist ein Stressfaktor, der andauernd Energie verbraucht, die anderswo im Leben dann fehlt.

Herrscht im Arbeitsleben selbst weniger Rassismus?

Das würde ich so eindeutig nicht sagen. Wir hatten in unseren ­Interviews auch Fälle von Rassismus in Betrieben. Ein sehr plastisches Beispiel ist eine Arbeitskolonne, die auf einer Baustelle tätig war, weit von der Stadt entfernt, in der der Betrieb angesiedelt ist. Die Kollegen haben den Geflüchteten einfach allein auf der Baustelle zurückgelassen und sind ohne ihn zurückgefahren. Trotz solcher Beispiele gibt es in Betrieben bestimmte Mechanismen, die eine gewisse Annäherung der Beschäftigten notwendig machen: So muss man etwa pragmatisch zusammenarbeiten und dazu notgedrungen über persönliche Aversionen hinwegsehen.

In der Studie wird ein Unternehmer aus Bautzen erwähnt, der seinen Rassismus über wirtschaftliche Interessen stellt und weder Polen und Tschechen noch Flüchtlinge beschäftigen will, auch wenn es seinem Betrieb schadet. Ist das eine Ausnahme?

Das ist schon ein sehr extremes Beispiel. Häufiger gibt es Fälle, in denen die Einstellung eines Geflüchteten aufgrund rassistischer Ansichten der Kollegen zu Konflikten in der Belegschaft führt und der Geflüchtete dann am Ende entlassen wird. Die Personalverantwortlichen schlagen sich in den Konflikten oft auf die Seite derjenigen, die rassistisch diskriminieren, statt die Betroffenen zu ­unterstützen. Ein Berater berichtete von einem Fall, in dem der Inhaber eines kleinen Unternehmens ziemlich verzweifelt sagte: Ich kann nicht alle anderen Mitarbeiter entlassen, weil ich den einen Geflüchteten beschäftigen möchte.

Einer der Mitherausgeber Ihrer Studie ist die IG Metall, Pro Asyl der andere. Welche Rolle können Gewerkschaften bei der Integration von Geflüchteten spielen?

Sich gegen Rassismus in der Arbeitswelt zur Wehr zu setzen, wird Geflüchteten erschwert durch befristete Aufenthaltstitel, prekäre ­Lebenslagen und ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse, in ­denen geltende Rechte für Arbeitnehmer praktisch nicht einklagbar sind. Eine Aufgabe für Gewerkschaften wäre es, sich dieser Pro­bleme noch stärker als bisher anzunehmen. Das Problem dabei ist, dass Gewerkschaften in Betrieben oft umso weniger präsent sind, je prekärer die Beschäftigungsverhältnisse und auch die Lebenslagen der Beschäftigten sind. Hinzu kommt, dass sich Gewerkschaften zwar öffentlich deutlich gegen Rassismus positionieren, die Arbeitswelt aus der Perspektive von Geflüchteten mit Rassismuserfahrungen zu sehen, fällt ihnen dennoch manchmal schwer.