CDU und Linkspartei mussten ihre Parteitage wegen der Covid-19-Pandemie verschieben

Parteitag ausgemerzt

Friedrich Merz’ Überzeugung, der Parteitag der CDU in Stuttgart sei verschoben worden, um seine Wahl zum Vorsitzenden zu verhindern, löste teils irritierte, teils belustigte Reaktionen aus. Die Linkspartei, die ihren für Ende Oktober geplanten Parteitag ebenfalls wegen der Entwicklung der Covid-19-Infektionszahlen verschoben hat, kann von solcher Aufmerksamkeit derzeit nur träumen.

Die Covid-19-Pandemie zehrt an den Nerven. Jüngst an denen von Friedrich Merz, der sich über die Verschiebung des für Anfang Dezember geplanten CDU-Parteitags in Stuttgart empörte. Das Problem scheint manche an ihre Schulzeit zu erinneren. »Das ist so, wie wenn man sich auf eine Prüfung vorbereitet, und dann wird der Prüfungstermin verschoben. Dann ist man natürlich sauer«, erklärte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, die Äußerungen seines Parteikollegen. Schon damals hatten die verständigeren Mitschüler eine Prüfungsverschiebung mit Erleichterung aufgenommen, nur der Klassenstreber war verärgert, seine Eins nicht wie geplant abliefern zu können.

Der Parteitag soll einen Nachfolger für die scheidende Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer bestimmen. Offenbar ging man in der Partei bei der ersten Verschiebung im April davon aus, dass die Covid-19-Pandemie im Winter bereits überstanden sein werde. Der Bundesvorstand begründete die Absage mit den steigenden Infektionszahlen. Merz jedoch sieht sich als Opfer einer Verschwörung. Beachtliche Teile des Partei-Establishments hätten das Finale der Aktion »Merz verhindern« eingeleitet, sagte er in diversen Interviews. Da konnte selbst der konservative FAZ-Kommentator Jasper von Altenbockum sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Den beiden anderen Kandidaten, Armin Laschet und Norbert Röttgen, die beide in einer kürzlich erhobenen Umfrage bei CDU-Mitgliedern zu ihrem Wunschkandidaten hinter Merz rangieren, dürfte eine Verschiebung tatsächlich nicht ungelegen kommen. Ungewöhnlich wäre ein solches Taktieren im Politikbetrieb auch nicht. Dumm nur, dass die CDU von ihrem Image als einzig verbliebene große Volkspartei nur so lange profitiert, wie ihre Vertreter sich nicht öffentlich zerfetzen. Wie der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am Samstag mitteilte, haben sich die glorreichen drei allerdings doch noch verständigt. Dem Bundesvorstand wollen sie einen Präsenzparteitag oder eine digitale Variante für Mitte Januar vorschlagen.

Auch die Linkspartei musste ihren für Ende Oktober geplanten Parteitag in Erfurt verschieben. Zur Wahl stand mit Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler eine weibliche Doppelspitze für die Ablösung der beiden seit 2012 amtierenden Vorsitzenden, Katja Kipping und Bernd Riexinger. Hennig-Wellsow hat als Landes- und Fraktionsvorsitzende in Thüringen unter Ministerpräsident Bodo Ramelow Regierungserfahrung gesammelt und erlangte im Februar eine gewisse bundesweite Bekanntheit, als sie im thüringischen Landtag Thomas Kemmerich (FDP), nachdem dieser mit den stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, einen Blumenstrauß vor die Füße warf. Sie war danach daran beteiligt, ihn zum Rücktritt zu drängen.

Wissler, deren Lieblingsplatz ohnehin in der Opposition ist, führt die hessische Linksfraktion an. Im Bund ist sie stellvertretende Parteivorsitzende. Anlässlich ihrer Kandidatur für den Parteivorsitz hat sie pro forma unter anderem ihre Mitgliedschaft in der parteiinternen trotzkistischen Gruppe »Marx 21« beendet. Als Parteivorsitzende würde Hennig-Wellsow die ostdeutschen Landesverbände und den »regierungslinken« Parteiflügel repräsentieren, Wissler die westdeutschen Verbände und den »bewegungslinken« Flügel. Die Positionen der beiden bezüglich einer möglichen Mitte-links-Regierung sollen Hennig-Wellsow zufolge dennoch »nicht so weit auseinander« liegen.

Niemand würde deshalb in der Linkspartei Wissler so sehr verhindern wollen, wie es Merz in seinem Fall der CDU-Spitze unterstellt. Schon gar nicht träfe so etwas auf Bernd Riexinger zu, der zuletzt auf einem Strategietreffen in Kassel darüber witzelte, die Bonzen nach der Revolution lieber in Arbeitslager zu stecken, als sie erschießen zu lassen.