Ein Rechtsextremer droht linksalternativen Gruppen in Wiesbaden und Mainz mit Gewalt

Einschüchtern klappt nicht

Das linksalternative Café Klatsch in Wiesbaden und ein kulturpolitisches Zentrum in Mainz erhielten jüngst rechtsextreme Drohschreiben. Der Verfasser kündigt nicht nur Gewalttaten gegen die beiden Einrichtungen an, sondern auch gegen weitere Gruppen und Personen.

Es war nicht das erste Mal: Erneut erhielten das linksalternative Café Klatsch in Wiesbaden und ein weiteres kulturpolitisches Zentrum in Mainz rechtsextreme Drohschreiben. Bereits im Februar 2019 waren anonyme Schreiben ähnlichen Stils bei beiden Einrichtungen eingegangen (Ein rechtsextremes Halali). Damals hatten der oder die Schreiber mit der Ermordung von Migrantinnen und Migranten sowie einer »gnadenlosen Jagd« auf alle gedroht, die Flüchtlingen helfen.

Die neuen Drohungen sind noch schärfer als die vorherigen. Der anonyme Absender bedroht in den beiden Schreiben von Ende August namentlich einen bekannten Wiesbadener Aktivisten und droht nicht nur den beiden Einrichtungen in Wiesbaden und Mainz, sondern auch anderen Gruppen mit Gewalt. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz berichteten Vertreterinnen und Vertreter des Wiesbadener Bündnisses gegen rechts (BgR), des Kollektivs des Café Klatsch, von Fridays for Future, Black Lives Matter, Welcome United und der evangelischen Kirche Anfang September über die Drohungen. Es sind 42 Zeilen voller Hass auf Migranten, Linke und die Kirche, da diese Schiffe zur Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer finanziere.

Das Drohschreiben besteht aus 42 Zeilen voller Hass auf Migranten, Linke und die Kirche, da diese Schiffe zur Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer finanziere.

»Uns ist es wichtig, dass wir hier Schulter an Schulter stehen und sagen: Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir zeigen klare Kante gegen rechts«, eröffnete Nele Kleinehanding vom BgR die Pressekonferenz. Sie vertrat das BgR, in dem etwa 20 linke, anarchistische und autonome Gruppen, Kollektivbetriebe, Kulturinitiativen, Umweltgruppen und Parteien organisiert sind. Michael Wilk vom Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden stufte das Schreiben als »einen besonders widerwärtigen ­Versuch der Einschüchterung« ein. Im Vergleich zu dem Drohbrief von 2019 habe sich der Fokus verschoben. »Dieses Mal ist ausdrücklich die breite Zivil­gesellschaft erklärtes Ziel eines Szenarios, das vor Gewalt und menschenverachtenden Phantasien nur so strotzt.« Man nehme die Drohungen ernst, da der Brief detailliert Bezug auf den Anschlag von Hanau und den Täter, Tobias R., nehme.

Die Polizei hat ein Strafverfahren eingeleitet, der Staatsschutz ermittelt. Allerdings sehen manche gerade die Rolle der Polizei kritisch. So sagte Nele Kleinehanding der Jungle World, der Drohbrief sei von Beamten des 3. Polizeireviers von Wiesbaden abgeholt worden. Dieses sorgt jedoch seit Monaten für Schlagzeilen, weil dort personenbezogene Daten unter anderem der Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im hessischen Landtag, Janine Wissler, abgerufen wurden, die später in Drohmails des sogenannten NSU 2.0 auftauchten.

Auch die Drohschreiben aus dem Jahr 2019 waren der Polizei übergeben worden. »Wir haben bis jetzt nichts gehört. Wurde ermittelt? Gibt es Ermittlungsergebnisse? Wir haben einfach keine Rückmeldung bekommen«, kritisiert Kleinehanding. In einer Passage des neuen Drohschreibens schreibt der Verfasser darüber hinaus vom Hass Uniformierter auf Flüchtlinge und Linke und erwähnt in diesem Zusammenhang unter anderem antirassistische Aktionen im benachbarten Ingelheim in Rheinland-Pfalz. Dort war die Polizei am 15. August im Zuge einer Demonstration der Nazipartei »Die Rechte« mit unverhältnismäßig schwerer Gewalt gegen antifaschistische ­Gegendemonstrantinnen und -demonstranten vorgegangen.

Das Drohschreiben richtet sich unter anderem auch gegen die Bewegung ­Fridays for Future und Sympathisanten der US-amerikanischen Bewegung Black Lives Matter. Dies verdeutliche, dass es keinesfalls um einen Randkonflikt gehe, so Wilk: »Ziel und Objekt der faschistischen Begierde ist die Breite der Gesellschaft.« Die Zivilgesellschaft müsse deshalb antworten. »Wir werden uns nicht einschüchtern lassen, sondern unsere Antwort wird sein, dass wir weiter für Geflohene eintreten, Rettungsschiffe entsenden, uns für Minderheiten einsetzen und gegen eine Radikalisierung der Gesellschaft nach rechts eintreten«, sagte Wilk auf der Pressekonferenz.

Lefteris Frey, der in den achtziger und neunziger Jahren zum Kollektiv des Café Klatsch gehörte und es mittlerweile als Gast besucht, machte klar, dass ein Ziel des Briefs sei, die Gäste des Cafés einzuschüchtern und sie von ihrem politischen Engagement abzuhalten. »Wir alle, die das Café Klatsch jeden Tag besuchen, werden trotz ­solcher Drohungen weiterhin politisch aktiv sein.« Er appellierte an die Wies­badenerinnen und Wiesbadener, in den kommenden Wochen und Monaten das Lokal zu besuchen, Solidarität zu zeigen und zu verdeutlichen, dass sich »der größte Teil der Bevölkerung aktiv gegen eine Faschisierung der ­Gesellschaft wehrt«. Mihai Rehe von Black Lives Matter machte deutlich: »Für uns ist ganz klar: Wir machen genauso weiter wie bisher. Es steht außer Frage, uns zurückzuziehen.«

Die Drohbriefe reihen sich ein in eine Serie rechtsextremer Drohungen gegen Privatpersonen, Personen des öffentlichen Lebens und linke Einrichtungen. Diese hat bereits eine bundesweite Debatte ausgelöst, in der es auch um die Rolle rechtsextremer Netz­werke in Polizei, Bundeswehr und anderen staatlichen Strukturen geht. In diesem Zusammenhang ruft das BgR, unabhängig von den jüngsten Drohungen, für den 24. Oktober zu einer landesweiten Großdemonstration in Wiesbaden auf, um gegen rechtsextreme und rassistische Strukturen in der Polizei und anderen staatlichen Behörden zu protestieren.