Im Paragraphendschungel - Gefahr besteht immer

Gefährliche Werkzeuge

Kolumne Von Hartmut Liebs

Im Paragraphendschungel – eine Kolumne über das Recht im linken Alltag, Teil 14

Das Leben ist ein ziemlich unsicheres Unterfangen. Zu dieser Erkenntnis muss man kommen, wenn man sich die Debatten der vergangenen Jahre nur angehört hat. Ganz besonders gefährlich erscheint das Leben natürlich den politisch rechten Menschen. Schaut man sich einmal an, was ein durchschnittlicher Bundestagsabgeordneter der AfD auf Twitter von sich gibt, dann darf man, so man ihm denn glaubt, eigentlich nicht mehr das Haus verlassen. Aus eigener Erfahrung kann ich jedenfalls berichten, dass der Hinweis, die Statistiken geben das so nicht her, zumeist kaum durchdringt.

Viele Menschen, nicht nur Rechte übrigens, fühlen sich eben irgendwie unsicher und das ist auch nichts Neues. Ein besonders ausgeprägtes Gefühl der Unsicherheit, so scheint es jedenfalls, findet sich bei Innenministern und bei der Polizeiführung. Diese ­reagieren darauf zuverlässig mit den Mitteln ihrer Zunft, das heißt mehr Repression und mehr Kontrolle.
Ein Beispiel dafür sind die von der Bundespolizei per Allgemeinverfügung ausgewiesenen Bahnhöfe, in denen keine Waffen und ­sogenannten gefährlichen Werkzeuge mitgeführt werden dürfen. Das führte zu weiterer Unsicherheit, da nicht geklärt ist, was denn eigentlich ein gefährliches Werkzeug ist. Ich will versuchen, es zu erklären. Zuallererst: Das ist nicht so einfach, wie man sich das vielleicht bei der Bundespolizei vorgestellt hat. Anders als eine Waffe ist so ein Werkzeug nicht allein aus sich selbst heraus gefährlich. Nach herrschender Meinung ist ein gefährliches Werkzeug jeder Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Dass zur Bestimmung zwingend die konkrete Verwendung des Gegenstands mit einbezogen wird, ist kein Zufall, sondern kommt daher, dass die Einstufung eines Gegenstands als gefährliches Werkzeug im Rahmen der gefährlichen Körperverletzung nach ­Paragraph 224 Strafgesetzbuch geregelt wurde. Eine Definition, die eine Verletzungsabsicht und -handlung voraussetzt, ist für ein ­polizeiliches Verbot allerdings wenig geeignet. Nichtsdestotrotz wurde der Begriff häufig verwendet, bei Versammlungen und Fußballfans zum Beispiel.

Die fehlende Bestimmtheit der Begriffe kommt der Polizei sehr gelegen, da sie so einen größeren Entscheidungsspielraum hat. Für die Betroffenen polizeilicher Maßnahmen gilt das Gegenteil, weswegen die deutsche Rechtsordnung das Bestimmtheitsgebot kennt. Es wird abgeleitet aus dem Rechtsstaatsgebot des Artikels 20 des Grundgesetzes und verpflichtet den Gesetzgeber zur klaren Formulierung grundrechtsrelevanter Normen. Das Verwaltungsgericht Berlin brachte diesen Grundsatz nun zur Anwendung, erklärte Mitte Januar die Allgemeinverfügung in Berlin für zu unbestimmt und gab dem Kläger Recht. Die Polizei nahm dieses Urteil jedoch nicht zum Anlass, die Allgemeinverfügung aufzuheben oder anzupassen, sondern erklärte, einfach so weiter zu machen, zumindest bis Ende Januar, dann ende das Projekt ohnehin.

Auch das ist bei deutschen Polizeibehörden ein gängiges Verhalten. Die gerichtliche Kontrolle ihrer Arbeit wird in Polizeikreisen meist als lästig empfunden, weswegen man sich auch immer wieder darüber hinwegsetzt. Das ist beispielsweise beim racial profiling so und bei Abschiebungen auch. Der Fokus auf die innere Sicherheit und die Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung sorgen in der Praxis dafür, dass das auch keine ernsthaften Konsequenzen hat. Überdies ist zu befürchten, dass die Befugnisse der Polizeibehörden drastisch ausgeweitet werden; in mehreren Bundesländern geschieht das bereits. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD im Bund findet sich eine Vereinbarung über die Erstellung eines Musterpolizeigesetzes. Angesichts der Entwicklungen der ver­gangenen Jahre klingt das ganz eindeutig wie eine Drohung.