Essay - Beim Women’s March ist eine islamophile Querfront am Werk

Islamophile Querfront gegen Frauenrechte

Die Organisatorinnen des »Women’s March on Washington« sind falsche Feministinnen.

»Wir können unterschiedlicher Meinung sein und uns trotzdem lieben, aber nicht, wenn deine Meinung ihre Wurzeln in meiner Unterdrückung, der Leugnung meiner Menschlichkeit und meines Rechts zu existieren hat«, verkündete Linda Sarsour im November 2016 in ihrem ersten ­Beitrag nach längerer Zeit auf Twitter. Die sich als civil rights activist bezeichnende BDS-Unterstützerin und Initiatorin des »Women’s March on Washington«, der bis dato größten Demonstration in der Geschichte der Vereinigten Staaten, war zuletzt im Oktober 2017 große Aufmerksamkeit zuteil geworden, als sie und ihre Kolleginnen vom US-amerikanischen Magazin Glamour zu den »Women Of The Year 2017« gekürt ­worden ­waren. Mit »Unterdrückung« scheint für sie beinahe ausnahmslos die ­sogenannte white supremacy ­unter ­US-Präsident Donald Trump gemeint zu sein: Sobald die Rede von den Protesten im Iran ist, befindet sie es bis heute für notwendig, Trumps muslim ban anstatt das misogyne, antisemitische – kurz islamistische – iranische Regime an den ­Pranger zu stellen. Dass diese für die Emanzipation von Frauen und LGBTIQ-Personen sehr bedeutenden Ereignisse überhaupt – wenn auch sehr spärlich – von Sarsour thematisiert werden, ist wohl Liz Wheeler ­geschuldet, Moderatorin des Pro-Trump-Nachrichtensenders One American News Network, da sie Sarsour und deren Women’s-March-­Verbündete Tamika Mallory auf Twitter für ihre Schweigen kritisierte. Bis heute fehlen allerdings jegliche Anzeichen einer mit den Aufständischen solidarischen Protesthaltung.

Der Rassismus der Antirassistinnen wird deutlich, weil sie davon ausgehen, dass aufgrund der kollektiven Erfahrung des Rassismus leidenschaftlich geteilte kollektive politische Gemeinsamkeiten bestehen.

Love for Louis

Auf ihrer offiziellen Twitterseite gedachten die Organisatorinnen des Women’s March am 27. Januar scheinbar den jüdischen Opfern des Holocaust: »Am #HolocaustMemorialDay erinnern wir an die sechs Millionen ermordeten Juden und an die Millionen Menschen mit Behinderungen, europäischen Roma und LGBTQIA+ Menschen, die ermordet wurden. Am #HolocaustMemorialDay verpflichten wir uns dazu, white supremacy, Antisemitismus und Hass in all seinen Formen zu bekämpfen.« In Sachen Relativierung der einzigartigen, industriellen Vernichtung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen während der Shoah fiel Linda Sarsour immer wieder – um ihre Anhängerinnen zu zitieren – »problematisch« oder »unangenehm« auf, beispielsweise als sie den Kolumnisten der New York Times, Charles M. Blow, retweetete: »Schwarze Menschen in Amerika sind eine der wenigen Gruppen auf diesem Planeten, die ihren Holocaust einfach vergessen sollen … «. Als viel größerer Anlass zur Sorge erweisen sich allerdings die persönlichen, politischen und finanziellen Beziehungen, die der Women’s March und dessen Begründerinnen zu Islamisten unterhalten, die Antisemitismus verbreiten. Menschen also wie Louis Farrakhan, der Führer der religiös-politischen Organisation »Nation of Islam«, dessen Äußer­ungen etwa über die »satanischen Juden« keinen Zweifel an seiner ­Gesinnung lassen. Am 21. November 2016 teilte eine der führenden Ver­treterinnen des Women’s March, Carmen Perez, ein Foto auf Instagram, auf dem sie mit Farrakhan zu sehen war. Dazu schrieb sie: »Es passiert mir häufig, dass ich mit den Ältesten oder inspirierenden Individuen ­zusammensitze und mir wünsche, diesen Moment einpacken und ihn mit anderen teilen zu können. Heute hatten wir die Möglichkeit, Zeit mit Minister Louis Farrakhan zu verbringen.« Der Beitrag findet sich mittlerweile nicht mehr auf Instagram. Den Kritikern und Kritikerinnen Farrakhans entgegnete Perez: »Es gibt keine perfekten Führer und die Leute ­müssen Farrakhans Beitrag für die schwarzen und braunen Communities verstehen.«

Tatsächlich vertritt er als Vertreter der Nation of Islam ein Glaubenssystem, das Weiße als »Teufel«, die von einem schwarzen Wissenschaftler erfunden wurden, und Schwarze gegenüber allen anderen ethnischen Gruppen als über­legen darstellt. Außerdem fordert die Nation of Islam als älteste schwarz-nationalistische Gruppe der USA eine eigene Nation für muslimische Schwarze auf dem Territorium der Vereinigten Staaten.

Schwarzer Nationalismus

Der derzeitige identitätspolitische Aktivismus in den USA speist sich aus Überbleibseln der Black-Power-­Bewegung, die durch die Fragmentierung der sozialen Klassen aufstieg. Sie gewann seit der Großen Depression, dem Zweiten Weltkrieg und der Transformation von urbanen Räumen nach dem Housing Act von 1949 an Bedeutung. Der Aufstieg vieler Weißer zu Immobilieneigentümern folgte, während arme Schwarze zurückblieben und sich afroameri­kanische Ghettos bildeten. Doch nicht nur am Nationalismus der damaligen Black-Power-Bewegung, sondern am Benennen der Unterdrückung von Schwarzen als »Holocaust« oder des von Black Lives Matter praktizierten Unterschlagens der Tatsache, dass Trayvon Martin durch George Zimmerman, einen Latino, ermordet wurde und dass an erster Stelle der in den USA durch Polizeigewalt zu Tode Gekommenen Weiße stehen, zeigt sich dem Politologen und Afroamerikanismusexperten Cedric Johnson zufolge die Vorstellung des black exceptionalism. Diese besagt, dass dem Schwarzsein sowohl positiv als auch negativ, also hinsichtlich der eigenen Unterdrückung, etwas absolut ursprüngliches eigene und somit ethnienspezifische Lösungsansätze erforderlich seien.

In dieser Tradition blicken die Anführerinnen des Women’s-March auf Palästinenser und Muslime, die, so wie vormals Schwarze, zum neuen revolutionären Subjekt auserkoren werden und anscheinend einen spezifischen, einzigartigen Begriff für ihre Unterdrückung, nämlich »Islamophobie« oder »antimuslimischen Rassismus« benötigen. Der Rassismus der Antirassistinnen wird deutlich, weil sie davon ausgehen, dass aufgrund der kollektiven Erfahrung des Rassismus leidenschaftlich ­geteilte kollektive politische Gemeinsamkeiten bestehen. Vorschub geleistet haben diesen Entwicklungen sowohl die Ablehnung des Univer­salismus als »eurozentristisch« als auch der epistemologische Relati­vismus, der objektive Realität ablehnt und nach dem jeder ausschließlich von der eigenen partikularen Perspektive ausgehen kann, die wiederum von gesellschaftlichen Einflüssen geprägt ist und sich somit je nach Kultur unterscheidet, wie es Kenan Malik in seinem Text »Für jeden eine Wahrheit« ausführte (Jungle World 2017/09). Da nach dieser poststrukturalistischen Sichtweise ­meh­rere »Wahrheiten« existieren, müssten sowohl nichtwestliche Gesellschaften wie auch diverse soziale Gruppen wie Nichtweiße, Frauen etc. »ihre eigenen Begriffe und Werte basierend auf ihren spezifischen ­Kulturen, Traditionen und Bedürfnissen entwickeln«, so Kenan Malik, eben jenes Phänomen kritisierend. In der politischen Praxis lässt sich beobachten, dass es seit Dekaden keine Rolle mehr spielt, welche Werte jemand vertritt, sondern bestimmend ist, welches Geschlecht, welche Hautfarbe oder Sexualität er oder sie aufweist.

So nimmt es auch nicht wunder, dass die schwarze, sich dem Konzept der Intersektionalität verschrieben habende Mitorganisatorin des Women’s March, Tamika Mallory, Louis Farrakhan auf Instagram lobte und ihm zu seinem Geburtstag ­gratulierte. Am 26. Februar besuchte sie zudem eine Kundgebung der ­Nation of Islam, auf der Farrakhan Mallory namentlich für ihre Teil­nahme dankte. Bei derselben Veranstaltung bezeichnete er Adolf Hitler als great man und machte Juden verantwortlich für die Terroranschläge vom 11. September 2001 und den »Verfall« von Hollywood. Mächtige Juden rief er öffentlich als seine Feinde aus. In einer von der Nation of Islam organisierten Vortragsreihe 2013 und 2014 hatte er Juden und Jüdinnen mehrmals als »satanisch« ­bezeichnet. Seine 2015 gehaltene Savior’s-Day-Rede in der Maryam-­Moschee in Chicago hatte ebenfalls Verschwörungstheorien über die ­angebliche Kontrolle der amerikanischen Regierung durch Juden beziehungsweise Israel und deren angebliche Kooperation mit den USA während der Terrorangriffe vom 11. September beinhaltet. Seit Jahren wirbt Farrakhan für den zweiten Band einer Buchreihe seiner Organisation, der den Titel »How Jews Gained Control of the Black American Economy« trägt und unter anderem die Lüge von der raffgierigen Beteiligung von ­Juden an der Versklavung von Afroamerikanern und Afrikanern pro­pagiert. Am 9. Mai 2017 drohte er im Rahmen eines Radiointerviews ­jüdischen Israelis, dass sie sich nicht mehr lange in ihrem Heimatland aufhalten könnten, und appellierte an den Iran und weitere islamische Regime, Widerstand gegen Israels Existenz zu leisten.

 

Islamic Relief

Auf der Website des Women’s March rufen die Verantwortlichen zu Spenden an die Organisation Islamic Relief Fund auf, die ihnen zufolge syrischen Flüchtlingen zugutekommen sollen. Obwohl diese Organisation laut den Vereinigten Arabischen Emiraten als Terrororganisation gilt, kommen ihr jährlich Millionen an Fördergeldern von der US-amerika­nischen, deutschen, schwedischen und englischen Regierung wie auch der UNO und der EU zu, die wiederum an Organisationen weitergegeben werden, die Verbindungen zur Hamas aufweisen. Des Weiteren werden ­viele der nationalen Ableger des Dachverbands von Islamisten, unter anderem aus dem Umfeld der Muslimbrüderschaft geleitet, also einer ­islamistischen Vereinigung, die den Vorwurf der »Islamophobie« häufig vorbringt.

Dieser dient seit jeher dazu, Thematisierungen des Antisemitismus und der Misogynie im Islam abzuwehren oder zu relativieren, und wird auch von Linda Sarsour immer wieder ins Feld geführt. Über die Herkunft wie auch die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs herrscht keine Einigkeit, jedoch schrieb der französische Philosoph Pascal Bruckner: »Das Ziel dieses Wortes war es, den Islam als unantastbar zu erklären. Wer auch immer diese Grenze überschreitet, wird als Rassist bezeichnet. Dieser Begriff, der totalitärer Propaganda würdig ist, ist mutwillig unspezifisch darin, ob er auf Religion verweist, auf ein Glaubenssystem oder auf ihre treuen Anhänger auf der ganzen Welt.«

Der amtierende Geschäftsführer der US-amerikanischen Abteilung des Islamic Relief Fund ist Khaled Lamada, ein prominenter ägyptisch-amerikanischer Unterstützer der Muslimbrüderschaft. Seine Beiträge in sozialen Medien enthalten neben dem R4Bia-Symbol der Muslimbruderschaft auch lobende Worte für den »Jihad« der »Mujahedin von Ägypten« und der Hamas, da diese das »zionistische Gebilde viele Niederlagen gekostet« hätten. Des Weiteren veröffentlichte er Videos, in ­denen von einer jüdischen Verschwörung die Rede ist, in die der ägyptische Präsident, Abdel Fatah al-Sisi, als Gegner der Muslimbrüderschaft ­eingebunden sein soll.

2014 brachte ein weiterer Bediensteter von Islamic Relief USA, Yousef Abdallah, eine Geschichte in Umlauf, in der »Märtyrer« idealisiert und romantisiert wurden, die Waffen zur Verfügung stellten, um »mehr als 20 Juden zu töten« und »Raketen auf Tel Aviv zu feuern«.

Über all dies verliert Sarsour kein Wort. Auf das Thema des Antisemitismus in einem Interview für die anti­zionistische Kampagne »Jewish Voice For Peace« angesprochen, weiß sie zuallererst Folgendes zu entgegnen: »Ich glaube, dass eine Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in dieser Zeit sehr wichtig ist, weil wir Antisemiten mit Macht im Weißen Haus haben. Aber wir müssen wirklich kritisch sein hinsichtlich dessen, was Antisemitismus tatsächlich bedeutet, weil der Begriff oft von Rechten gegen Palästinenser und die­jenigen, die für Palästina sind, verwendet wird, um zu verallgemeinern, dass wir, weil wir für Palästina sind, weil wir für Gerechtigkeit sind, antisemitisch sind, oder dass wir, weil wir Kritiker des Staates Israel sind, Antisemiten sind.« Jewish Voice For Peace veröffentlichte dieses Gespräch als Video in seiner Reihe »Inspirierende Redner«.

 

Mythos zionistische Apartheid

Die Politaktivistin, frühere Studentin von Herbert Marcuse und Hauptsprecherin beim Women’s March, Angela Davis, sagte 2016 in einem ­Interview zu ihrem damals veröffentlichten Buch »Freedom Is a Constant Struggle: Ferguson, Palestine, and the Foundations of a Movement«: »Palästina repräsentiert, so scheint es mir, genau das, was Südafrika in den Achtzigern bis zum Ende der Apartheid repräsentierte. Palästina scheint mir der Schlüsselpunkt zu sein, der uns erlaubt, unser Bewusstsein zu vergrößern, auszudehnen und zu erweitern.« Während ihrer Rede auf dem Women’s March on Washington am 21. Januar 2017, forderte sie des Weiteren die Freilassung der aufgrund von Morden an US-amerikanischen Polizisten ver­urteilten Assata Shakur und Mumia Abu-Jamal, die – wie Davis selbst – Aktivisten der Black Panther Party gewesen waren. Diese arbeitete bereits in den späten sechziger Jahren mit der Palestinian Liberation Orga­nization (PLO) zusammen. Außerdem bestand eine Kooperation der Black Panther Party mit der Popular Front for The Liberation of Palestine (PFLP), die in den Sechzigern und Siebzigern Flugzeuge der israelischen Fluggesellschaft El Al enführte. Am bekanntesten ist wohl die Entführung einer israelischen Maschine 1976 nach Entebbe in Uganda. Dort ließ das Terrorkommando, das aus Mitgliedern der PFLP und der deutschen Revolutionären Zellen bestand, die nichtjüdischen Geiseln frei, jüdische und vermeintlich jüdische Passa­giere blieben in der Gewalt der Entführer. Eine israelische Spezial­einheit befreite die Geiseln in einem spektakulären Einsatz.

Mumia Abu-Jamal relativierte 2002 diese Akte des antisemitischen Terrors und begründete sie – in einem an Holocaustrelativierung nicht zu überbietenden, »Blitzkrieg in Palestine« betitelten Artikel – mit der ­vermeintlich in Israel vorherrschenden Apartheid: »Wenn die Haut­farbe der Palästinenser die Farbe von Kaffee statt der von Oliven hätte, würde die Welt ihren degradierten sozialen Status als einen ähnlichen zu dem des Apartheidregimes in Südafrika erkennen. Aber sie sind Araber, in einer Welt und einer Zeit, in der Araber in den Massenmedien als ›Terroristen‹ dämonisiert werden. Als solche sind sie Freiwild.«

Dass es Sarsour im Kampf gegen das Feindbild »Nazi-Trump« weder um eine Form der universalen Emanzipation noch um die Verteidigung des Rechts von Frauen, Homo- und Bisexuellen, Trans­personen und Andersgläubigen auf körperliche Unversehrtheit im Nahen Osten geht, zeigt sich, wenn sie propagiert, dass für die Verteidigung des liberalen Israel im Feminismus kein Platz sei.

 

So woke

Linda Sarsour versteht es geschickt, von der Rolle der empowerten und empowernden Kopftuchfeministin in die Opferrolle zu schlüpfen, sobald ihr die Argumente ausgehen. In ­einer Rede im April 2017 fragte sie: »Kann mich jemand an eine stramme Pro-Israel-Organisation erinnern, die sich unterstützend gemeldet oder aufgestanden ist gegen die Ermordung von unbewaffneten schwarzen Menschen durch die Strafverfolgung in diesem Land? Wenn ihr eine kennt, ich würde es gerne wissen, denn ich sehe nicht, dass das passiert, oder nicht? Die Leute, die Massaker an Kindern und Zivilisten in Palästina rechtfertigen und diese als Kollateralschäden bezeichnen, sind dieselben Leute, die rechtfertigende Entschuldigungen finden werden dafür, dass in diesem Land unbewaffnete Menschen von der Polizei ermordet werden.«

Als allerdings am New York March for Racial Justice am 1. Oktober 2017 prozionistische Jüdinnen teilnahmen, um sich mit Afroamerikanern solidarisch zu erklären und sich gegen rassistische Polizeigewalt einzusetzen, wurden sie von anderen Teilnehmerinnen gebeten, ihre Schilder ­abzulegen. Auf diesen riefen sie zu einem Schulterschluss von Juden und Jüdinnen mit Schwarzen innerhalb der Bewegung auf. Ihnen wurde vorgeworfen, dass Palästinenserinnen wie Sarsour sich dadurch unsicher fühlen könnten und dass sie als Juden die Veranstaltung vereinnahmten, obwohl diese dem An­liegen der rassistischen Polizeigewalt in den USA gewidmet sei. Während ihrer Rede gab Sarsour an, dass sie auf der Demonstration ob einiger Schilder Angst bekommen habe, was viele Anwesende zur Vermutung ­veranlasste, dass damit eben jene solidarischen Zionistinnen und ihre Schilder gemeint seien.

Das Argument der Angst wurde auch gegenüber einer zionistischen LGBT-Aktivistin vorgebracht, die 2017 den Chicago Dyke March, eine Lesbenparade, mit einer David­stern-Pride-Fahne besuchte. Sie wurde aufgrund der Fahne gebeten, die Veranstaltung zu verlassen.

Tamika Mallory scheute im April keine Mühen, um die US-amerikanische Organisation gegen Antisemi­tismus, die Anti Defamation League, des Rassismus zu bezichtigen, nachdem die Cafékette Starbucks diese nach einem shitstorm um Hilfe bei der Sensibilisierung der Angestellten zu rassistischem Verhalten gebeten hatte. Dass es Sarsour und ihren Verbündeten im Kampf gegen das Feindbild »Nazi-Trump« also weder um irgendeine Form der univer­salen Emanzipation noch um die Verteidigung des Rechts von Frauen, Homo- und Bisexuellen, Transpersonen und Andersgläubigen auf ­körperliche Unversehrtheit im Nahen Osten geht, kommt auch dann zum Vorschein, wenn Sarsour propagiert, dass für die Verteidigung des liberalen Israel im Feminismus kein Platz sei: »Gibt es in der Bewegung Raum für Leute, die den Staat Israel unterstützen und nicht kritisieren? Sowas kann es im Feminismus nicht geben. Entweder stehst du für die Rechte von allen Frauen auf, also inklusive der Palästinenserinnen, oder gar nicht. Da gibt es keinen Weg drumherum.

Es gibt kein Land auf der Welt, das immun gegen die Verletzung der Menschenrechte ist. Du kannst keine Feministin in den Vereinigten Staaten sein und für die Rechte von amerikanischen Frauen aufstehen und dann sagen, dass du nicht aufstehen willst für die Rechte von palästinensischen Frauen in Palästina. Es hängt alles zusammen. Entweder sprichst du über palästinensische Frauen, mexikanische Frauen, Frauen in Brasilien, in China, oder Frauen in Saudi-Arabien ­ Diese Bewegung ist eine internationale Bewegung.« Ein Anspruch, dessen Einhaltung den Social Justice Warriors des Women’s March selbst nicht möglich zu sein scheint.

Auch wenn Sarsour die Bezeichnung als glühende Antisemitin ­verdient, ist der von der somalischen, ­exmuslimischen Frauenrechts­aktivistin, Aayan Hirsi Ali, auf sie gemünzte Begriff fake feminist ­ebenso adäquat, da beispielsweise auf der offiziellen Website der Organi­satorinnen des Women’s March steht: »Wir ehren und respektieren Stammesgesetze und deren Rechtssprechung.« Der von ihnen so wohl­wollend unterstützte Führer der Nation of Islam, Louis Farrakhan, sprach sich in klassisch antifeministischer Manier gegen eine Aufhebung des homophoben Sodomiegesetzes in Zentralamerika aus. Er beschuldigt Frauen der gefährlichen Zersetzung der amerikanische Familie, da sie seit dem Zweiten Weltkrieg in die Sphäre der Lohnarbeit vorgedrungen seien, anstatt sich, wie zuvor, ausschließlich um Reproduktionsarbeit, Erziehung und Umsorgung der ­gemeinsamen Kinder zu kümmern. Des Weiteren bezeichnet er Homo­sexualität als Sünde und ein Gräuel. Er bezieht sich auf das Verbot der ­Homosexualität im Koran und behauptet, dass Homosexuelle nach ­ihrem Tod ihr Dasein in der Hölle fristen müssten.

Linda Sarsour, Islamist of the Year 2017

Als »falsche Feministin« wurde ­Sarsour das erste mal öffentlich bezeichnet, nachdem sie über die ­Islamkritikerin Aayan Hirsi Ali, ein Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung, auf Twitter schrieb: »Brigitte Gabriel (eine libanesisch-amerikanische Journalistin und Islamkritikerin; Anm. der Redaktion) = Ayaan Hirsi Ali. Ich wünschte, ich könnte ihnen ihre Vagina wegnehmen ­ Sie verdienen es nicht, Frauen zu sein.« Ali war es auch, die darauf hinwies, dass Sarsour bereits des ­Öfteren, nämlich sowohl 2011 als auch 2015, auf Twitter die Sharia propagiert hatte. Angesprochen auf die patriarchalen Verhältnisse in mehrheitlich islamischen Ländern, reagierte Sarsour – ebenfalls auf Twitter – wie folgt: »Es gibt muslimische Länder, die Frauen zur Präsidentin haben, verdammt noch mal. In Saudi-Arabien, eurem Schreckgespenst eines ­islamischen Staates, sitzen Frauen im Parlament.« Zur damals noch in Saudi-Arabien geltenden Kopftuchpflicht als Instrument der tatsächlich existierenden Apartheid, nämlich der islamischen Geschlechter­trennung, sagte sie am selben Tag im Jahr 2015: »Zu eurer Information: Das vorgeschriebene Verhüllen des Kopfes für muslimische Frauen in Saudi-Arabien ist ihr geringstes ­Problem. Hört auf, es zu einem solchen Thema zu machen. Das ist es nicht.« Die Aussagen strotzen nur so vor kulturrelativistischer Gesinnung und widersprechen außerdem weitgehend den Fakten, was wegen des stets von der amerikanischen Neuen Linken vorgebrachten Vorwurfs des »Postfaktischen« an die Alt-Right-Bewegung an Ironie kaum zu überbieten ist: So wurde es saudischen Frauen 2015 lediglich ermöglicht – und zwar zum ersten Mal und ausschließlich auf Kommunal­ebene – ein aktives und passives Wahlrecht auszuüben, wobei auch dies nur eingeschränkt möglich war: Human Rights Watch berichtete von ­Beschwerden von Frauen, denen unter anderem der Nachweis der Iden­tität und des Wohnsitzes erschwert worden sei. Des Weiteren sei es ­ihnen nicht gestattet gewesen, mit männlichen Wählern zu sprechen oder sich mit Männern in denselben Wahlkampfbüros aufzuhalten. ­Außerdem wird Frauen in Saudi-Arabien erst ab Mitte 2018 das Auto­fahren gestattet. Das Gesetz wurde bereits verabschiedet, doch die Verwirklichung nimmt aufgrund der Einschulung und Vorbereitung von Fahrlehrern und Verkehrspolizisten auf Frauen als Verkehrsteilnehmerinnen eine längere Dauer in Anspruch, da in den meisten gesellschaftlichen Bereichen Frauen und Männer von­einander getrennt leben müssen. Und niemandem ist das informelle Brauchtum entgangen, dem zufolge Frauen ohne männliche Begleitung ihr Zuhause nicht verlassen dürfen, was sich ebenso repressiv auf etwaige Besuche von Wahlkabinen und ­-büros wie auch Fahrstunden – ergo, auf die Ausübung des Wahlrechts wie auch der Mobilität von Frauen – auswirkt.

Alle Linken, die vom postmodernen »identitarian turn« der US-amerikanischen Neuen Linken beeinflusst sind, sehen sich dazu gezwungen, in der Tradition der Sprechorttheorie ausschließlich im Westen aufgewachsene Musliminnen zu den Themen der feministischen Islamkritik, des Islam und seiner Riten oder des Rassismus gegen Muslime anzuhören.

 

Universalismus versus Umma

In der bisherigen Berichterstattung über Linda Sarsour und den ­Womens March wurde ein Artikel der englischsprachigen Sektion des Nachrichtensenders und Online-Magazins Al Arabiya aus dem Jahre 2007 völlig ausgeblendet, der Sarsour mit folgender Aussage wiedergibt: »Sie wird, wie sie sagt, ihre Töchter jedoch nicht bitten, eine arrangierte Ehe einzugehen. Alles, was sie für sie will, ist, dass sie einen Mann aus­suchen, der Muslim und Araber ist, und das wäre dann genug der Tradi­tion.« In dem Interview hieß es weiter, dass für Sarsour Zwangsehen nichts Verwerfliches darstellen, da sie nicht an die Ehe aus Gründen der Liebe glaube, diese arrangierte Form der Heirat nun mal Tradition sei und weil sowohl ihre Eltern als auch ihr zukünftiger Ehemann, der sie auswählte, damit einverstanden waren, sie an der Universität studieren zu lassen. Sarsour spricht sich also in einem demokratischen, westlichen Staat für die Möglichkeit aus, sich freiwillig dazu zu entscheiden, ein Kopftuch zu tragen oder sich von den Eltern an einen fremden muslimischen Araber verheiraten zu lassen, sich also freiwillig und aktiv für die Fortführung misogyner Bräuche zu entscheiden.

Alle Linken, die vom postmodernen identitarian turn der US-amerikanischen Neuen Linken beeinflusst sind, sehen sich dazu gezwungen, in der Tradition der Sprechorttheorie ausschließlich im Westen aufgewachsenen Musliminnen zu Themen der ­feministischen Islamkritik, des Islam und seiner Riten und des Rassismus gegen Muslime anzuhören. Was dabei vergessen wird, sind die von Anhängerinnen dieser Theorie üblicherweise stets ins Feld geführten »Privilegien«, über die Kopftuchfeministinnen wie die in Österreich lebende Konvertitin Carla Amina Baghajati (Islamische Glaubensgemeinschaft, ­Initiative muslimischer Österreicher­Innen), die Deutsche Kübra Gümüşay und Linda Sarsour verfügen. In ­Sarsours Fall kann von einer arrangierten Ehe, allerdings nicht von ­einer mit Zwangscharakter gesprochen werden; allen der eben genannten »Menschenrechtlerinnen« steht es frei, sich für oder gegen das Kopftuch zu entscheiden. Dass die materiellen Verhältnisse der jewei­ligen Frau, aber auch der vom Staat und familiären und sozialen Umfeld getragenen Ideologie und der daraus resultierenden Form der patriarchalen Gewalt stets ausgeblendet werden, führt dazu, dass Intersektionalität gegenüber internationaler Solidarität Priorität einnimmt.

Aufgrund von angeblicher oder tatsächlicher Privilegien, die es stets zu reflektieren gelte, wird weißen Männern qua ihrer Haut­farbe und ihres Geschlechts jegliches Vermögen zur Empathie, Rationalität und Vernunft und somit die Möglichkeit
der Solidarität abgesprochen.

Die antiuniversalistisch-manichäischen Intersektionalitäts- und Privi­legientheorien basieren nämlich auf einer antagonistischen, dichotomen Konstruktion und stellen Männern, Weißen und Heterosexuellen als ­Unterdrückern Frauen, Nichtweiße und Homosexuelle als Unterdrückte gegenüber. Da diese Kategorien und die sogenannten Privilegien als ­immerwährend dargestellt werden, schaffen diese Theorien es nicht, ­ethnisch oder religiös motivierte Konflikte in Europa, Afrika und Asien darzustellen oder Antisemitismus und beispielsweise sexuelle Übergriffe durch nichtweiße Männer zu fassen, da die Trennlinien dieser Theorien entlang weiß und nichtweiß, hetero- und homosexuell, weiblich und männlich oder »cis-« und transgeschlechtlich verlaufen und Opfer niemals Täter (und umgekehrt) sein können. Aufgrund angeblicher oder tatsächlicher Privilegien, die es stets zu reflektieren gelte, wird weißen Männern qua ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts jegliches Vermögen zur Empathie, Rationalität und Vernunft und somit die Möglichkeit der theoretischen wie auch praktischen Solidarität abgesprochen. Außerdem werden sie als die ausschließlichen Unterdrücker angesehen – wie Trump, den es inhaltlich zu kritisieren gilt, aber weder wegen seines Geschlechts noch seiner ­Hautfarbe. Zu den Unterdrückern zählen allerdings laut den Vertreterinnen des Women’s March und ihren Anhängerinnen nicht das iranische Regime, nicht weibliche Stammes­älteste, die junge Mädchen beschneiden, nicht terroristische Palästinenser. »Opfer« und »Heldinnen« sind demnach Frauen wie Linda Sarsour, die zur Umma größerer Affinitäten als zum Universalismus aufweisen. Sie sind tendenziell die ersten, denen im »Karneval der Kulturen« (Clemens Nachtmann) die Möglichkeit zur ­öffentlichen Meinungsäußerung zugestanden wird.

Bei genauerer Betrachtung eben jener Äußerungen bleibt jedoch bis auf die Propagierung des dem Islam immanenten Antiamerikanismus und Antisemitismus nicht viel übrig. Doch die Organisatorinnen des Women’s March schreien lauter als Frauen, die vor solchen islamischen Zwängen fliehen oder gegen diese ankämpfen, Frauen wie Vida Mohaved, Masih Alinejad, Aayan Hirsi Ali und Mina Ahadi. Es gilt, sich mit diesen zu solidarisieren und wieder Folgendes in politischen Kämpfen geltend zu machen: Es ist »nicht wichtig, wer du bist, sondern woran du glaubst«.