»Kartoffeln als Widerstandsform«

In Haren, einem Vorort im Norden Brüssels, soll ein riesiges Gefängnis entstehen. Die Anwohner protestieren und organisieren Widerstand gegen das Megaprojekt. Isa beteiligt sich seit vier Jahren an der Initiative gegen den Gefängnisbau.

Um was geht es beim Widerstand gegen das geplante Gefängnis in Haren?
Haren ist eigentlich ein Dorf an der Außengrenze der Region Brüssel, eingezwängt zwischen Eisenbahntrassen, Kanal und Autobahn, dazu mitten in der Startschneise des Flughafens. Es untersteht aber verwaltungsmäßig der Stadtgemeinde Brüssel, die dort immer schon alle möglichen Sachen untergebracht hat, die man gerne weit weg von der Innenstadt haben möchte: ein Straßenbahndepot, eine Müllverbrennungsanlage, Teile der Nato-Zentrale und jetzt eben ein Gefängnis.
Und die Einwohner waren von vornherein dagegen?
Man hat die Einwohner zunächst im Unklaren gelassen. Erst nach und nach erfuhren sie, dass auf einer Fläche von 18 Hektar ein regelrechtes Gefängnisdorf für 1 200 Gefangene entstehen sollte. Erst da haben sie angefangen, sich zu organisieren.
Die belgischen Gefängnisse quellen über. Ist es da nicht schwierig, gegen einen Gefängnisneubau zu sein?
Die Situation in den Gefängnissen ist eine Schweinerei, sie sind überbelegt und brechen den Gefangenen und den Schließern über dem Kopf zusammen. Aber die Zahl der Gefangenen pro Kopf der Bevölkerung ist eine der höchsten in Europa; der belgische Staat sollte sich also zunächst einmal fragen, ob nicht da das Problem liegt. Auf keinen Fall löst ein Megagefängnis an der Peripherie das Problem, wo die Gefangenen weit weg von Anwälten sind, von Verwandten, die sie besuchen möchten, und so weiter.
Die Einwohner sind nicht allein im Widerstand gegen den neuen Knast?
Sie haben ziemlich schnell verstanden, dass sie Verbündete brauchen. Die ersten, die sich anboten, kamen aus der Bewegung zur Verteidigung von Landwirtschaftsflächen gegen Überbauung. Daraus wurden dann die patatistes, die es geschafft haben, damit bekannt zu werden, dass sie als Widerstandsform erst einmal Kartoffeln auf dem geplanten Baugelände angebaut haben.
Ging es dann noch weiter?
Ja, es gab eine Flächenbesetzung – eine zone à défendre, ZAD. Das ging von zwei, drei sehr mutigen Leuten aus, die angefangen haben, eine Küche zu bauen, Toiletten, was man eben so braucht. Daraus wurde dann ein richtiges Widerstandsdörfchen. Dort gab’s dann auch eine ganze Menge Leute, die vernetzt waren, die von einer ZAD zur anderen reisen und mit Rat und Tat helfen können.
Wurde die ZAD wieder geräumt?
Das war eine üble Sache: Die Bauverwaltung oder das Firmenkonsortium hatten gegen die Besetzung geklagt, und während die Besetzer vor Gericht waren, wo ihnen recht gegeben wurde, hat die Polizei auf die ganz harte Tour das Dorf abgeräumt, Gemüsegärten zerstört und einen Zaun um das Ganze gebaut.
Und jetzt?
Das ist jetzt ein Jahr her, und so langsam etabliert sich die ZAD wieder, ausgehend von ein paar wenigen Leuten. Der Zaun darf zwar auf keinen Fall angerührt werden, weil das den Firmen eine Begründung für eine neue Räumung liefern würde. Aber sie haben jetzt eine Fußgängerbrücke über den Zaun gebaut. Man muss eben kreativ sein.