Frieden schaffen ohne Affen. Projektionen auf Primaten

Frieden schaffen ohne Affen

Die Ergebnisse der Forschung über Schimpansen oder Hominiden werden gerne auf den Menschen projiziert. Doch was andere Primaten so treiben, muss uns eigentlich nicht bekümmern.

Vorbei sind die Zeiten, da das Tier der bessere Mensch war. Nachdem die Machos zur Kenntnis nehmen mussten, dass Löwen nicht sonderlich tapfer sind, sondern zumeist dösen, sobald sie aus ihrem 16stündigen Schlaf erwachen, und konservative Familienpolitiker von schwulen Pinguinen bloßgestellt wurden, müssen nun auch die Pazifisten eine Enttäuschung hinnehmen.
Schimpansen führen organisiert Krieg. Primatenforscher beobachteten sie dabei im ugandischen Kibale-Park, und sie stellten fest, dass es beim Krieg der Affen nicht sehr ritterlich zugeht. Als 28 Schimpansen auf eine kleine Gruppe von Schimpansinnen mit zwei hilflosen Jungen stießen, schlugen sie erbarmungslos zu. Sie können sich, anders als Oberst Georg Klein nach der Kunduz-Bombardierung, nicht einmal mit der Ausrede behelfen, sie hätten geglaubt, nur wehrhafte und mordlustige Primaten anzugreifen.
John Mitani, der Leiter der Forschungsgruppe, warnt vor voreiligen Vergleichen, es sei unklar, ob die Schimpansen mehr Territorium oder mehr Sexualpartner erobern wollten. Er glaubt aber, die Zusammenarbeit der kriegerischen Affen lasse Rückschlüsse darauf zu, »warum wir als Spezies so ungewöhnlich kooperativ sind«. Weil wir mehr Bananen und mehr Sex wollen? Welche Rückschlüsse Mitani zog, verriet er nicht. Und womöglich wird bald auch der erste einsame Serienmörder unter den Schimpansen enttarnt.
Man könnte sich ja damit begnügen, die Erkenntnisse über Schimpansen als das zu nehmen, was sie sind: Erkenntnisse über Schimpansen. Es mag sein, dass sich tatsächlich Rückschlüsse auf das menschliche Sozialverhalten ziehen lassen. Eine seriöse Forschung über diese Frage müsste jedoch berücksichtigen, dass der Mensch in der Lage ist, über sich und die Umwelt nachzudenken und sein Verhalten sowie die Gesellschaft zu verändern, auch wenn er diese Fähigkeiten zu selten nutzt. Solange die Übertragung der Forschungsergebnisse über Primaten, Hominiden und Neandertaler auf den Menschen allein Gegenstand von Spekulationen und Projektionen ist, lässt sie vor allem Rückschlüsse auf die Wissenschaftler und die Vorurteile ihrer Epoche zu.
So glaubte man wohl nicht zufällig gerade in den dreißiger Jahren, die Neandertaler seien einem Vernichtungskrieg des Homo sapiens zum Opfer gefallen. In den siebziger Jahren hingegen herrschte die Theorie vor, die Neandertaler seien in der Menschheit aufgegangen, weil beide Spezies sich gepaart hätten, während man in den neunziger Jahren meist davon ausging, die Neandertaler seien im Wettbewerb mit den Menschen unterlegen gewesen.
Der Schimpansenkrieg könnte nun manche Feministinnen in der Ansicht bestätigen, dass der männliche Primat ein hoffnungsloser Fall ist. Rechte dürften ihn als Beweis für das Primat der Gewalt in der Natur betrachten. Passend zur apokalyptischen Krisenstimmung können die rabiaten Affen aber auch als Sinnbild für die Zustände nach dem Zusammenbruch der Zivilisation herhalten. Nachäffer seien jedoch gewarnt. Die hohe Scheidungsrate bei Militärangehörigen belegt, dass ein kriegerischer Job beim Homo sapiens die Paarungschancen nicht erhöht.