Drei mit einer Stimme

IG Medien, HBV und Postgewerkschaft wollen Kräfte bündeln und schließen sich zum Verbund zusammen

Die Probleme der drei Gewerkschaften ähneln sich: Postbeschäftigte haben mit den Folgen der Privatisierung zu kämpfen, im Einzelhandel gibt es die meisten 610-Mark-Jobs, im Banken- und Versicherungsgewerbe steht durch Technisierung eine kaum abzuschätzende Entlassungswelle bevor, und die Verlegerverbände versuchen, Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen tariffrei zu machen. Die Zukunft wird zeigen, ob die geballte Macht der drei beteiligten Gewerkschaften die Angriffe gemeinsam abwehren kann.

Für Kurt van Haaren, den Vorsitzenden der Deutschen Postgewerkschaft (DPG), war der 5. November 1997 ein "denkwürdiger Tag für die deutsche Gewerkschaftsbewegung". In Magdeburg trafen sich die Gewerkschaftsräte - das sind die höchsten Beschlußgremien zwischen zwei Gewerkschaftstagen - der "Verbundgewerkschaften" DPG, HBV und IG Medien, um den seit Mai dieses Jahres in den drei Gewerkschaften diskutierten Verbundvertrag zu verabschieden. In einer gemeinsamen Erklärung wird festgestellt, der Verbund sei "mehr als eine Kooperation, aber weniger als eine Fusion" und "weder Konkurrenz noch Alternative, sondern ein wichtiger Schritt im Prozeß der Neustruktuierung der Gewerkschaften".

Mit der Rückendeckung von 1,25 Millionen Gewerkschaftsmitgliedern will man an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend ein "neues gewerkschaftliches Projekt" schaffen. IG Medien-Chef Detlef Hensche legt Wert auf die Feststellung, daß auf absehbare Zeit keine Fusion der drei Gewerkschaften geplant sei. Sonderbare gewerkschaftliche Sprachregelung, mag der Außenstehende sagen. Wenn alles beim alten bleibt, was ist dann neu an diesem Verbund? Reicht es zu sagen, mit ihm werde den veränderten Bedingungen in der Kommunikations-, Medien- und Dienstleistungsbranche Rechnung getragen? Welchen konkreten Nutzen der Verbund für die Mitglieder hat, konnten die drei Vorsitzenden nicht überzeugend beantworten.

In diesem jetzt in Gang gesetzten Prozeß dürfe es keine "Tabus und Denkverbote" geben, sagte HBV-Vorsitzende Margret Mönig-Raane und fügte im Hinblick auf die Pläne des IG Metall-Chefs Klaus Zwickel hinzu, die Schaffung einer privaten und einer öffentlichen Dienstleistungsgewerkschaft sei "keine gute Idee".

Gleichzeitig warnte die HBV-Vorsitzende davor, im anstehenden Umstrukturierungsprozeß der Gewerkschaftslandschaft "lediglich Apparate zusammenzuschieben". Auch sei der Verbund kein "closed shop"; bis zum Frühjahr des nächsten Jahres werde mit den Gewerkschaften ÖTV, GEW, Eisenbahnergewerkschaft und der nicht zum DGB gehörenden DAG ausgelotet, wie und ob eine gemeinsames Vorgehen bei den Organisationsreformen möglich ist.

Ohne es zu erwähnen - schließlich lieben Gewerkschaften die versteckte Botschaft -, aber dennoch mit Blick auf die zukünftige "Multibranchen-Gewerkschaft" IG Metall-Mode-Möbel und die gerade gegründete IG Bergbau-Chemie-Energie, heißt es in der Erklärung, ein klares Branchenprofil, das gewerkschaftliche Konkurrenz ausschließe, sei das wichtigste Ziel der Neustrukturierung. Vor der Presse sagte Detlef Hensche, die Gewerkschaften in den Industrieländern müßten zur Kenntnis nehmen, daß ihre ursprüngliche Plattform bröckele: "Alte Einteilungskriterien sind überarbeitungsbedürftig, Gewerkschaften müssen sich reformieren, oder sie werden marginalisiert." Margret Mönig-Raane schloß Neugründungen von Gewerkschaften nicht grundsätzlich aus: "In ein oder zwei Jahren werden wir sicherlich zu neuen Erkenntnissen gekommen sein, dabei kann etwas ganz Neues entstehen."

Weiter erinnerte Mönig-Raane an den Gründungsgedanken der Gewerkschaften, Konkurrenz unter den Beschäftigten durch annähernd gleichwertige Verwertungsbedingungen der Arbeitskraft auszuschließen. Daran habe sich auch nichts geändert. Nun gelte es, die Solidarität unter den Mitgliedern der drei Gewerkschaften zu entwickeln. Immerhin wurde bei der Tagung praktische Solidarität geübt. Die Abgesandten der Drucker, Journalisten, Postboten, Telefonisten, Verkäufer, Bank- und Versicherungsangestellten zückten den Geldbeutel und sammelten rund 3 000 Mark für die streikenden Lastwagenfahrer in Frankreich. Von den Gewerkschaftskassierern wurde dieser Betrag auf 10 000 Mark erhöht und mit einem Solidaritätsschreiben an die französische Gewerkschaft CFDT weitergeleitet.