Rave'n' Riot

Clubs sind geschlossene Anstalten

Partys machen Spaß, politisch ist daran rein gar nichts.

Als sich Anfang der Neunziger die ersten Vorläufer von dem, was heute Technobewegung genannt wird, in Kellern einfanden und begannen, Partys zu feiern, ohne vorher eine Lizenz zu beantragen, stellte sich die Frage nach Party und Politik schon einmal. Versprengte Philosophiestudenten fanden sich in Kellern und Fabrikgebäuden wieder, schauten sich an und sagten: Hey, das ist illegal, ist das nicht auch Politik? Mußte es ja sein, wo es illegal war. Und so sprach man bald von Nomadentum, das Wort "Bewegungslehre" fiel, sich Räume nehmen, zweckentfremden, gegen die Bedienungsanleitung benutzen, überhaupt, Subversion - das volle Programm. Doch bald verlief sich das wieder. Der Reiz des Illegalen war weg, die Clubs dann auch nur noch halblegal, weil als Galerie betrieben, es wurde weiter ausgegangen, das eine oder andere Sprachrohr wurde gegründet und wieder eingestellt. Und jetzt scheint sie wieder da zu sein, die Frage nach den illegalen Clubs und der Politik, nach der Party und dem öffentlichen Raum, Hedonismus und Geschlechterrolle und Kontrolle.

Doch den politisch korrekten Club gibt es nicht. Partys machen zwar Spaß, aber als Geheimrezept gegen andere sinnlos gewordene Politikrituale taugen sie nicht. Clubs sind keine öffentlichen Räume. Wie der Name schon sagt, sind Clubs Räumlichkeiten, die nicht für jeden zugänglich sind, sondern nur den Mitgliedern. Daß die Organisation der Mitgliedschaft nur in den seltensten Fällen über Ausweise und regelmäßig abgebuchte Beiträge funktioniert, ändert daran gar nichts. Zum Betreten des Clubs ist berechtigt, wer am Türsteher vorbeikommt. Und - egal ob legaler oder illegaler Laden - am Türsteher kommt nicht der vorbei, der am meisten Geld hat, sondern derjenige, der den jeweils geltenden Code erfüllt. Doch selbst wenn der Türsteher nur den Eintritt kassiert und jeden hereinläßt - Clubs funktionieren über einen Drinnen/Draußen-Mechanismus. Und wer drinnen ist, ist Akteur und hat sich zu verhalten.

In Clubs geht es um die Definitionsmacht in Style-Angelegenheiten, und das ist in erster Linie die Frage: Wer oder was ist cool, und wer oder was ist es nicht. Und wer oder was cool ist, entscheidet jeder Abend in einem komplizierten Spiel aus dem Einhalten und dem Überschreiten der Regel aufs neue. Und das erschwert das Politisieren von Styles ungemein. Coolness ist ein dynamisches System und jede Art von Festschreibung, von Verbalisierung, von Eindeutig-Machen führt sicher in die Uncoolness. Ein Club ist kein Konzertsaal. Da kann jeder hereinspazieren, der eine Eintrittskarte kauft. Wie das Publikum aussieht, was getrunken und in welcher Pose herumgehangen wird, ist relativ gleichgültig: Was zählt, ist, was auf der Bühne passiert. Dort werden stellvertretend Dinge verhandelt, eine Haltung vorgeschlagen, und damit kann man sich identifizieren oder nicht. Die Vorstellung von der "guten Kunst" ist einfacher zu politisieren als die vom "guten Leben". Clubs gehen anders.

Legale Clubs unterscheiden sich dabei in ihrer Funktionsweise grundsätzlich wenig von illegalen. Die einen sind natürlich bis zu einem gewissen Grad cooler als die anderen, aber irgendwann nervt es die Betreiber genauso, ständig Ärger wegen der fehlenden Lizenz befürchten zu müssen, wie es die Gäste satt bekommen, sich Putz in den Gin-Tonic rieseln zu lassen. Ganz davon abgesehen, daß ein kurzer Blick in die jüngere Geschichte des Berliner Nachtlebens genügt, um festzustellen, daß die Kommerz-Abzocker-Schweine-Schuppen von heute gestern noch Undergroundläden mit mächtig viel Credibility waren. Eine gewisse Zeit als illegaler Laden läßt sich eben nicht zuletzt prima in Authentizität konvertieren. Selbst, wenn das nicht beabsichtigt ist, wird die Illegalität spätestens nach ein paar Wochenenden als das Besondere konsumiert. Selbst, wenn man seine Bar in die eigene Wohnung verlegt, kommt nach einem halben Jahr die Szeneredakteurin von Marie-Claire vorbei, weil es sich irgendwie herumgesprochen hat, daß da dieser hippe, illegale Laden ist.

Das ist nicht weiter tragisch. Denn nur, weil Partys in unerlaubten Hallen feiern illegal ist, ist es eben noch lange nicht politisch. Das wußte Marusha schon 1991, als sie in ihrer Sendung auf DT 64 sagte: "Es gibt keinen Underground mehr und auch keinen Overground. Es gibt nur noch Ground." Genau auf diesem

Ground findet das Clubleben statt. Daß die ökonomische Unabhängigkeit der ganzen Kleinen von den Großen, das ganze Netzwerk von DJs, Kleinclubbetreibern, Kleinlabelmachern, Fanzineschreibern, Dealern und wer sonst noch dabei ist, trotz aller guten Gesinnung dann eben doch Kleinunternehmertum im Sinne von Innovativ-die-Dienstleistungsnische-Füllen betreibt, muß wohl so sein. Sich durch eine Independence-Rhetorik über die politische Ökonomie der Subkultur in die Tasche zu lügen, allerdings nicht.

Ein von den linken Apologeten der Clubkultur besonders gern als Errungenschaft ins Feld geführtes Gerücht war und ist das Spielen mit Geschlechteridentitäten. Wo keine Bühne mehr ist, sondern nur noch Tanzfläche, und alle Männer eine Pille intus haben und sich deshalb nicht mehr die ganze Zeit am Sack kratzen, sondern sich fühlen wie auf rosa Watte, da soll sie möglich sein, die Auflösung der Geschlechterrollen. Doch die konkreten Clubsituationen spielen sich dann doch wieder klar in den alten Rollengrenzen ab: Die Mädchen stehen hinter der Bar und die Jungs drehen an ihren Plattentellern. Zwar ist der DJ nicht mehr der leidende oder kämpfende Rock-Macker, doch an die Stelle der Bühnenpose ist das Spezialwissen um die richtige Schallplatte getreten, an die Stelle des Gitarrensolos der perfekte Mix. Das macht zwar immer noch mehr Spaß als ein Konzert, aber Identitäten, Geschlechterrollen gar, lösen sich hier nicht auf.

Jenseits all dessen ist es natürlich trotzdem tausendmal wünschenswerter, wenn die Linke zum Ausgehen mehr als nur ihre Gesinnung mitnimmt, weil dann nicht mehr alle in schwarzen Kapuzenpullovern und Lederjacken kommen. Und die glamourfreie Zone einer Antifa-Soliparty betritt man ohnehin nur noch aus Solidarität. Und gesetzt den Fall, die Teilnehmer aller Che-Guevara-Kongresse und Adorno-Hauptseminare des Landes würden anfangen, regelmäßig tanzen zu gehen, Lines zu rüsseln, Pillen zu schmeißen und vorm Ausgehen in den Spiegel zu gucken... Wenn Besser-Wissen auch noch besser aussehen würde, stünden der Revolution eigentlich nur noch die üblichen Verhältnisse entgegen.