Geschichte aus der Staatskanzlei

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20 Jahre dauerte der Kampf der Überlebenden für die Gedenkstätte im ehemaligen KZ Dachau. Erst 1965 konnte die Gedenkstätte eröffnet werden - gegen erheblichen Widerstand aus Parteien und Bevölkerung. Bis heute ist die Gedenkstätte personell unterbesetzt - fünf feste Mitarbeiter sollen rund 700 000 Besucher jährlich betreuen - und finanziell vernachlässigt. Allein das ist ein Skandal. Verantwortlich dafür sind politische Entscheidungen: Jahrzehntelang war die Politik der CSU-Regierung vom Schlußstrich-Diktat bestimmt.

Jetzt, wo kaum noch Überlebende der Shoah und ehemalige Dachauer KZ-Häftlinge leben, wird die Geschichtsschreibung plötzlich in die eigene Hand genommen: Dabei wird das Gesamtkonzept zur Neugestaltung aus finanziellen Gründen "zeitlich gestreckt". Dadurch droht es zerstückelt und aufgehoben zu werden. Weil die öffentliche Transparenz fehlt, kann die Staatsregierung Aufträge für Baumaßnahmen und Ausstellungskonzeption ohne öffentliche Ausschreibung an ihre eigenen Behörden vergeben. Bis heute wurde kein Gremium aus ehemaligen Häftlingen, Gedenkstättenleitung und Experten installiert, dem die Verantwortung zur Umsetzung des Gesamtkonzepts übertragen werden könnte. Die KZ-Gedenkstätte Dachau darf jedoch nicht Eigentum des bayerischen Staates werden. Eine Geschichtsschreibung ˆ la Staatskanzlei wäre skandalös, untragbar wäre es, die Neugestaltung einer Gedenkstätte Hochbauämtern und der Ministerialbürokratie zu überlassen. Allein der Verdacht, die Form und der Inhalt des Erinnerns an den von Deutschen begangenen Völkermord an Juden, Sinti und Roma und die Ermordung von Kommunisten, Sozialdemokraten, sowjetischen Soldaten und Homosexuellen, von Gegnern und Andersdenkenden, könnte politisch instrumentalisiert und staatskonform umgeschrieben werden, macht Widerstand nötig.

Dabei geht es um zwei zentrale Punkte: Konzeption, Ausführung und Verantwortung bei der Neugestaltung müssen endlich in die Hände eines internationalen Fachbeirats aus ehemaligen KZ-Häftlingen und Vertretern der Opfergruppen, Gedenkstättenleitung, Historikern und internationalen Experten mit Gedenkstättenerfahrung gelegt werden. Wer Politik mit dem Rotstift betreibt und, anstatt das nötige Geld für eine würdevolle Gestaltung der Gedenkstätte freizugeben, ein Gesamtkonzept auf Jahre hinaus verzögert und dadurch zerstückelt, um ein unbequemes Konzept zu begraben und sich selbst das Monopol auf die Geschichtsinterpretation anzueignen, darf keinen Erfolg haben. Doch wenn nicht bald massiver internationaler Protest laut wird, wird die bayerische Staatsregierung weiterhin nahezu ungestört Inhalt und Form der Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Dachau nach ihren Vorstellungen durchsetzen. Sie ist auf dem besten Weg dazu.