Stattliche Monopole

Wie kaum eine andere Branche boomen die kommerziellen Sicherheitsdienste. Die Privatisierung staatlicher Aufgaben macht es möglich

Ihr Umfang und Umsatz sind ebenso auffallend wie häufig auch ihre schmucken Phantasieuniformen. Das private Sicherheitsgewerbe der Bundesrepublik boomt und realisiert mittlerweile mit 1 500 Betrieben (1989: 700) und 250 000 Beschäftigten einen Umsatz von 14,5 Milliarden Mark. Die zehn größten Unternehmen decken über 50 Prozent des Gesamtumsatzes in der Sicherungstechnik sowie Bewachung ab und beschäftigen ein Drittel aller Sicherheitskräfte. Prognosen gehen davon aus, daß in den nächsten Jahren die Zahl der Beschäftigten im privaten Sicherheitsgewerbe die Zahl der Polizeibediensteten (ca. 300 000) übersteigen wird. Angesichts leerer Kassen und einer, sieht man von der "Terroristen"-Hatz der siebziger Jahre einmal ab, beispiellosen Unsicherheits-Kampagne, die sich exakt in den neoliberalen Wirtschaftskurs fügt, eine äußerst realistische Option.

Auftraggeber und Besitzer der Sicherheitsfirmen halten sich jedoch gern im Hintergrund. Die Berliner Wache etwa gibt zu ihrer Muttergesellschaft keine Auskunft. Auch ausländische Konzerne sind rege auf dem bundesrepublikanischen Sicherheitsmarkt tätig, wie etwa die schwedische Securitas (Protectas, Frankfurt) oder die Londoner Securicor-Gruppe, die den Allgemeinen Sicherheitsdienst (ASD) von Hamburg aus betreibt. Bundesrepublikanischer Marktführer ist die Raab-Karcher Sicherheit GmbH. Sie hat mit 10 500 Beschäftigten etwa genausoviele Kräfte wie die Polizei in Hamburg oder Thüringen im Einsatz. Und die Bahn Schutz & Service GmbH, ein 100prozentiges Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG, gilt deren Geschäftsführer, Christian Krakow, als "die Inkarnation der Privatisierung von Polizeiaufgaben".

Sicherheitspolitisch gewinnt die "Deutschland AG" immer mehr an Kontur: Neben den abgeschirmten Inseln des massenhaften Konsums wie Shopping Centern und privat gesicherten exklusiven Wohnsiedlungen, entstehen in den Städten Hochsicherheits-Einkaufsmeilen und die "Visitenkarte Bahnhof". Wenig überraschend sind daher Äußerungen von Vertretern aus Bund, Ländern und Gemeinden sowie aus der Branche selbst, die die Ausweitung von Befugnissen und schon bestehender institutionalisierter Kooperationsformen fordern - etwa beim "BOS"-Komplex (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben), einem Zusammenschluß von Innenministerien, Polizei, privaten Sicherheitsdiensten und deren Verbänden.

Zentrale Ansatzpunkte sind neben der Forderung, die Verkehrsüberwachung an die Privaten abzugeben, die Debatten über den städtischen öffentlichen Raum. "Die Entwicklung der privaten Sicherheitsdienste hängt nur zu einem äußerst geringen Teil mit der Angst der Bevölkerung, dafür um so mehr mit der weltwirtschaftlichen Entwicklung und der deutschen Einheit zusammen", meint etwa der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Werttransportunternehmen, Harald Olschok-Tautenhahn. Und weiter: "Das private Wach- und Sicherheitsgewerbe steht heute vor einer der größten Herausforderungen in seiner fast 100jährigen Geschichte. Diese Herausforderung besteht darin, daß der Einsatz des Gewerbes in öffentlichen Räumen nicht nur zunehmend beobachtet, sondern immer häufiger auch gefordert wird."

Daß diese "Herausforderung" angenommen wird, zeigt sich in den Privatisierungstrends: Beispielsweise am Potsdamer Platz und dem geplanten Lehrter Bahnhof in Berlin oder im Verkauf von öffentlichen Plätzen an Privatfirmen. In Stuttgart ist dies im Rahmen des Umbaus des Berliner Hauptbahnhofes im Jahre 2008 der Fall, dort sind bald 40 Prozent (100 Hektar) der Innenstadt in Privatbesitz. Die Deutsche Bahn AG, einer der größten Immobilienbesitzer innerstädtischer Flächen, meldet im Rahmen seiner "Projekt 21-Konzeption" entsprechend Verwertungs- und Kontrollansprüche auf eben diese Flächen an und hat bereits, ähnlich wie in Leipzig, die flächendeckende Videoüberwachung auch des Bahnhofsumfeldes übernommen.

Der Umbau der Personenbahnhöfe wird dabei von der Bahnhof Management- und Entwicklungsgesellschaft (BME) koordiniert, die ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutsche Bahnen Beteiligungsgesellschaft mbH und der zur Otto-Gruppe gehörenden ECE Projektmanagement GmbH ist. Die ECE betreibt in der Bundesrepublik bereits mehr als 30 Einkaufszentren. Eigener Sicherheitsdienst und eigener Immobilienbesitz in nahezu allen Städten der BRD - mit Anspruch auf das Hausrecht und dessen Durchsetzung - treffen hier zusammen.

Mit ihrer Privatisierung 1991 ist die Deutsche Bahn AG auch zu einem wichtigen Akteur im Sicherheitsbereich aufgestiegen. Der Umbau zentraler Bahnhöfe zu "Shopping Malls mit Gleisanschluß" geht seit 1994 einher mit dem neuen "3-S-Konzept" (Service, Sauberkeit, Sicherheit). Dieses Konzept wird durch die Bahn Schutz und Sicherheit GmbH (BSG) umgesetzt. Bei der Berliner S-Bahn, ebenfalls 100prozentige Tochter der Deutschen Bahn AG, werden seit 1996 für 25 Millionen Mark pro Jahr der Pedus Sicherheitsdienst und die B.O.S.S. Sicherheitsdienste GmbH eingesetzt.

Die Übergänge zwischen staatlichen und privaten Interessen sind im Sicherheitsbereich gelegentlich fließend. So ist die Veba-Tochter Raab Karcher Sicherheit (RKS) in Berlin mit 2 200 Vollzeitkräften aktiv: Seit Jahresbeginn verdient der frühere SPD-Chef Berlins, Dietmar Staffelt, in diesem Unternehmen seine Brötchen. Die RKS ist stark in der Bewachung Berliner Bundesflächen engagiert, hält 40 Prozent Marktanteile an der Bewachung von Atomkraftwerken und räumte auch schon Häuser. Die neu gegründete Tochtergesellschaft Raab Karcher Sicherheit Privat GmbH will bis 1999 rund 30 000 Privatkunden an ihre Alarmaufschaltungen binden. Das hat besonderen Reiz, immerhin ist die Veba AG der größte Wohnungsbesitzer der Republik.

Die Industrie- und Handelsschutz GmbH (IHS), einer der Marktführer bei Sicherheitsdienstleistungen im öffentlichen Nahverkehr, läßt sich vom Ex-DGB-Vorsitzenden, Franz Steinkühler, beraten - gegen die IHS wird wegen gewerkschaftlicher Behinderung ermittelt. Auch im Bereich Baustellenüberwachung (Potsdamer Platz, Bundeskanzleramt) tätig, setzt sie - unterstützt durch Hundestaffeln - in Berlin, Frankfurt/ Main, Köln und Ludwigsburg seit mehreren Jahren das Hausrecht der jeweiligen Verkehrsbetriebe durch. In Frankfurt/Main sprach sie 1993 über 192 000 Platzverweise aus, in Berlin wurden ein Jahr zuvor allein über 167 000 "Maßnahmen" durchgeführt, von denen sich über 95 000 gegen Obdachlose richteten.

Auch regional aktive Immobilienhändler, wie die Berliner Helmuth Penz und Dietrich Garski, vertreiben Obdachlose im Auftrag der Bahn AG und verfrachten sie in die betriebseigenen Obdachlosenheime. Illegalisierte Flüchtlinge und abgelehnte AsylbewerberInnen werden durch deren B.O.S.S. Sicherheitsdienst drangsaliert. Der Dienst managt auch Teile der Berliner und Brandenburger Abschiebegefängnisse und Flüchtlingslager.

Neben der Vertreibung von Armen aus den Innenstädten hat sich die Führung der privaten Sicherheitsoligopolisten zunächst auf diejenigen konzentriert, denen keine oder nur eingeschränkt Bürgerrechte zuerkannt sind: Kinder, Knackis, Kranke, Katastrophen- und Hungerflüchtlinge. Ein Beispiel dafür ist, neben der geplanten Internierung von straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen, die Berliner Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. 72 Wachschützer sollen dort zum Einsatz kommen und "Patienten auch fesseln und ihre Post öffnen. Gleichzeitig darf der Wachdienst auf ärztliche Anweisung hin auch die Zimmer der Patienten durchsuchen, auch wenn sie nicht anwesend sind."