Das Münchner Modell

Auf dem kleinen Parteitag der CSU in Ingolstadt setzte der Rechtsaußen Peter Gauweiler die Akzente

"In Bayern sind die Ferien am schönsten. Warum wohl? CSU", "Freiheit statt Sozialismus" - mit derart niveauvollen Parolen ist es der bayerischen Staatspartei in den vergangenen Jahrzehnten stets gelungen, die absolute Mehrheit der wählenden Bayern davon zu überzeugen, das Kreuz am rechten Fleck zu machen. Im laufenden Doppel-Wahlkampf für die Landtags- und Bundestagswahlen im September bleibt die CSU ihrem Niveau treu. Auf ihrem kleinen Parteitag in Ingolstadt sagten die Christsozialen am vergangenen Freitag nicht nur den Ausländerinnen und Ausländern im Freistaat den Kampf an, sondern gleich auch noch der Grammatik der deutschen Sprache: "Deutschland und Bayern sind kein Einwanderungsland", lautet eine der Hauptforderungen im christsozialen Wahlpapier, das in Ingolstadt verabschiedet wurde und das auch die Richtung für die gemeinsame Wahlplattform mit der CDU vorgeben soll.

Zur Verkündung der Botschaft hatte die Partei ihren längst in der Versenkung geglaubten Rechtsaußen wieder ausgegraben: Peter Gauweiler, jener Strauß-Zögling, der einst mit der Forderung nach Aids-Tests für alle Bayernbesucher weltweit auf sich aufmerksam machte, nach dem Tod des großen Vorsitzenden dann von Stoiber zum Kuhstallminister degradiert wurde und zuletzt als Chef der Münchner CSU zwischengelagert war, wo er bei der Bürgermeisterwahl dem SPD-Kandidaten Christian Ude unterlag und sich die Show ansonsten vom seinem nicht weniger rechtslastigen Parteifreund, Kreisverwaltungsreferent Hans-Peter Uhl, stehlen lassen mußte.

Arg ergraut ist er inzwischen, der Gauweiler Peter - mag wohl am Machtentzug liegen -, doch wenn es für die CSU darum geht, im braunen Sumpf nach Stimmen zu fischen, dann kann man den 48jährigen wieder brauchen. Die Erwartungen der Parteispitze hat er in Ingolstadt jedenfalls erfüllt: Brav hat er gegen Ausländerinnen und Ausländer gehetzt, hat der multikulturellen Gesellschaft unter dem großen Beifall seiner Parteifreunde den Kampf angesagt, hat Sätze gesagt wie: "Wir haben in Bayern und Deutschland die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht", hat einen "Katalog für Ausländer mit ihren Rechten und Pflichten" gefordert.

Eigentlich hatte er ja ein Volksbegehren mit dem Titel "Bayern ist kein Einwanderungsland" starten wollen, sehr zum Unmut der Parteispitze, schließlich hätte eine derartige Kampagne suggeriert, die CSU habe Bayern zu einem Einwanderungsland gemacht. Doch indem sie Gauweiler nun in Ingolstadt wieder auf die große politische Bühne ließen, haben Edmund Stoiber und Theodor Waigel den Münchner CSU-Chef rechtzeitig wieder eingefangen und seine Fähigkeit, den rechten Rand abzudecken, für die eigenen Interessen genutzt.

Freilich wollte Parteichef Waigel sich von seinem Münchner Statthalter nicht gänzlich die Show stehlen lassen. Härtere Strafen für Ersttäter und eine visuelle Überwachung möglicher Straftäter forderte der Finanzminister in Ingolstadt und machte gleichzeitig klar, wie ernst es die CSU mit dem Rechtsstaat nimmt: "Da gibt es für mich keinen Datenschutz mehr." Weitere Punkte im christsozialen Law-and-order-Programm: Geschlossene Heime für Jugendliche auch unter 14 Jahren, keine doppelte Staatsbürgerschaft, die Senkung des Nachzugsalters für ausländische Kinder auf höchstens zehn Jahre - "um die Integration von ausländischen Kindern weiter zu verbessern" -, die Abschiebung von ausländischen Straftätern, auch wenn sie mit Deutschen verheiratet sind, die Abschiebung von straffälligen ausländischen Jugendlichen zusammen mit ihren Eltern. Damit rücke die CSU keinesfalls nach rechts, versicherte Waigel. "Die CSU bleibt dort, wo sie schon immer war."

Die Nazis von der DVU, die ebenfalls in München ihr Hauptquartier haben, erkennen, daß die Forderungen der CSU in der Ausländer- und Innenpolitik derart rechtsradikal sind, daß sie nicht mehr zu übertrumpfen sind. Man wolle da thematisch nicht mehr "draufsatteln", ließ die Frey-Partei verlauten, man sehe deshalb keinen Sinn in einer eigenen Kandidatur für die Landtagswahlen. Daß die DVU im September im Freistaat nicht antreten wird, liegt freilich auch am bayerischen Wahlsystem, bei dem Erst- und Zweitstimmen zusammengezählt werden. Mangels Direktkandidaten hätte die Partei also nur wenig Chancen. Außerdem sind in Bayern traditionell die Republikaner die stärkste Partei am rechten Rand.

Mit ihrem Kandidaturverzicht vergrößert die DVU die Chancen der einstmals erbittert bekämpften Konkurrenzpartei - ein Anzeichen dafür, daß die Rechten ihre Kräfte bündeln. Darauf deutet auch die Kandidatur von Ex-Republikaner-Chef Franz Schönhuber für Gerhard Freys DVU bei den kommenden Bundestagswahlen hin, die Schönhuber am vergangenen Freitag parallel zum CSU-Parteitag in München verkündete.

Das Wählerpotential der Rechten liege bundesweit bei rund neun Prozent, so Schönhuber. Die DVU werde also "höchstwahrscheinlich" in den Bundestag einziehen. Die Chancen für seine ehemalige Partei, in Bayern die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen, stehen jedenfalls gut. Bei den Landtagswahlen 1994 verpaßten die Republikaner denkbar knapp mit 4,9 Prozent den Einzug ins Maximilianeum. Nach Umfragen kann die Partei derzeit mit einem ähnlich hohen Stimmenanteil rechnen. Und daß die CSU wie angekündigt ihre Wahlkampagne vor allem mit Themen wie "Innere Sicherheit" und "Ausländerkriminalität" führen, sich das politische Klima zwischen Würzburg und Garmisch also noch weiter nach Rechtsaußen verschieben wird, könnte den Reps mehr nützen als schaden.

Daß die Christsozialen im Wahlkampf immer lauter auf die chauvinistische Pauke hauen, wird vom politischen Gegner vor allem als Panikreaktion auf die miesen Umfrageergebnisse für die Partei gewertet. Die CSU führe einen "Verzweiflungswahlkampf", um sich aus dem "Verlierer-Image" der Bonner Koalition zu befreien, stellte der Innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Rezzo Schlauch, nach dem Ingolstädter Parteitag fest und warf der Partei vor, durch die Übernahme von DVU-Parolen "den Rechtsradikalismus in Deutschland hoffähig" zu machen. Ähnlich sieht das der Ingolstädter SPD-Bundestagsabgeordnete Hans Büttner. Er attestierte der CSU eine "panische Angst vor dem Machtverlust", weshalb sie nun ausländerfeindliche DVU-Parolen übernehme.

Geht es nach dem am Wochenende veröffentlichten Politbarometer der Süddeutschen Zeitung, ist die CSU tatsächlich weit von ihrem Wahlkampfziel "50 plus x" entfernt. Derzeit liegt die Partei demnach in der Wählergunst bei lediglich 46 Prozent. Für die bayerische Staatspartei käme dies einem Fiasko gleich. Fast zwei Drittel der Wähler sprechen sich zudem gegen eine weitere Alleinregierung der CSU aus. Ob die Allmacht der CSU im Freistaat tatsächlich gebrochen wird, hängt indes auch vom Abschneiden der kleinen Parteien ab. Aber lediglich bei den Grünen scheint der Einzug ins Parlament sicher, wenn auch denkbar knapp. Zusammen mit der SPD dürfte es allerdings kaum für eine absolute Mehrheit im Maximilianeum reichen, denn die Sozialdemokraten liegen momentan bei etwa 34 Prozent.

Die FDP wird allem Anschein nach erneut scheitern, und auch die anfangs so hoch gehandelten Freien Wähler, die im September erstmals für den Landtag kandidieren und die in den Kommunen zahlreiche Mandatsträger und Bürgermeister stellen, liegen weit abgeschlagen bei zwei Prozent. Die CSU würde zwar die absolute Mehrheit der Stimmen verfehlen, nicht aber die absolute Mehrheit der Mandate im Parlament. Die CSU-Allmacht in Bayern ist demnach nur von Rechtsaußen gefährdet. Schaffen die Republikaner den Einzug in den bayerischen Landtag, hat die CSU nur noch die Wahl zwischen einer schwarz-braunen Zusammenarbeit und einer Koalition mit der SPD. Man darf gespannt sein, wofür sie sich entscheidet. Wie wär's mit einem "Münchner Modell" - einer Tolerierung der CSU durch die Republikaner? Inhaltlich dürfte es da kaum Probleme geben.