Bill Foxton, Beobachter der OSZE

»Die UCK trägt jetzt deutsche Uniformen«

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Nach unterschiedlichen aktuellen Medienberichten fliehen immer mehr Menschen aus dem Kosovo nach Albanien. Wieviele waren es bislang?

Bis zum 7. Juni sind 1742 Menschen aus dem Kosovo nach Albanien
geflohen, das ist gezählt worden. Aber es werden zur Zeit nicht mehr Flüchtlinge als sonst gesehen, die Fluchtbewegungen sind ziemlich gleichmäßig.

Was geschieht mit den Flüchtlingen, wenn sie in Albanien angekommen sind?

Sämtliche Flüchtlinge, die hier über die Berge nach Albanien kommen, werden sofort von der hiesigen Bevölkerung versorgt. Deshalb sprechen die Menschen auch nicht von Flüchtlingen, sondern von Verwandten. Beinahe jede Familie in der Gegend hat mehrere Kosovo-Albaner aufgenommen. Es ist also nicht nötig, daß man jetzt Flüchtlingslager errichtet. Das könnte sich aber ändern, wenn die jugoslawischen Einheiten größere militärische Erfolge erringen. Dann erwarten wir innerhalb kürzester Zeit weitere 2 500 Flüchtlinge.

Also hat die serbische Seite keine militärischen Erfolge zu verzeichnen?

Zur Zeit nicht. Das Ganze artet in einen zermürbenden Stellungskrieg aus. Auch geben sich beide Seiten momentan anscheinend nicht allzu viel Mühe. Wir hören in den letzten Tagen nur vereinzelt Kampfgeräusche. Am schlimmsten war es hier vor einer Woche, als anscheinend die Befreiungsbewegung der Kosovo-Albaner, UCK, eine Offensive gestartet hat.

Können Sie zu den Konfliktparteien Kontakt aufnehmen?

Nein. Sowohl die Serben als auch die Kämpfer der UCK wollen nicht, daß wir in das Kampfgebiet kommen.

In westlichen Medien heißt es aber, daß nur die serbische Armee etwas gegen die Beobachter hat.

Nein, da sind beide Seiten gleich.

Wie steht es um den Organisationsgrad der UCK?

Der wird anscheinend besser. Am Sonntag haben wir erstmals entdeckt, daß die UCK plötzlich uniformiert ist. Und zwar mit deutschen Feldanzügen. Das ist neu.

Bemerken Sie etwas vom Bestreben der Nato, im Kosovo zu intervenieren?

Allerdings. Am Sonntag ist hier eine Nato-Delegation mit zwei Hubschraubern gelandet und hat uns gefragt, wie die Situation ist. Ich glaube aber nicht, daß eine großangelegte Intervention zur Zeit notwendig oder sinnvoll wäre. Noch scheint der Konflikt auf bestimmte Teile des Kosovo beschränkt. Und die Flüchtlinge werden von den Albanern in Empfang genommen.

Was erwarten sich die Albaner von einem Nato-Einsatz?

Natürlich gibt es Hoffnungen, daß die internationale Staatengemeinschaft etwas tut. Aber das bezieht sich besonders auf humanitäre Hilfe.

Die internationale Diplomatie hat in den letzten Wochen vieles, darunter auch Widersprüchliches, getan. Zum Beispiel intensiv verhandelt und Serbien mit Sanktionen gedroht. Hat sich irgend etwas von diesen Bemühungen auf das Krisengebiet ausgewirkt?

Nein. Hier wird gekämpft, und was in Belgrad oder sonstwo passiert, spürt man hier nicht. Oder vielleicht doch: Wir haben bemerkt, daß die Freiheitskämpfer der UCK in den letzten Wochen viel motivierter geworden sind.

Bill Foxton ist Leiter des OSZE-Beobachter-Büros an der Grenze Albaniens zum Kosovo