Schweigen ist auch eine Äußerung

Auch in Berlin untersagte nun das Verwaltungsgericht eine politische Veranstaltung des Asta

5 000 Mark Ordnungsgeld muß der Asta der Freien Universität Berlin zahlen. Sein Vergehen: Er hatte eine Veranstaltung mit dem Titel "Asyl und Abschiebung: Rassistische Politik in dieser Gesellschaft" angekündigt. Das Verwaltungsgericht Berlin wertete das am Mittwoch vergangener Woche als unzulässige allgemeinpolitische Äußerung.

Damit sind nun auch die Berliner Studierendenvertreter gezwungen, Konsequenzen aus einer bundesweiten Klagewelle rechter Studierender zu ziehen. Bisher konnte sich der Allgemeine StudentInnenausschuß der FU auf das relativ liberale Berliner Hochschulgesetz berufen, das zu den Aufgaben der Studierenden-Vertretung "die Förderung der politischen Bildung der Studenten und Studentinnen" zählt. Da der Asta jedoch eine Zwangskörperschaft sei, verstoße diese Bestimmung gegen übergeordnete Grundrechte der Studierenden, urteilte das Verwaltungsgericht.

Der Asta sagte daraufhin die Veranstaltung kurz vor Beginn ab. Daß ein anwesender Dozent die Diskussion auf eigene Faust doch führte, wird wohl eine Ausnahme bleiben. Wie bereits in vielen anderen Städten wird fortan auch in Berlin der Asta zu sogenannten allgemeinpolitischen Fragen schweigen müssen oder weitere Ordnungsgelder riskieren. Im Fall einer Zahlung der Summe drohten die KlägerInnen bereits, den Asta abermals zu verklagen, diesmal wegen "Veruntreuung studentischer Gelder". Die einzige Möglichkeit, der Zwickmühle zu entgehen: Der Asta-Vorsitzende müßte für einen Tag ins Gefängnis.

Das Berliner Veranstaltungsverbot kommt fast zeitgleich mit dem Auftakt der bundesweiten Kampagne von Studierendenvertretungen: "Wir nehmen den Maulkorb ab!" Neben den Studierendenvertretungen aus Berlin, Bielefeld, Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Gießen, Hannover, Marburg, Münster und Potsdam, die meist bereits von Klagen betroffen oder bedroht sind, wird die Kampagne unter anderem vom Bund Demokratischer WissenschaftlerInnen sowie dem Komitee für Grundrechte und Demokratie unterstützt.

Eine Anzeigenreihe in der Frankfurter Rundschau soll zeigen, auf welche Themen sich die KlägerInnen, die meist aus rechten Hochschulverbänden kommen, konzentriert haben: Innere Sicherheit, Atompolitik, Neofaschismus und Abschiebungen. Denn obwohl die KlägerInnen argumentieren, es gehe ihnen um die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte durch die allgemeinpolitischen Äußerungen, liegt ihnen offenbar daran, gewisse Inhalte zu unterbinden. Marc Wesser, einer der Kläger gegen den Studierendenrat Potsdam, erläuterte im Berliner Tagesspiegel, er wehre sich dagegen, daß "sich viele Studentenvertretungen als eine Art linksradikales Biotop verstehen, das sich erfolgreich den Einflüssen der deutschen Gesellschaftsmehrheit entzieht".

Die Studierendenvertretungen möchten aber nicht nur auf die Motivation der KlägerInnen hinweisen, sondern sie halten grundsätzlich die Unterscheidung zwischen "allgemeinpolitischen" und "hochschulpolitischen" Äußerungen, die in den Klagen getroffen wird, für unsinnig. Im Positionspapier der Kampagne heißt es, "die Interessenvertretung der Studierenden kann sich nicht auf den Hochschulbereich beschränken, da viele der sogenannten allgemeinpolitischen Themen auch die Studierenden betreffen". Eine Teilung in allgemeinpolitische und hochschulpolitische Bereiche leugne, daß die Hochschule ein Teil der Gesellschaft sei und kein abgeschotteter Elfenbeinturm, der sich mit wertneutraler Wissenschaft befaßt.

Genau das ist es aber, was die KlägerInnen und auch die Gerichte zu glauben scheinen. Daß selbst der Begriff der "Hochschulrelevanz" sehr streng ausgelegt wird, bewies das Urteil des Oberverwaltungsgericht Münster gegen die vom dortigen Asta herausgegebene Studierendenzeitschrift Semesterspiegel, die ein Interview mit einem KZ-Überlebenden abgedruckt hatte. Laut Gerichtsbeschluß dürfen Studierende zwar "Anregungen zum Lehrangebot (...) oder Stellungnahmen zu Studien- und Prüfungsordnungen" abgeben. "Eine inhaltlich-wertende Auseinandersetzung mit Gegenständen des Studienfaches (...) ist jedoch von der Aufgabenzuweisung (...) nicht erfaßt."

Solchen bornierten Urteilen setzten die Asten etwas pathetisch entgegen: "Verbrechen zu benennen, ist eine allgemeinpolitische Äußerung, dazu zu schweigen auch." Die Gerichte wird dieses Argument kaum beeindrucken.