IG Median Harmonists

Den Kinos stehen nach geplatzten Tarifverhandlungen Warnstreiks ins Haus

Alle Projektoren standen still in den Berliner Kinos "Sojus" und "Zoopalast". Mit Warnstreiks intervenieren die Beschäftigten der Lichtspielhäuser seit vergangener Woche - unter anderem auch in Heidelberg, Köln und Bochum - in das laufende Tarifgerangel. Das klingt skurril für eine Branche, mit der man eher kulturbeflissene Beschaulichkeit als wehende Gewerkschaftsfahnen verbindet.

Vorausgegangen war den Streiks die Ablehnung eines Schlichterspruchs durch den Hauptverband Deutscher Filmtheater e.V. (HDF) nach dem Scheitern der diesjährigen Tarifverhandlungen mit der IG Medien Ende Juli. Vor dem Hintergrund eines noch nie dagewesenen Kinobooms und von Bruttostundenlöhnen zwischen zwölf und dreizehn Mark behauptet der HDF, die im Schlichterspruch vorgesehene Gehaltserhöhung von 2,9 Prozent passe weder in die gegenwärtige Tariflandschaft noch sei sie kaufmännisch vertretbar.

Die rund 20 000 Beschäftigten des Kinogewerbes werden so mies bezahlt wie kaum jemand sonst, der sich im Rahmen legaler Arbeitsverhältnisse bewegt. Mit häufigen Nacht- und Wochenendeinsätzen, stressigen Arbeitsbedingungen und Billiglöhnen stehe die Kinobranche "beispielhaft für die Entwicklung im Bereich der Unterhaltungsindustrie und der neuen Dienstleistungsunternehmen", so IG-Medien-Verhandlungsleiter Manfred Moos. Eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Teilzeitarbeitern auf 620-Mark-Basis, darunter viele Studenten, erschwere die gewerkschaftliche Organisierung, die bislang kaum mehr als ein Viertel aller Beschäftigten erfaßt habe.

Besonders dreist erscheint die Tarifknauserei der Kinounternehmer in Hinblick auf die aktuelle Trendwende, die den Kinos 1997 eine Rekordzahl von 143,1 Millionen Besuchern und ein Umsatzplus von über elf Prozent bescherte. Zurückzuführen ist diese Entwicklung in erster Linie auf die zahlreichen Kinoneubauten, darunter insbesondere die Multiplexe, die 1997 knapp ein Viertel aller Kinobesucher auf sich vereinigten - 1996 waren es erst 14,6 Prozent.

Angesichts solcher Ausgangsbedingungen war die IG Medien Ende April mit für hiesige Verhältnisse geradezu abenteuerlichen Forderungen in die Tarifverhandlungen gezogen: Die Heraufsetzung der Stundenlöhne um eine Mark und des Weihnachtsgeldes in Höhe von derzeit 500 Mark auf ein vollständiges Monatsgehalt schrieb sich die Gewerkschaft damals auf ihre Fahnen.

Eine "kräftige Erhöhung, die die positive Entwicklung in der Branche widerspiegelt", erwartete die IG Medien in einem ihrer Presseberichte, und Verhandlungsführer Moos pochte auf den "Anspruch der Beschäftigten an einer Beteiligung am Kino-Boom".

Nachdem aber die Tarifverhandlungen Ende Juni mit einem Angebot der HDF auf eine 0,8-prozentige "Lohnerhöhung" gescheitert waren, wurde - auf Vorschlag des Unternehmerverbandes - der Kölner Arbeitsrechtler Peter Hanau als Schlichter berufen. Der von ihm präsentierte Kompromiß sah unter anderem eine Steigerung der Löhne und Gehälter um 2,9 Prozent vor - was einer Erhöhung um 31 bis 51 Pfennig pro Stunde entspricht.

Das liegt zwar weit unter der gewerkschaftlichen Forderung von einer Mark, aber mit allen Wassern gewaschenen Bürokraten ist kein Tarifabschluß zu lausig, als daß er der Basis nicht doch noch als Erfolg verkauft werden könnte: Insgesamt sei der Spruch der Schlichtungskommission "wenig erfreulich", kommentierte Verhandlungsführer Moos, aber es sei doch eine schöne Sache, daß die Arbeitgeber den Wegfall von Nachtzuschlägen "und andere gravierende Verschlechterungen" nicht durchzusetzen vermochten und daß es gelungen sei, "einen Arbeitskampf in den Kinos doch noch zu vermeiden".

Moos akzeptierte daraufhin den Schlichterspruch, der HDF jedoch lehnte erst am 17. und dann endgültig am 22. Juli ab. "Brutal und zynisch" beklagte sich die IG Medien und leitete nun erste, zaghafte Streikvorbereitungen in die Wege. Den Kinobetreibern wurde eine Bedenkfrist bis zum 30. Juli eingeräumt, bevor man zu Haustarifverhandlungen übergehen wolle. Damit liquidieren die Gewerkschaftsführer ganz nebenbei den Flächentarifvertrag, worüber sich nun ausgerechnet der HDF beschwert. Der nämlich sieht seine halsstarrige Verhandlungstaktik durch die Kompromißbereitschaft flexiblerer Einzelunternehmen wie UCI und Flebbe / Cinemaxx konterkariert. Ob die Selbstüberlistungsstrategie der IG Medien den Kinounternehmern weitere Filmrisse bescheren wird, bleibt trotz fortgesetzter Streikaufrufe zweifelhaft.