Revival einer Zeitschrift

»diskus«

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Nach vier Jahren Pause erscheint die Frankfurter StudentInnen-Zeitung diskus wieder. Das Redaktionskollektiv hatte sich während des Unistreiks im Winter 1997 zusammengefunden, zunächst in der Absicht, eine kritische Auseinandersetzung über Hochschule und Gesellschaft zu initiieren, die im hektischen Treiben der Aktionen und Demonstrationen zu kurz gekommen war. Auch schien die Gelegenheit günstig, um die brachliegende Ressource im Asta-Haushalt neu zu erschließen. Die Streiksituation brachte es wohl mit sich, daß die Wahl der HerausgeberInnen im Studienparlament überraschend glatt über die Bühne ging, während noch vor zwei Jahren die rot-grün-bunte Mehrheit eine BewerberInnen-Gruppe als zu radikal abblitzen ließ.

Die StudentInnen-Zeitung wurde vor 47 Jahren im Rahmen eines Reeducation-Programms gegründet, 1951 hatte sich u.a. der damalige Rektor Max Horkheimer für eine Zeitung zur Erprobung und Einübung demokratischer Öffentlichkeit eingesetzt. In den folgenden Jahren hat das Heft in Abhängigkeit von politischen Konjunkturen der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte mehrfach sein Gesicht gewandelt. Erst durch die breite Politisierung der Studierenden ab 1967 wird der diskus zu dem, was seinen Ruf begründet hat: Zeitung einer studentischen Gegenöffentlichkeit und darüber hinaus Organ einer nicht nur universitären Neuen Linken. Ende der Siebziger zieht sich der diskus wieder auf sein studentisches Milieu zurück. Anfang der Neunziger erlebt er noch einmal ein Revival in Verbindung mit den Antinationalen, bis die Redaktion zur Beute wird. Die Frage, wie der letzte Uni-Streik zu bewerten sei, ist der leider verunglückte Einstieg in den ersten Schwerpunkt des neuen Heftes, Hochschule und Bildung. Die richtige Haltung zum Streik wird hier vor allem in Abgrenzung gegen links gesucht. Die Autoren konstruieren einen unbefleckten studentischen Protest, der am Herrschafts-Diskurs scheitert. In einem weiteren Beitrag wird die "Herzog-Rede" zur Lage der Bildung diskursanalytisch seziert. Sehr akademisch verifiziert Thomas Höhne die These, daß entgegen vieler Interpretationen Herzog weniger neoliberale Umbaumaßnahmen vorschlägt als vielmehr an einen neokonservativen Diskurs anschließt.

Einen dritten Schwerpunkt bildet die Kritik der Ausstellung "Aufstand des Gewissens - militärischer Widerstand gegen Hitler und das Nazi-Regime", die Anfang des Jahres von der Stadtverwaltung als Gegenausstellung zu "Verbrechen der Wehrmacht" nach Frankfurt geholt wurde: "Der Kampf der Ausstellungen spiegelt den Kampf um die Deutung der Geschichte wider, der mit harten Bandagen ausgetragen wird, geht es doch um nicht weniger als die (Re-)Konstruktion einer nationalen Identität." Ein Beitrag analysiert den geschichtspolitischen Versuch des Eröffnungsredners Klaus von Dohnanyi, die Generäle des 20. Juli zu "Heroen" zu machen, da "das Gebet für die militärische Niederlage des eigenen Landes das bitterste Gebet ist, das man einem Patrioten abverlangen kann".

Der unterschiedliche theoretische und politische Hintergrund der Autoren ist den Artikeln anzumerken. Während im vorderen Teil reichlich Foucault- und Deleuze-Zitaten gestreut werden, überwiegt hinten eher klassische Ideologiekritik. Doch die mangelnde Geschlossenheit stört nicht, sie macht Hoffnung auf eine produktive Auseinandersetzung.

diskus ist in Frankfurt umsonst und auswärts für fünf Mark erhältlich. Mitte August erscheint das zweite Heft zum Thema "Rassismus und Migration".