Streit unter Brüdern

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Die Muslimbruderschaft Al-Ikhwan al-Muslimin war bisher für ihre eiserne Disziplin und Dogmentreue bekannt. Doch mittlerweile zeichnen sich persönliche Rivalitäten und ideologische Grabenkriege in Ägyptens größter islamistischer Oppositionsbewegung ab. Der Bruderschaft droht die Spaltung.

Bereits Mitte Juli hatten sieben prominente Mitglieder des Politbüros aus Protest gegen die Führungsspitze ihr Mandat niedergelegt. Sie begründeten ihren Austritt mit undemokratischen Verhältnissen innerhalb der Moslemvereinigung. Sie würden von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen, so ihr Vorwurf an das Führungskomitee der Partei. Zudem kritisierten die islamistischen Kader den autoritären Führungsstil ihres "spirituellen Oberhauptes" Mustapha Mashour.

Nach einem Bericht der Wochenzeitung Middle East Times war es bei den Wahlen zum Shura-Komitee, dem beratenden Gremium der Bruderschaft, zu Manipulationen zugunsten der älteren Führungsriege gekommen. Der Parteispitze wird vorgeworfen, die Konfrontation mit der Regierung Mubarak zu wenig zu suchen. Zu Beginn der neunziger Jahre hatte das Regime den Druck auf die als reformorientiert geltenden Muslimbrüder erhöht: Die Parteizentrale in Kairo wurde geschlossen, Hunderte Mitglieder landeten in den Gefängnissen. Diesen anhaltenden Restriktionen wollen vor allem die jüngeren Kader der Organisation nicht tatenlos zusehen.

Schon im Januar 1996 verließen zwei junge Aktivisten aus Protest gegen den autokratischen Herrschaftsstil der älteren Führungsriege die Bruderschaft und gründeten mit der Al-Wassat (Zentrumspartei) eine eigene Organisation. Als immer mehr islamistische Studenten, Anwälte und Ingenieure von der Muslimbruderschaft zur Wassat wechselten, sahen sich die Parteiältesten zum Handeln veranlaßt: Sie forderten im vergangenen Jahr rund 50 abtrünnige Kader per Fax auf, ihre Wassat-Mitgliedschaft fristlos zu kündigen - jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Um ein neuerliches Spaltprodukt zu verhindern, hat die politische Führung der Muslimbruderschaft jetzt einen Schlichtungsausschuß gebildet, um die internen Konflikte möglichst schnell und ohne großes öffentliches Aufsehen beizulegen.

Um Konfliktvermeidung zeigt sich aber auch die ägyptische Regierung bemüht: Im vergangenen Juli wurden 13 Muslimbrüder aus den Gefängnissen entlassen. Nach der Amtseinführung des neuen Innenministers Habib al-Adli unmittelbar nach dem Luxor-Massaker vom November letzten Jahres (Jungle World, Nr. 48/97) scheint das Regime auf eine andere Strategie im Umgang mit den extremistischen Moslemgruppen zu setzen. Montasser el-Zayyat, der als Anwalt und Mittelsmann der radikalen Untergrundorganisation Al-Gama'a al-Islamiya fungiert, spricht in der arabischen Tageszeitung Al-Hayat davon, daß seit November letzten Jahres rund 2 000 bis 3 000 militante Islamisten freigelassen wurden. Auch habe es seitdem keine willkürlichen Verhaftungen oder Mißhandlungen von inhaftierten Mitgliedern der Gama'a mehr gegeben.

Nach Einschätzungen des islamistischen Anwalts sei diese neue Regierungsstrategie vor allem ein Versuch, die zerstrittene Führung der militanten Islamisten zu einem einseitigen Waffenstillstand zu bewegen. Intern werde ein solcher Schritt bereits erwogen.