Alternative Lebensformen

Kleiner Kneipenführer

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Will man in Berlin französisch essen gehen, hat man nicht so richtig viel Auswahl. Wenn man nicht ins überteuerte "Heising" oder das langweilige "Borchardt" gehen mag, muß man sich schon einiges gefallen lassen.

Im "Ty Breizh" an der Charlottenburger Kantstraße geht es hoch her, könnte man auf den ersten Blick denken. Wenn man eine Viertelstunde gesessen hat, weiß man, daß hier eigentlich nicht viel los ist, die Hippie-Schlager aus den Siebzigern aber ziemlich laut aufgedreht sind und Barkeeper Patrick eine ganz schön große Klappe hat.

Auf der Karte gibt es Miesmuscheln, "französisch, ohne Tomaten". Überhaupt gibt man sich Mühe, möglichst landsmännisch zu wirken. Patrick vor allem: "Allez les bleus", brüllt er immer wieder durch den Raum, weil er denkt, daß die deutsche Kundschaft das für ziemlich französisch hält. Tut sie natürlich auch. Wenn Patrick anfängt, seine schalen Witze zu erzählen, wird es richtig still. Und der Witz geht so: "Wißt ihr, warum Monica Lewinsky so dicke Backen hat?" Haha.

Meanwhile muß Patricks Bruder durch die Kneipe rennen und Wein, Bier, Cidre, Nachspeisen, Schnaps und Espresso verteilen. Warum lacht eigentlich keiner? Der nächste Witz: "Neulich war ich in Paris, Jospin rudert auf dem See ..." Auch nicht besser. Zumindest nicht besser als die Seezunge, die schon schwer nach Käpt'n Iglu roch. Und wie ißt man eigentlich Flußkrebse, wenn man nicht an deren unappetitlichen Verdauungsrückständen teilhaben will?

Alles ganz schön kompliziert hier. Am besten tut man sich an den Nachspeisen, dem Café und den Schnäpsen gütlich, zahlt die wenig nachvollziehbare Rechnung und zieht weiter. Weil man es nicht besser weiß, ins Kreuzberger "Ex" - endlich mal die neue Belegschaft begutachten. Keine Witze und kein Gesang, aber dennoch Entertainment am Tresen: "Ja, Bier. Was willst du denn?" - "Radler? Keine Ahnung, aber will nicht noch jemand Cola?" - Schon sympathisch mit den wechselnden ahnungslosen Kneipen-Kollektiven. Da fragt einen die antifaschistische Schülerfront schon mal "Werden Sie schon bedient?" Keine Lüge! Muß man sich das mit Dreißig gefallen lassen?

Aber sie geben sich alle Mühe, löffeln brav den Schaum aus dem Bierglas, machen die Cola vorsichtshalber nur halbvoll und fangen schon mal an, die Tische zu putzen. Wir gehen ja schon! Ist ja auch schon spät.

Wie immer muß es am Ende der Taxifahrer ausbaden, der eigentlich auch nichts dafür kann. Aber eine Kurzstrecke ist eine Kurzstrecke und die kostet fünf Mark. Basta.

Ty Breizh, Kantstr. 75, 10627 Berlin; Ex, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin